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Wenn das was man will nicht das ist was man braucht: Centaurworld

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneWenn das was man will nicht das ist was man braucht
»Centaurworld«

Wer hat das nicht schon an die tausend Male gesehen oder gelesen: Die Protagonisten einer Fantasy-Geschichte stolpern zufällig in die phantastische Welt, weil ein Tor sich öffnet, sie ein Artefakt gefunden haben oder zur falschen Zeit am falschen Ort sind. insofern ist auf den ersten Blick auch die Handlung von „Centaurworld“ auf Netflix nichts, was man nicht schon gesehen oder gehört hätte.

Gut: Die Heldin der Geschichte ist ein Pferd. Schon mal nicht mehr so gewöhnlich. Dass es irgendwie um einen Schlüssel geht, dessen Fragmente gefunden werden - das schon eher. Dass die Protagonistin sich dann von einer schlanken ansehnlichen Stute in eine pummeliges Pferd verwandelt … Und dass ständig gesungen wird: Eher ungewöhnlicher.

„Centaurworld“ kann man leicht unterschätzen. Denn die Prämisse ist tatsächlich nicht originell, die Heldenreise wie aus Campbell Buch und alles ist so bunt und niedlich und überhaupt … Teilweise auch sehr irrwitzig. Denn es ist wirklich eine Zentaurenwelt, in der die Stute reingeworfen wird, die so ihre Eigenarten hat. Singende Blumen sind da noch eher Standard, aber Baumschamenen - also Schamanen, die aus Bäumen bestehen - oder Tornadozentrauren? Wenn dann in der zweiten Staffel Bezug auf die Fans einer Community genommen wird - in dem Fall sind es Vogelzentauren, die ganz vernarrt von oben die Abenteuer der Stute mitangesehen haben, praktisch wie eine Fernsehserie … Das ist nicht nur irrwitzig, sondern auch sehr treffend. Jedenfalls ist die erste Staffel das, was man allgemein von einer „Fisch außerhalb des Wassers“-Geschichte erwartet. Und außerdem: Was wäre eine Quest, ohne dass man Artefakte einsammeln müsste. Aber am Ende von Staffel Eins ist die Bedrohung nicht erledigt und in Staffel Zwei geht es erst so richtig los. Und meine Güte, die so heitere und nette Serie wird in der zweiten Staffel so düster, dass man kleine Kinder besser nicht damit alleine lässt. Vor allem der Antagonist, der Nowhere-King, hat durchaus Alptraum-Potential und dessen Themensong kriegt man nicht mehr so leicht aus dem Ohr. Wenn du einen erschreckenden Bösewicht generieren möchtest, schreib für ihn ein Wiegenlied.

Aber schon in er ersten Staffel gibt es Folgen, die auf das eigentliche Thema der Serie vorausweisen. So wenn die Stute und ihre Freunde*innen bei den Baumschamenen ankommen, die zwar Wünsche gewähren. Aber diese Wünsche sind nicht immer das, was man wiollte sondern das, was man benötigte. Was durchaus ein sehr großer Unterschied sein kann. Manchmal ist auch die Entscheidung für Etwas, was man möchte, nicht die beste. Während ihrer Reise trifft Stute in der ersten Staffel auch Entscheidungen, die nicht unbedingt die besten sind, mit deren Konsequenzen sie aber leben muss. Teilweise auch, weil sie die Regeln der Welt nicht kennt. Stute wächst an ihren Entscheidungen genauso wie ihre Herde oder die gesamte Centaurworld am Ende. Im Gegensatz zum Nowhere-King. Dessen Geschichte möchte ich nicht spoilern, aber das Ende der zweiten Staffel unterstreicht nochmal, dass nicht immer das, was man möchte, das ist, was einem am Besten bekommt.

