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Die unsichtbare Arbeit: Vom Texten mit und in Kirchens

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDie unsichtbare Arbeit
Vom Texten mit und in Kirchens

Im Anfang war das Wort. Wenn das Wort im Anfang also stattgefunden hat, dann muss es auch Jemande*n geben, der es festgehalten hat. Bei den sogenannten Buchreligionen ist es nicht immer sicher, wer der Autor, die Autorin eines Textes war oder waren. Es gibt echte und unechte Paulusbriefe im Neuen Testament. Es gibt mindestens drei Verfasser, die unter dem Namen Jesaja publiziert haben. In der Antike tat man das gerne: 

Man nahm sich den Namen eines schon bekannten Autors und verlieh damit dem eignem Schreiben Gewicht.

Bei den Buchreligionen tritt der Autor und die Autorin stets hinter das Wort Gottes zurück. Er oder sie wird damit unsichtbar. Die Persönlichkeit des Verfassers, der Verfasserin spielt für die Verkündigung keine Rolle, deswegen auch beruft man sich öfters auf die Namen von bekannten Autoren oder Autorinnen. Dass Gottes Wort auch immer Menschen Wort ist sei hier nur am Rande erwähnt und die theologischen Debatten darüber, was Jesus wirklich gesagt hat, was ihm zugeschrieben wurde … Letzten Endes: Die Botschaft zählt. Gut, es wäre von Vorteil, wenn Jesus oder Gott diese Botschaft auch gewiß formuliert hätten, jedoch sind auch diese beiden Verfasser unsichtbar … Ich sehe da einen Trend.

Der Gemeindebrief und das Geld
Protestantische Kirchen sind teilweise von außen gesehen schwer verständlich. Vom Inhalt mal abgesehen, ein Gott in drei Personen, aber auch vom Aufbau her. Es gibt natürlich die Gemeinden. Und in den Gemeinden, die die Geistlichen betreuen herrscht eine bunte Vielfalt der Organisation. Es kann sein, dass die Geistlichen alleine den Gemeindebrief bestücken. Es gibt vielleicht ein ehrenamtliches Team, dass das macht. Andere Gemeinden beauftragen eine Agentur mit der Gestaltung. Oder haben Papier ganz abgeschafft und machen nur noch Newsletter oder Fanpages. Protestantische Freiheit halt. Die Vorstellung, dass Mitarbeiter*innen für den Gemeindebrief bezahlt werden oder dass das im Arbeitsvertrag als Aufgabe mitformuliert wird – das ist meiner Kirche auf dieser Eben zumindest sehr, sehr fremd. Für Gottes Lohn zu arbeiten mag befriedigen, aber manchmal vertraue ich meinem Chef nun auch nicht darin, dass ich wie die Vögel nicht um Essen und Trinken zu sorgen habe …

Ich habe auch nochmal nachgesehen: Es gibt natürlich auch bei uns Ausschüsse, die dem Leitungsorgan – manchmal nennt es sich Presbyterium – verpflichtend vorgeschrieben sind. Theologie und Gottesdienst und Musik etwa – wenn ich das richtig parat habe. Ein Öffentlichkeits-Ausschuss, der dem Presbyterium Bericht über Zahlen, Daten, Fakten oder eventuelle Neuerungen – neue Kolumne im Gemeindebrief, neues Layout ist fällig – vorlegen muss, den habe ich tatsächlich nicht im Kirchengesetz gefunden. Auf gemeindlicher Ebene ist das nicht vorgesehen, deswegen wird auch selten daran gedacht, dass da eventuell ein Salär für die Mitarbeitenden fällig ist … Dabei gibt es durchaus auch Aufwandsentschädigungen in Kirchens. Es ist halt nur so, dass man auch meistens nicht daran denkt, die einzufordern, weil … nun ja … man arbeitet ja für Gott und das ist so toll, da muss man nicht auch noch Geld für bekommen. Eine Einstellung, die höchst fraglich ist und die, würde man sie auf alles geistliche Arbeiten anwenden, auch dafür sorgen würde, dass dann überhaupt keiner mehr ein Gehalt bekommt, denn alle in der Kirche arbeiten dann ja für Gottes Lohn. Nein? Einfach nein?

Selbstständige Texter*innen in der Kirche … ist da wer?
Die Arbeit von Texter*innen ist unsichtbar. Wer eine Pressemitteilung verfassen darf, signiert die kaum mit dem eigenen Namen. Genauso unsichtbar sind auch die Texter*innen in der Kirche selbst – und das betrifft alle großen Religionen hierzulande. Während es für fast alles Netzwerke zu geben scheint, habe ich kein Netzwerk gefunden welches ausschließlich Texter*innen vertritt. Also von den Kirchen selber. Es gibt natürlich Gewerkschaften und Initiativen, aber Ansprechpartner für selbstständige Texter*innen in der Kirche, die dann natürlich auch Verhandlungen bezüglich des Gehalts führen könnten – oder zumindest Tipps, was in der Kirchenbranche üblich ist – scheint es nicht zu geben. Dass ist problematisch, weil nämlich der Wert der eigenen Arbeit auch schlecht vermittelt werden kann, wenn darüber nicht gesprochen wird. Manche Presbyter*innen fallen aus allen Wolken, wenn man ihnen mal den „normalen Satz“ für das Verfassen eines Textes nennt. Dass der Preis seine Berechtigung hat, das muss man mühsam vermitteln.

