Horror als Metapher: »I am Sophie« und »Spongebob Guy«
Horror als Metapher
»I am Sophie« und »Spongebob Guy«
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Glück gehabt! Dass in der Realität es weitaus schlimmere Dinge gibt als in Horror-Filmen oder -Serien - das ist eher etwas vor dem wir uns fürchten sollten. Der Mensch kann unmenschliche Dinge anstellen. Da braucht man in der Regel keine Vampire und keine Monster, an derem Gesicht eine angenähte Hand mit tätowierten Fingern baumelt.
Aber hinter dem Monster aus „I am Sophie“ und hinter dem dunklen Etwas aus Alex Bale neuester Serie „Spongebob Conspiracies“ oder „Spongebob Guy“ steckt dann doch noch weitaus mehr als nur der Horror, den die jeweiligen YouTube-Kanäle den Zuschauenden vermitteln. Gerade wenn zu Beginn von „I am Sophie“ die übliche Instagram-Welt der Reichen und Schönen dargestellt wird, gerade dann wenn von Erfolg die Rede ist, die Alex Bale als Filmemacher so eigentlich nicht hat, durch populäre Videos zu Spongebob aber erhält - dann wird man als Zuschauender schon etwas sehr mit der Nase drauf gestoßen, dass beide Serien neben den Monstern, dem Blut und dem Schrecken auch durchaus Kritik an dem üben, was in der Social-Media-Welt so vor sich geht.
Offensichtlicher ist das in der neuen Serie von Alex Bale, die momentan noch nicht zu Ende ist. Alex Bale spielt einen Filmemacher, der bisher eher wenig Erfolg hatte. Seine unabhängigen auf Youtube eingestellten Filme bescheren ihm keinen Erfolg. Bis auf einmal - wir wissen noch nicht genau, wie - das Monster in sein Leben tritt. Falls jemand hier noch Assoziationen an Goethes Faust hat: Das möchte ich nicht abstreiten. Denn Alex hat einen Pakt mit dem Monster geschlossen. Er versorgt es mit Futter - das Monster versorgt ihn mit Spongebob-Videoinhalten. Dass diese Videos zu einer großen Fangemeinde führen sollte wohl klar sein. Damit löst man nicht nur den Youtube-Algorithums aus, der natürlich Videos vermehrt vorschlägt je öfters sie von Leuten angeschaut werden. Gleichzeitig bekommt der Kanal auch Likes und Klicks, was wiederum dazu führt, dass Sponsoren anfragen. Als Alex zwischendurch versucht, seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen geht das in die Hose: Die Fangemeinde will keine Horrorfilme. Sie will Spongebob-Videos. Und wenn im Abspann Alex Bale sich mehr und mehr zum „Spongebob Guy“ entwickelt, zeigt das die Zange auf in der YouTuber stecken.
Im Endeffekt müssen YouTube heutzutage entweder Ponys sein, die nur einen Trick beherrschen oder sich frühzeitig immer auf die Suche nach dem neuesten Trend machen. Also YouTube, die erfolgreich sein wollen. Je mehr Klicks, desto mehr Werbeeinnahmen. So läuft das kapitalistische System der Plattformökonomie. Sicherlich gibt es auch YouTube, die nur aus reiner Freude an ihren Projekten arbeiten und auf Bezahlung nicht so angewiesen sind. Doch das hat sich mehr und mehr geändert. Wer YouTube macht, der tendiert eher dahin, Geld mit der Plattform einzusammeln. Wenn jemand eine einträgliche Massche eingefallen ist oder wenn jemand zufälligerweise mit seinem Hobby Einnahmen erzielt, ist er von YouTube abhängig. Genauso wie Alex vom Monster abhängt, dass ihn mit frischen neuen Ideen versorgt. Alex rebelliert zwar, aber fügt sich schließlich - sofern nicht gewisse Grenzen überschritten sind. Inwieweit die Serie die Kritik an YouTube noch ausbauen wird - das muss man abwarten. Eigentlich aber ist der Punkt schon gemacht und jeder, der sich etwas näher mit den Folgen beschäftigt kann hinter die Fassade aus Dunkelheit, Tentakeln und Horror blicken.
Das ist bei „I am Sophie“ nicht ganz so einfach, denn diese Serie spielt zwar auch auf YouTube oder zielt eher auf die reichen Kinder von Berühmtheiten ab, die ihr Leben auf YouTube dokumentieren müssen. Jung, lässig, elegant, mit eigenem Privatjet und eigener Yacht versehen und dabei total bodenständig. Dass das nicht funktioniert, ist klar. Doch Sophie, die Protagonistin, führt sich gleich in ihrem ersten Video so ein und hat dafür tatsächlich von - neben wir sie mal „realen Youtubern“ - eine Menge von Ironie, Spott und Hohn geerntet. Und auch von Hass. Hinter Sophie steckt jedoch noch mehr als man vermutet - leider ist die Serie ein Fragment und so sind etliche Fäden nicht zu Ende erzählt. Dennoch: Dass Sophie wohl eine AI ist, wird durchaus deutlich. Eine AI, dies später einen eigenen Körper bekommt - ja, ohne verrückte Wissenschaftler geht es hier halt auch nicht.
Allerdings: Wir stellen als Zuschauende schnell fest, dass die Realitätsebenen hier kippen. Und wenn wir Sophie als KI wahrnehmen, die einen eigenen Körper hat, dann stellt sich die Frage: Wer ist das Monster mit der Hand im Gesicht, auf deren Fingern HASS tätowiert ist? Nun: Wie schon erwähnt hat das erste YouTube-Video der Serie, in der Sophie als perfekt dargestellt wird durchaus eine Menge - nun, nicht gerade unbedingt Hass, aber schon Ironie und Spott abbekommen. Manifestiert sich dieser Hass als Monster, das Sophie in ihrer Realitätsebene - ja, natürlich gibt es auch mehrere - ständig auf den Fersen ist? Personifizierter Hass all derer Kommentatoren*innen, die auf YouTube unterwegs sind? Gegen das Gefälschte und Unreale? Wenn man diesem Gedanken folgt, ergeben sich allerdings Fragen, die später in der Serie leider nicht mehr geklärt werden: Warum taucht das Monster bei einer Youtuberin auf, die authentisch ist? Wobei man hier die Antwort geben könnte: Da diese Youtuberin auch allmählich das tut, was dem Algorithmus gefällt und eher weniger ihr selbst, könnte sie durchaus eine Zielscheibe für spätere Hass-Attacken werden. Wer authentisch ist und sich dann doch auf gefälschte Inhalte einlässt, den erwartet ein riesiger Shitstorm. Also eine große Menge von Hass. Also quasi ein Monster.
Und wie real dieses Monster sein kann, haben wir vor etlichen Tagen bei der neuen Vorsitzenden der grünen Jugend erlebt, die für Tweets aus ihrer Vergangenheit niedergemacht worden ist. Insofern: Die lebendig gewordene Metapher des Hasses als Monster in Verbindung mit Social Media passt wie der Deckel auf den Topf. Schade nur, dass „I am Sophie“ die Geschichte nicht auserzählt. Ebenso wie Alex Bale auch noch etliche Folgen vor sich hat, in denen - man ahnt es bereits - sicherlich keine guten Dinge geschehen werden. Dass beide Serien hinter dem Grauen und dem Horror aber durchaus eine intelligente Kritik an dem üben, was Social Media auch ausmacht; ein Zeichen dafür, dass wir uns langsam dessen bewußt werden, dass das Internet nur dann ein guter Ort ist, wenn wir ihn gezielt dazu machen. Ansonsten überlassen wir ihn den Monstern.