Die German Fab Five: »Queer Eye Germany«
Die German Fab Five
»Queer Eye Germany«
Die damaligen deutschen Experten agierten eben, wie man als Deutscher in so einer Sendung agiert. Ernst. Tiefsinnig. Eher auf das Handwerk bedacht. Jetzt hat Netflix selbst das Format nach Deutschland gebracht - und was kann man nach den bisherigen fünf Folgen sagen?
Ohne Drohnenbilder und schick in Szene gesetzte Bilder von Landschaften geht es natürlich auch im deutschen Format nicht. Dabei kann man natürlich auch in einen gewissen Landschaftskitsch verfallen, was im Original ab und an durchaus vorkommt. Da hält sich die deutsche Ausgabe - noch? - etwas zurück. Wenn es allerdings in die Grenzregion geht und Holland nicht weit ist, muss natürlich auch ein Windmühle ins Bild rücken. Gewisse Dinge scheinen sich nicht vermeiden zu lassen. Ebenso gehört natürlich die Besprechung der Fab Five im fahrenden Wagen zu den Dingen, die einfach sein müssen. Kennt man diese Fab Five eigentlich?
Ehrlich gestanden: Ich kannte alle nicht. Aber das ist ja auch kein Problem, wer kennt, wenn er mal eine Folge vom Original anschaut, auch schon die Fab Five aus dem Original? Erst im Laufe der Zeit lernt man diese genauer kennen. Das ist ein Manko der ersten Staffel, das einfach so ist: Fünf Folgen reichen nicht unbedingt aus, um sich ein Bild darüber zu machen, wer wie tickt. Dabei sind die Felder, für die die Experten zuständig sind, etwas anders gelagert als im Original. „Health“ etwa ist umfassender gedacht, „Culture“ ist gar nicht vorhanden - offenbar hatte man Probleme, den Begriff, der nicht nur Kultur bedeutet, zu übertragen. Dafür gibt’s mit Leni Bolt eher Work-Life-Beratung. Der Rest dann aber identisch: Mode, Design, Beauty.
Was ein bisschen Unbehagen verbreitet ist die Tatsache, dass gerade für die psychologischen Gespräche für die Leni zuständig zeichnet in den ersten fünf Folgen manchmal kaum richtig Raum bleibt. Ebenso ist es fraglich, ob das Herausbrüllen von positiven Glaubenssätzen, was in der ersten Folge ja passiert, nun wirklich zielführend ist. Nun ist es so, dass wir nur Ausschnitte aus einer Woche sehen und es mag sein, dass da doch mehr getan wird als man es eben in 50 Minuten zeigen kann. Auch das Original ist manchmal etwas abrupt, wobei ich aber den Eindruck habe, dass wenn es um „Culture“ geht, das Original da etwas mehr Raum zum Atmen lässt. Aber da ich nicht im Schnittraum zugegeben war, weiß ich nicht, was an Szenen entfallen sind. Dennoch: Hier ist noch Luft nach oben. Wiederholen muss ich auch: Das Original-Team ist mittlerweile auch sehr eingespielt - wenn man die deutschen Fab Five dagegenstellt, dann ist da noch Luft nach oben. Was ich auch nach fünf Folgen erwarten kann.
Angenehm ist, dass wie im Original auch die Beratenden nicht verbogen werden. Sie werden ernstgenommen. Angenehm ist auch die Diversität. Wann sieht man schon mal Alleinerziehende in einer Sendung dieser Machart? Wenn andere Sendungen auf Gewichtsverlust für die Gesundheit drängen, tut das diese Sendung in der letzten Folge nicht. Das würde wohl auch das Original nicht tun. Schlagkraftig sind die Folgen dann, wenn sie wie im amerikanischen Original auch auf tiefergehende politische oder gesellschaftliche Konflikte eingehen. Homosexualität im Fussball ist zwar kein Tabu-Thema mehr, aber gerne darüber gesprochen wird nicht. Genausowenig darüber, wie wenig Anerkennung Alleinerziehende - hier ist es ein Vater - von der Gesellschaft bekommen, wie Trauer und Leid in der Gesellschaft wahrgenommen werden - oder auch nicht. Genau dann, wenn nicht nur um Empowerment um des Empowerments willen geht, dann legt „Queer Eye“ den Finger in die Wunde. Dabei kommt der Spaß nicht zu kurz dabei. Das freundschaftliche Herumalbern, die geknufften Seitenhiebe, die Zwischensequenzen - das macht Laune. Man fühlt sich als Zuschauender aufgehoben.
Wie nachhaltig eine solche Sendung ist? Die Frage stelle ich mir beim Original auch. Eine Woche reicht ja nicht unbedingt aus, um grundlegendes Verhalten zu ändern oder tiefersitzende Probleme zu lösen. Es mag sein, dass es für den Ein oder Anderen ein Startpunkt ist, um Dinge auf Dauer zu verändern. Es mag sein, dass nach einer Zeit sich wieder die alten Gewohnheiten einschleichen. Interessant wäre ein nochmaliges Besuchen der Teilnehmer nach einiger Zeit schon. Das macht allerdings auch das Original nicht. Schade, nicht zu ändern. (Pst, Produzenten: Ich hätte dann gerne Prozente, wenn ihr das dennoch mal macht.)
„Queer Eye Germany“ macht nach fünf Folgen nichts falsch. Es überträgt den Elan des Vorbildes nach Deutschland. Es unterhält. Dass bisweilen noch Luft nach oben ist - nach knapp fünf Folgen ist das kein Wunder. Aber nie hat man als Zuschauende das Gefühl, dass man schlecht unterhalten wurde. Wenn zudem noch die Verschränkung mit gesellschaftlichen Problemen gelingt, dann ist diese Version auf Augenhöhe mit dem Original. Ich bin auf die nächste Staffel gespannt.