Wenn Vampire eine WG bilden: »What We Do In The Shadows«
Wenn Vampire eine WG bilden
»What We Do In The Shadows«
Dass man dabei unweigerlich auf Leichen stößt, auf Werwölfe, Hexen und Vampire ... das ist wohl zu erwarten. Dass „What We Do In The Shadows“ allerdings überraschend dem Zuschauer präsentiert ist eine unterhaltsame Sicht auf den Alltag von ganz normalen Vampiren. Auf Disney+ zu sehen.
Wobei nur Nadja, Laszlo und Nandor dem Klischee der traditionellen Vampire entsprechen, die allesamt auch einen Familiar - wer an Renfield denkt, liegt nicht falsch - im Haushalt haben. Collin Robinson als Energie-Vampir ist nicht an die traditionellen Gesetze gebunden. Er ernährt sich nicht von Blut, sondern saugt die Energie von Menschen ab - in dem er sie in Rage versetzt oder sie in endlose lange Diskussionen über Kleinigkeiten verwickelt. Wir alle kennen solche Leute … Leider gibt es gegen sie keine Abwehrmittel: Weihwasser ist kein Problem für sie. Collin Robinson liebt sogar Kirchen als Jagdgrund. Abgesehen von seiner Tätigkeit im Büro einer Firma, die - irgendwas herstellt. Nadja, Laszlo und Nandor dagegen brauchen Blut, ihre Särge, können fliegen, ja, Fledermäuse sind auch kein Problem und entsprechen eher noch den Klischees, die Bram Stoker geprägt hat.
Warum jetzt ausgerechnet ein Fernsehteam diie Drei - nein, die Vier, denn der Familiar Guillermo de la Cruz, der Nandor versorgt wohnt ja ebenfalls im Haushalt - begleiten: Keine Ahnung. Irgendjemand beim Fernsehen hielt das für eine gute Idee. Eine PR-Massnahmen für die Untoten kann es nicht sein, schließlich entsorgt Guillermo am laufenden Band irgendwelche Leichenteile und Leute werden vor laufender Kamera umgebracht. Wäre es wirklich eine Dokumentation, wären manche Dinge auch nicht so ganz logisch zu erklären - schließlich sind die Kameras immer an allen wesentlichen Punkten der Handlung dabei. Obwohl - man muss gestehen, dass die Macher sich da auch sehr clever anstellen: Instagram-Feeds, angebliche Überwachunskameras - auf die man rein zufällig Zugriff hat, hüstel … Und warum das Fernsehteam immer von Allen toleriert wird - gute Frage. Aber die Serie ist ja auch eine Mockumentary, die im Stil von „The Office“ oder „Stromberg“ aus dem Leben der Vampire erzählt.
Wobei: Eigentlich ist sie eine Sitcom. Da liegt der Vergleich mit „The Addams Family“ oder „The Munsters“ sehr nahe. Eher vielleicht noch zu den Addams. Denn wie sie haben die Vampire ihre eigene Art entwickelt. Beziehungsweise krachen ihre altertümlichen Vorstellungen und ihre Kleidugnsstil mit der Moderne zusammen. Diese Konflikte bilden das Potential für die Komik. Genau wie die Addams ihr Verhalten als normal ansehen und das Normale nicht begreifen, sehen wir den Vampiren zu, die in ihrer Zeit steckengeblieben sind. Anders Collin Robinson, der als Energie-Vampir einen normalen Bürojob hat und im Tageslicht unterwegs sein kann. Jedoch wird er von den drei traditionellen Vampiren eher als notwendiges Übel geduldet. Irgendwie gehört er zwar dazu, aber … dann doch nicht so ganz. Dabei ist, wenn man es richtig durchdenkt, Collin Robinson eigentlich der Vampir, vor dem wir am Meisten Angst haben müssten. Abgesehen von Emotionalen Vampiren, die es auch noch gibt. Woher diese Vampirarten aber kommen ist eine Frage, die in der dritten Staffel den roten Faden abgeben wird.
Das heile Familienleben der Munsters spiegelt die Sitcom nicht wieder - aber ein heiles Familienleben können Nadja, Laszlo und Nandor auch nicht führen. Das romantisch-verklärte Ann-Rice-Ideal. auf das Guillermo sich ebenso bezieht wie einige Szenen der Serie insgesamt ist auch etwas, was als Kitsch in die Vergangenheit gehört. Von den Vorstellungen aus den Twilight-Romanen gar nicht zu reden. Sarkastisch meint Nandor: „Natürlich kaufe ich Glitter, weil ich dann in der Sonne funkeln möchte.“ Ein heiles Familienlieben, eine Idylle, nein, das ist es nicht. Aber man kann den Vampiren auch nicht absprechen, dass sie sich redlich bemühen. Nandor kann sich wie ein Arschloch gegenüber Guillermo verhalten, andererseits versucht er dann doch sich zu entschuldigen, wenn irgendwas komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Guillermo ist ihm durchaus wichtig. Nicht nur als Jemand, der Leichenteile mit der Kettensäge zerlegt. Wobei Guillermo im Laufe der ersten Staffel eine Geschicklichkeit mit Armbrüsten, Pfählen und anderen Dingen entwickelt, die … aber das sollte man sich in der ersten Staffel selber ansehen.
Eine Sitcom mit Vampiren ist zudem ein Stück Kommentar über das Genre der Sitcom selbst. So, wie die Charaktere von Sitcoms keine eigentliche Entwicklung haben, sondern das, was sie in einer Episode lernen meistens in der anderen wieder vergessen haben, so stecken auch die Vampire in ihren Vorstellungen von der Welt fest. Sie lernen einfach nichts dazu. Sie stecken in einer Welt fest, in der es seltsame Rituale gibt, in der Abkommen gelten, die vor Jahrhunderten - oder im Jahr 1993 - geschlossen wurden. Selbst Collin Robinson als jemand, der aktiver in der modernen Welt unterwegs ist - dabei aber auch nicht wirklich unbedingt immer versteht, was vor sich geht - steckt fest. Als er einmal ausbricht, weil die Firma ihn zu einem Vorgesetzten ernennt und er durch die ganzen Energien praktisch überernährt ist, landet er schnell wieder auf dem Boden und muss in einer anderen Firma neu anfangen. Denn dank seiner Führung ging die alte Firma pleite.
Man kann sich als Fan des Genres an den Querverweisen auf bekannte Filme oder Serien erfreuen, als Sitcom-Fan einfach die Charaktere mögen. Fans von witzigen Dialogen kommen auf ihre Kosten. „What We Do In The Shadows“ mag vielleicht nicht unbedingt etwas für den Mainstream sein, aber immerhin gibt es momentan drei Staffeln - zwei davon auf Disney+, die dritte momentan als Download bei Apple - und eine vierte Staffel scheint geplant zu sein. Und wenn man nicht genug hat: Es gibt noch den Film, auf dem die Serie basiert. Der ist natürlich etwas Anders, hat einen bekloppten deutschen Titel und verdient eine separate Betrachtung.