Natürlich können Gemeinden Honorarkräfte beschäftigen. Es werden ja nicht ständig Stellen bei Kirchens für bestimmte Aufgaben neu geschaffen, angesichts der kommenden Minus-Welle bei den Kirchensteuern – da hat neben den allgemein bekannten Faktoren wie weniger Gemeindemitglieder, weniger Taufen auch Corona mächtig reingehauen. Es wird also auch freischaffende Texter*innen geben, die für Kirchen arbeiten. Die allerdings unsichtbar bleiben. Sie tauchen vielleicht einmal auf um sich dem Presbyterium vorzustellen, aber sie sind ja nicht Teil des Organisationsapparates aka der Gremienarbeit an sich sondern sie widmen sich dann im Büro oder Home-Office ihrer Aufgabe. Die wenigsten Gemeindemitglieder wissen außer vielleicht einer kurzen Vorstellung im Gemeindebrief auch gar nicht, dass es freischaffende Texter*innen für Kirchen gibt. Oder dass sich komplette Dienstleitungen für den Gemeindebrief entwickelt haben.

Es gibt tatsächlich eine ganze Industrie, die sich um den Gemeindebrief gebildet hat. Die Frage, ob gedruckte Exemplare noch relevant sind oder nicht in diesen Zeiten stellt sich in diesem Zusammenhang da nicht. Angebote wie Gemeindebrief.de sind Lieferanten für Inhalte. Also neben den Pressmitteilungsdiensten etc. pp. Alles, was es im weltlichen Bereich im Rahmen von Zeitungen und Verlagen und Angeboten gibt, das gibt es auch für den kirchlichen Rahmen. Wobei: Natürlich werden die Texte für diese Portale auch von Texter*innen geschrieben – nur ob die dann freischaffend sind oder ob das wie beim Gemeindereferendariat mit zum Job gehört …

Festzustellen bleibt: Sofern Freischaffende nicht eh schon einer Gewerkschaft oder Mitglied im DJV oder anderen Initiativen beigetreten sind, werden sie in der Kirche selbst schwerlich Ansprechpartner*innen finden, die mit ihnen auf einer Höhe agieren können. Ich bezweifle nicht, dass es in diversen Landeskirchen auf unterschiedlichen Ebenen sogar solche kirchlichen Netzwerke gibt – aber wenn, dann sind sie unsichtbar und auf keiner Webseite nirgends und in keinem Offline-Verzeichnis zu finden.

Halten wir bis hierhin fest: Es mag freischaffende Texter*innen in der Kirche geben, sie sind allerdings unsichtbar. Wenn man unsichtbar ist, kann man nicht über sein Honorar debattieren oder wenn man keine Unterstützung hat sind Forderungen schwerer durchzusetzen in der Verhandlungen. Es gibt offensichtlich keine Netzwerke, keine Sprachrohre außer den schon außerhalb des Systems Kirche etablierten. Diese haben allerdings nicht unbedingt immer die Feinheiten der kirchlichen Organisation verstanden. Es gibt – um zu spoilern – ein Fortbildungssystem, aber selten kommt das Presbyterium auf die Idee, Experten für das Texten in die Gemeinde einzuladen um interne Mitarbeiterworkshops zu veranstalten. (Kurzes Anekdötchen: Ich habe mehr Öffentlichkeitsworkshops und Design Thinkings als Mitglied der Grünen mitgemacht in einem Jahr – also 2019 – als bei Kirchens generell in 20 Jahren in verschiedenen Gemeinden.)

Und die höhere Orgaebene ist da auch selten mit dabei. (Was beim Datenschutz übrigens total anders aussieht, da ist mittlerweile auch in den Verwaltungen angekommen, dass man da wohl Experten*innen haben sollte oder zumindest Fortbildungen für Presbyter*innen anbietet. Stichwort: Geldstrafen.) Man geht dann gemeinhin davon aus, dass die Presbyter*innen auch zum Gemeindebrief-Team gehören – aber das ist ja nicht immer der Fall. Auch mit ein Problem: Wenn es reine Ehrenämter*innen sind, dann sind die meistens halt enthusiastisch mit von der Partie – ich begrüße das – jedoch sind es Laien. Und dann kann passieren, was Ralf Heimann, Lokaljournalist, in seinem Roman „Die tote Kuh kommt morgen rein“ folgendermaßen beschreibt – Seite 63f.:

Ein typischer Text von ihm begann zum Beispiel mit der Frage: „Wer kennt das nicht?“ Dann erklärte er irgendeinen gewöhnlichen Zusammenhang. Schließlich kam heraus, dass es im vorliegenden Fall ganz anders war. … „Gestern trafen sich-Texte waren noch schlimmer als die „Wer kennt das nicht“-Variante. Im zweiten Satz stand immer ein Zitat. Noltenhans (der Romancharakter. D.A.) schrieb das, was als Erstes gesagt worden war.

