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Er, Sie, es und xier: Sag mir, welche Pronomen nutzt du?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneEr, sie, es und xier
Sag mir, welche Pronomen nutzt du?

Wer beim Thema Gendersternchen - das schaffte es jüngst ja wieder auf das Titelblatt des Spiegels, der was von einem Kulturkampf faselte - schon Schnappatmungen bekommt, der sollte diese Kolumne nicht lesen. Machen Sie, liebe*r Leser*in hier einfach mal eine Pause. Nutzen Sie das schöne Wetter, gehen Sie raus, halten Sie dabei den notwendigen Abstand, kaufen Sie sich ein Eis. Sie müssen sich ja auch nicht unnötig aufregen.

Immerhin dauert es eine Weile, bis man sich klar macht: Er, Sie und Es sind nicht so selbstverständlich wie man denkt. Falls Sie jetzt denken: Häh? Weiterlesen auf eigene Stress-Verantwortung.

Was nochmal Pronomen waren? Sie stehen anstelle eines Namens. Vielleicht ist der Begriff Fürwort noch im Gedächtnis aus dem Deutschunterricht. Pronomen gibts in etlichen Klassen: Er wäre ein Personalpronomen, mein ist ein Possesivpronomen - es zeigt den Besitz an - und dann hätten wir noch unter anderem Relativ- oder Fragepronomen wie welcher. Wir gebrauchen sie in der Regel ohne großes Nachdenken. Pronomen sind selbstverständlich. Besonders die Personalpronomen. Es hat mal wieder den Schnuller verloren. Sie hat den Lippenstift verlegt. Er hat heftig gegen den Ball getreten. Ganz normal, wir wissen wer damit gemeint ist: Ein Kind, eine Frau, ein Mann. Das Geschlecht ist damit ganz klar.

Nur: Mittlerweile haben wir Personen, die nicht in die binären Geschlechterformen passen. Im Englischen gibt es dafür die Begriffe wie Genderqueer, Genderfluid, Agender, Divers … Richtig, das D, das seit einiger Zeit in Stellenausschreibungen auftaucht. Es sind Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, sondern zwischen den männlichen und weiblichen Stühlen sitzen. Weder das Eine, noch das Andere. Während wir allmählich mit Trans-Personen etwas anfangen können - Leuten, die in einem Geschlecht geboren wurden, sich aber im anderen Geschlecht wohlfühlen und dafür sogar Operationen in Kauf nehmen - sind uns Personen, die weder männlich noch weiblich sein wollen, diese Vorstellungen von Geschlecht in Frage stellen eher noch unheimlich. Und erregen den Protest der Konservativen oder sehr weit Rechten, denn die Vorstellungen davon, wie Männer und Frauen zu sein haben sind hier besonders stark traditionell geprägt. Wohlgemerkt: Wir reden nicht von der sexuellen Orientierung, das ist dann noch einen Tacken schwieriger. Pansexualität oder Asexualität nur mal kurz angerissen.

Da wir Personalpronomen automatisch nach dem Ansehen verwenden, ist uns nicht klar, dass wir eventuell Personen verletzen, die sich als nicht-binär definieren. Des Weiteren ist die Frage, wie man Personen bezeichnen soll, die nicht-binär sind schon eine Frage, die bei Serien und Büchern eine Rolle spielt. Im Alltag kann man, wenn man sich einer Person neu vorstellt, ja immerhin sagen: „Hallo, ich bin Christian. Ich benutze Er, Ihn und Ihm als Pronomen. Was sind Ihre?“ Dass das nicht üblich ist, geschenkt. Dass es respektvoll wäre, klar. Dass jetzt bei etlichen Leser*innen Unverständnis hochkommen wird - davon gehe ich mal aus. Jedoch kann ich tatsächlich nicht immer vom Aussehen auf das Geschlecht der Person schließen - selbst wenn sie sich typisch männlich oder weiblich kleidet oder darstellt. Ja, man muss es auch nicht tun. Höflicher wäre es.

