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Virtuell statt analog: Veranstaltungen in den Zeiten von Corona

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneVirtuell statt analog
Veranstaltungen in den Zeiten von Corona

Buchmesse Leipzig? Abgesagt. Der Rheinland-Pfalz-Tag? Abgesagt. Schulklassen? Haben Corona-Ferien. Während die Bundesländer sich noch nicht so einig sind, sagen die Meisten: Es wäre doch besser, wenn Veranstaltungen über 1000 Personen abgesagt werden würden. Schließlich wolle man ja die Verbreitung des Virus vermeiden. - Was noch nicht so klar ist, ab wann man eine Veranstaltung unter dieser Marke absagen sollte.

Was klar ist: Wenn wir in Deutschland wollen würden, könnten wir etliche dieser Organisationen komplett digital veranstalten. Ohne die analoge Komponente.

Konzerte können per Livestream übertragen werden. Ohne dass die Atmosphäre leidet. Und natürlich gab es schon in der Vergangenheit Streams von Konzertaufführungen, von Theatervorstellungen. Das ist nichts Neues. Es war ein zusätzliches Angebot zum bestehenden. Jedoch: In den Zeiten des Coronavirusses, in der die unter anderem Bayerische Staatsoper auf ihrer Website mitteilte, dass im Zeitraum vom 11. März bis 19. April alle Vorstellungen abgesagt werden … dann heißt das, dass erstmal die Einnahmen des normalen Betriebes verloren gehen. Große Häuser können hier natürlich agil reagieren und das tut die Bayerische Staatsoper ja auch: In den nächsten Tagen versuche man, einen alternativen Online-Spielplan zu organisieren und einzelne Vorstellungen als Live-Stream oder als Video-on-Demand zur Verfügung zu stellen.

Was hier unbemerkt passiert ist eine kleine Revolution: Anstelle der normalen Aufführungen tritt der Livestream oder das Video-on-Demand. Nicht als zusätzliches Angebot wie bisher, sondern als DAS zentrale Ereignis. Anstelle, dass Aufführungen abgesagt werden, werden sie digital aufbereitet. Allerdings: Nicht alle Häuser können dies leisten. Einmal, weil nicht alle Häuser wert drauf legen, digital bestens ausgerüstet zu sein - vor allem in der Museumswelt gibt es manchmal noch den Vorbehalt von Walter Benjamins Reproduzierbarkeit - zum Anderen können das auch nur die größeren Häuser leisten. Wobei sich hier die Frage stellt, ob es wirklich immer die hochqualitative Ausrüstung sein muss und nicht auch kleinere Häuser heutzutage mit Smartphones alleine nicht eine anständige Übertragung hinbekommen könnten.

Deswegen ist dieser Zeitraum auch eine Art von Experimentierphase: Was kann wie auf welchem Wege digital dargestellt werden? Zu einer Fachkonferenz kann man digital einladen, das geht auch kurzfristig - vor allem, weil die großen Softwarekonzerne gerade Lizenzen für mehrere Monate kostenlos unters Volk werfen, was natürlich einen kapitalistischen Beigeschmack hat. Ob nun analog ein Referent im Saal einen Vortrag hält oder ob das digital passiert, im Grunde ändert sich da nicht viel an der Situation an sich. Es ist ja nicht so, als ob wir in einer Veranstaltung wirklich aktiv irgendwie teilnehmen würden, das ist ja eher eine passive Geschichte.

Workshops sind auch kein Problem. Durch Chatmöglichkeiten ist ein Austausch und ein gemeinsames Arbeiten kein Thema. Man kann in der Cloud gemeinsam an Dokumenten arbeiten, Notizen einspeisen. Und Schulklassen? Das Prinzip des umgekehrten Klassenraums ist kein Neues. Hier hat der Lehrer vorab ein Video mit dem Stoff erstellt, die Schüler schauen es sich zu Hause an. Digital gemeinsam können sie dann Fragen stellen, der Stoff kann vertieft werden. Virtuelle Klassenräume scheitern aber oftmals an der Ausstattung der Schule an sich. Ohne vernünftiges WLAN kann das sowieso nicht funktionieren - und man muss auch in Rechnung stellen, dass nicht jeder Schüler Zugang zum Internet hat. Auch, wenn wir das immer selbstverständlich voraussetzen. Vor allem bei Grundschulen müsste man sich Dinge einfallen lassen. Allerdings, dass Innovationen gerade in Krisenzeiten freigesetzt werden, zeigt unter anderem die Buchbranche.

Kaum war die Buchmesse Leipzig abgesagt, liefen die Köpfe in der Branche heiß. Diese zeigt sich experimentierfreudig, wie man einem Beitrag des Börsenblattes entnehmen kann. Teilweise wird hier auf Youtube gestreamt, teilweise werden die sozialen Kanäle benutzt, es gibt Hashtags auf Twitter. Twitch scheint eher nicht genutzt zu werden. Was ich momentan nicht feststellen kann ist, ob das Storyformat bei Instagram und Facebook genutzt wird, aber vermutlich schon. Buchvorstellungen als kurze Clips bzw. bis zu zehn Minuten als Video funktionierten bei Instagram ja auch schon in der Vergangenheit. Zudem: Instagram Live ist ja auch kein Thema an sich. Da reicht einfach jemand, der sein Buch in die Kamera hält … Influencer machen das ja vor. VR und AR spielen allerdings kaum eine Rolle.

Und auch hier findet eine kleine Revolution statt, ohne dass wir das wirklich wahrnehmen: Es gab zwar auch immer begleitende Internetaktivitäten für Messen. <Ich muss das wissen, ich stehe oft genug auf der anderen Seite …> Nun ist es aber so, dass z.B. bei der Best of Events die ganzen Rahmenvorträge auf den Panels nicht gestreamt wurden. Auch die Veranstaltungen oder Lesungen bei den Buchmessen sind nicht in Gänze abgebildet worden. Das ist auch jetzt nicht unbedingt der Fall, aber man merkt auf einmal, wie viele Veranstaltungen dann doch digital übertragen werden können - vorher war das offenbar irgendwie nicht machbar wegen Bedenkenträgern, jetzt ist es aber eine Notwendigkeit. Was für die Nutzer auf der anderen Seite des Bildschirms enorm komfortabel ist: Selten war die Auswahl so vielfältig wie heutzutage.

Demnächst also: Mehr Streaming? Kommt darauf an. Momentan sind ja die Kräfte der einzelnen Veranstalter nicht vor Ort gebunden. Das Streamen ist daher kein zusätzlicher Aufwand sondern momentan die einzige Haupttätigkeit. Ob bei einem normalen Messebetrieb da Kapazität frei sind, um ein dermaßen geplantes und enges Konzept wie jetzt zu fahren? Das ist die Frage. Allerdings könnte der Erfolg der digitalen Formate auch zeigen, dass es sich durchaus lohnt hier noch zu investieren. Insofern: Warten wir es einfach ab und genießen momentan die Streaming-Vielfalt jenseits von Netflix, Disney-Plus und Amazon Prime.

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