Dabei ist es erstaunlich: Die graziöse, normale Stute verwandelt sich im Laufe der ersten Staffel zu einer etwas wabbelig und mehrgewichtigen Version ihrer selbst. Normalerweise ist es ja so - lassen wir mal „Shrek“ außen vor - dass am Ende der Geschichte aus dem Hässlichen das Schöne wird. Das Biest wird zum Prinzen. Die verfluchte Prinzessin wird erlöst. Bei „Shrek“ ist das nicht der Fall, weil „Shrek“ eine Parodie auf die ganzen Grimm’schen Märchen ist. „Centaurworld“ dagegen nimmt sich zwar auch gelegentlich alles andere als ernst, aber die eigentliche Geschichte und die Aussage ist - eigentlich wie bei „Shrek“ - dann doch eher ernst. Am Ende der ersten Staffel erwartet man als Zuschauender also, dass Stute sich irgendwie wieder zurückverwandelt, weil ja mehrgewichtige starke Heldinnen eher nicht die Norm sind. Das gerade passiert nicht. Auch, wenn sie kurzfristig in ihrer normalen Gestalt auftaucht - wegen Magie, Hintergrundgeschichte und so halt, wie das magische Zeichentrickserien so an sich haben - bleibt sie am Ende wabbelig und wobbelig und kurvig.

Wenn man dann am Ende die Geschichte des Nowhere-Kings kennt, kann man die Aussage, dass man so geliebt werden kann wie man aussieht als fundamentale Aussage der Serie erkennen. Abgesehen davon, dass sich auch die anderen Mitglieder der Herde entwickelt haben und dass der ein oder andere Charakter noch so einige Twists bietet. Die fundamentale Aussage, dass es egal ist, wie man aussieht, zieht sich im Rückblick tatsächlich auch durch die gesamte Serie. Davon abgesehen sind aber auch die mehrgewichtigen Charaktere keine, die nur da sind um irgendwelche Witzfiguren zu sein. Was für eine Serie, die sich hauptsächliich an Kinder richtet durchaus eine sehr positive und gute Aussage ist.

Vielleicht ist es nicht unbedingt eine Serie für Jeden - vor allem nicht, wenn man nicht gerade darauf steht, dass alle paar Minuten ein Song die Folge unterbricht - aber es gibt wirklich Schlechteres. Wobei die Songs tatsächlich allesamt okay bis gut sind - und es gibt einige, die wirklich länger im Gedächtnis bleiben als man wollte. „Rush now, to the middle of Nowhere, singing and laughter will die …“

Kommentare  

#1 matthias 2022-04-29 18:10
Wie leicht sind die Menschen derzeit zu unterhalten ...
#2 Cartwing 2022-04-29 20:41
für mich kling das eher so, als wäre es nur auf den ersten Blick leichte Unterhaltung. Werde auf jeden Fall mal reinschauen.

Wenn einer singt, nutze ich die neue Netflix -Funktion, die Geschwindigkeit zu erhöhen... ;-)
#3 Laurin 2022-04-30 00:40
Nun ja, ich weiß nicht so recht. Da ich kein Bezahlfernsehen nutze, habe ich aber zumindest mal aus reiner Neugierde in ein paar kurze Sachen von "Centaurworld" bei YouTube reingeschaut. Allerdings auch nur eher kurz. Wirkte auf mich persönlich nämlich schnell irgendwie zu billig und uninteressant. Zumindest scheine ich da also auch nichts persönlich zu verpassen.
#4 matthias 2022-04-30 19:46
zitiere Cartwing:
für mich kling das eher so, als wäre es nur auf den ersten Blick leichte Unterhaltung. Werde auf jeden Fall mal reinschauen.

Wenn einer singt, nutze ich die neue Netflix -Funktion, die Geschwindigkeit zu erhöhen... ;-)

Ist doch in Ordnung, Cartwing. Die Geschmäcker sind eben verschieden.
Dennoch braucht man nur irgenwelchen Schmarrn den Hauch von Intellekt zu geben, und schon stürzen sich die Geister drauf. Keiner will zugeben dass es eigentlich nicht so dass Dolle ist. Wie in "Des Kaisers neue Kleider" ...
Oder bei "Bares für Rares":
"Die Sessel sind total Schrott! Aber Moment mal, da steckt ein berühmter Designer dahinter. Fazit: Ach sind die Sessel schön! "

Schreib dann mal bitte Deinen Eindruck ...

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