Sprache kommt jedoch an Grenzen, wenn es darum geht ein Pronomen für nicht-binäre Personen zu finden. Nicht unser Problem? Nun, doch. Wer eine Folge der dritten Staffel von Discovery gesehen hat, wird unbemerkt mit dem Thema konfrontiert worden sein. Die folgenden Beispiele aus Serien und Filmen hat Anna Heger zusammengestellt und obwohl ich persönlich „One Day at a Time“ schon sehe, war ich überrascht, wie oft in Serien mittlerweile das englische singuläre They and Them vorkommt. Ich muss gestehen: Die dritte Staffel von Destiny hatte ich mir für nach WandaVision und Falcon und Winter-Soldier aufgehoben. Hüstel. Aber ja, da gibt es eine Figur, die nicht zu männlich oder weiblich passt. Merkwürdigerweise kommt das in der SF zwar öfters vor, bisher behalf man sich allerdings dann meistens bei der Übersetzung mit Sie oder Er. Das passiert heute noch bei der Figur Double-Trouble beim „She-Ra“-Remake - ich muss gestehen, so weit war ich mit der Serie auch noch nicht, sonst wäre mir das aufgefallen. Double-Trouble ist im Englischen They oder Them. Die Synchro macht wohl konsequent ein Er daraus. Vermutlich, weil Double-Trouble so sehr nach Männername klingt … Nun ja. 

Bei Star Trek Discovery in der dritten Staffel gibt es einen Dialog über die Figur Adira, in der auch im Original schon die Alternative „dey“ verwendet wird. Was so auch in die Synchro übernommen wurde. Ich vermute mal, dass das hier akzeptiert wird, weil es um Außerirdische geht. Und dass die das Geschlecht wechseln können hat ja schon ein gewisser Alter Mann bei Star Trek DSN gezeigt und auch schon vorher war das durchaus ein Thema. Überraschend: Ausgerechnet die Sitcom „One Day at a Time“ verwendet das, was momentan eher im Deutschen vorkommt: Xier. - Nein, das ist keine Verschmelzung von Sie und Er, das ist dann Sier und wird tatsächlich auch verwendet. Ich zitiere mal den Dialog, den Anna Heger da rausgesucht hatte: „Xier und xies Team auf dem Parkplatz und alle und deren Team am Eckhaus. Er, sie, alle und xier kommen dann nachher in den Fair Trade Coffee Shop zwischen den zwei Starbucks, alles klar?“ - Ja, man muss den Satz eventuell nochmal lesen bis klar ist wer gemeint ist und er funktioniert besser in der Szene selbst, hier fehlen uns einfach die Bezugspersonen. Aber: Das ist die deutsche Synchronfassung und vermutlich werden die Zuschauenden dann schon einordnen können, wer mit welchem Pronomen gemeint ist.

Sicherlich sind die Beispiele nicht in der Überzahl. Jedoch zeigen sie, dass es möglich ist They oder Them adäquat zu übersetzen. Ohne in die Sie-Er-Falle zu tappen. Und je mehr Schauspieler*innen, die sich als nicht-binär bezeichnen an prominenter Stelle auftauchen, je mehr Autor*innen in Büchern Charaktere einbauen, die nicht-binär sind - hoffentlich dann ohne, dass sie zu einer Karikatur werden wie die fette, fröhliche Nebenfigur in etlichen Hollywood-Filmen - desto eher wird es als normal empfunden werden. Dass es nicht normal ist, dass es sich komisch anfühlt, dass man nachschlagen muss, wie Xier nun dekliniert wird - willkommen auf der Seite der Deutschlernenden. Und nein, man muss es nicht tun. Müssen muss man gar nichts. Wenn ich jedoch gegenüber Anderen ein wenig mehr Respekt und Höflichkeit an den Tag legen kann, es niemanden - außer Sprachfundamentalisten - wehtut und es mich auch nichts kostet: Warum dann nicht? Zudem wandelt sich Sprache sowieso - auch wenn man sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt und der Paletot im Winde flattert … 

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