HEIMANN, DIE TOTE KUH KOMMT MORGEN REIN.

Wohlgemerkt: Natürlich macht sich Heimann hier über einen bestimmten Typus lustig und spitzt zu, aber mir begegnete kürzlich tatsächlich ein Textanfang, der mit „Wer kennt das nicht …“ begann … So weit von der Wirklichkeit weg ist das also leider nicht. Und da der Gemeindebrief ob gedruckt oder nicht ein hochqualitatives Medium sein sollte, ist er doch ein Aushängeschild und zeigt, was die Gemeinde tut und kann … müsste es eigentlich professionelle Unterstützung für die Laien geben. Natürlich: Fortbildungsprogramme gibt es. Es gibt auch genügend Seminare zum Thema „Wie schreibe ich für den Gemeindebrief“, aber nicht immer in der Gegend und dann müsste man ja schauen, ob das als Fortbildung generell gezählt wird. Zudem: Übernimmt die Gemeinde dann die Kosten für die Presbyter*innen? Daran sind schon manche Verhandlungen gescheitert und man kann natürlich sich selbst mit Büchern etc. pp. fortbilden – aber gerade Texte sollte man schon unter Anleitung verfassen und sie sollten dann von kritischen Augen überflogen werden.

L’addition, s-il vous plait! Plus Trinkgeld
Es mag freischaffende Texter*innen in der Kirche geben, sie sind allerdings unsichtbar. Es gibt offensichtlich keine Netzwerke, keine Sprachrohre außer den schon außerhalb des Systems Kirche etablierten. Diese haben allerdings nicht unbedingt immer die Feinheiten der kirchlichen Organisation verstanden. Es gibt ein Fortbildungsprogramm, aber nicht immer sehen die Geistlichen oder das Presbyterium ein Zeit und Geld für ein qualitativ hochwertiges Produkt zu investieren. Dementsprechend umansprechend sehen manche Gemeindebriefe auch aus. Und das fängt teilweise schon mit der Haptik des Papiers an.

Was also ist zu tun, wenn man als freischaffender Texter*in in der Kirche arbeiten möchte oder vielleicht auch einfach mal so reinrutscht?

  1. Macht euch auf die Suche nach einer Interessensvertretung und tretet ihr bei. Wenn ihr für Kirchens keine findet, dann fragt bei den Gewerkschaften nach. Es ist besser für Problemfälle auch Beratungsmöglichkeiten zu haben – selbst wenn Diejenigen nicht unbedingt für Kirche kompetent sind, können sie vielleicht Anregungen geben.
  2. Fordert Gehalt ein, verkauft euch nicht unter Wert. Von Anfang an. Das mag als Einsteiger*in durchaus furcht erregend sein – „so kriege ich doch nie einen Auftrag“ – aber wenn man ständig für wenig Geld arbeitet, spricht sich das rum und man hat später keine Möglichkeit mehr die Preise zu erhöhen, wenn es notwendig ist. Sicherlich: Auszubildende im ersten Lehrjahr kriegen auch nicht das Chefgehalt. Aber sie bekommen ein Gehalt, dass an ihre Fähigkeiten angepasst ist. Und das sollte ja wohl auch für Eins selbst drin sein. Basta.
  3. Werdet sichtbar. Bildet Banden. – Ich meine damit: Vernetzt euch online und offline. Es gibt das Hashtag #DigitaleKirche bei Twitter und Instagram. Es wird wieder enorm viele Offline-Events geben, wenn Corona vorbei ist – die Kirchen veranstalten Barcamps, Vorträge, etc. pp. Sprecht über euren Job im Kirchenkreis, Bistum vor Ort. Gerade diese Leute haben euch nicht auf dem Schirm – regt bei den Verantwortlichen an, dass ihr unbedingt mindestens einmal im Monat einen Konvent für die Öffentlichkeitsarbeitenden haben wollt und braucht. Und wenn die das nicht einsehen: Nette Lokalitäten vor Ort sollten sich für private Treffen ja finden lassen.

Nachdem Gott das erste Wort in diesem Artikel hatte, darf Erik Flügge mit dem Zitat aus „Der Jargon der Betroffenheit“, S. 91ff., das letzte Wort haben. Vorerst.

Liturgie ist fest gefügt, der Raum in seiner Struktur vorgeprägt, und auch der Text ist 2000 Jahre alt.(…) Die Frage bleibt offen, warum es dennoch manchmal gelingt, dass Texte über Gott in unsere kirchenferne Welt durchdringen und wie es gelingen kann, dass das öfters geschieht. (…) Kommunikation muss verwundern, irritieren oder erschrecken, um zu jemanden durchzudringen, der sich gerade nicht mit dem Thema dieser Kommunikation sowieso schon beschäftigt.

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