Macht, Liebe und Neuanfang: Der andere Ring
Macht, Liebe und Neuanfang
Der andere Ring
Dabei haben beide Werke durchaus Ähnlichkeiten: Es geht um die Natur. Es geht um Macht. Es geht um die Industrialisierung und es geht um einen Neuanfang. Dass Tolkien bekannter ist als der Autor des anderen Ringwerkes - zumindest in Fantasy-Kreisen - liegt vielleicht daran, dass man mittlerweile zwar Filme um die drei Stunden erträgt. Aber die Geschichte des anderen Rings ist anstrengender. Also die Geschichte, die der Dichterkomponist Wagner erzählt …
Allerdings beginnen beide Erzählungen gleich: Wagners „Rheingold“ mit dem Klang der reinen Natur und Rheinnixen, die unschuldig das Rheingold hüten. Solange jemand nicht der Liebe abschwört, ist das Rheingold nicht in Gefahr. Dass zu Beginn Alberich auftaucht, der Liebe flucht und damit den Ring schmieden kann - damit rechnet keiner. Bei Tolkien starten wir im idyllischen Reich der Hobbits, mit Mühle, Bach und kurz danach dem Besuch von Gandalf bei Frodo. Soweit so gut. Im „Rheingold“ geht es dann auch gleich ans Eingemachte, denn Wotan und Loge brauchen den Ring, um die Schuld bei den Riesen abzubezahlen. Es geht also hinab ins Reich von Alberich, zu den Nibelungen. Alberich nutzt die Macht des Rings um die Nibelungen permanent schuften zu lassen. Die Klangkulisse bei Wagner - 18 Ambosse! als Instrumente - sagt, was man als Zuschauender schon erahnen kann. Hier ist die Industrialisierung zu Gange. Das haben wir als Vorahnung bei Galadriels Spiegel, als Sam sieht, wie die Bäume niedergehauen werden, später bei Saruman und dann später auch noch im Auenland, wenn Frodo zurückkehrt.
Auch was der Ring an sich auslöst ist in beiden Werken ähnlich. Sie verleihen Macht. Bei Tolkien ist der Ring der Eine, der alle anderen beherrscht und der nach und nach dafür sorgt, dass der Träger der Dunkelheit anheimfällt. Es geht um Gier. Das ist bei Wagner ähnlich, wobei Alberich zuerst der Liebe abschwört, um den Ring überhaupt schmieden zu können, aber dann kommt die Szene, in der er er den Ring verflucht. Wer ihn nicht besitzt, den verzehre der Neid nach ihm, wer ihn hat, wird keine Ruhe finden - solange bis entweder Alberich oder die Rheintöchter den Ring wieder bekommen. Das wäre eigentlich die beste Lösung: Der Ring ab in den Rhein und alles wäre fein. Gut, Wotan hätte immer noch das Problem mit Fricka und den Riesen, aber im Endeffekt … Isildur hätte das Problem ja auch direkt so lösen können: Den Einen Ring ab in die Lava und fertig. Während Wotan aber noch gewarnt wird, die Finger vom Ring zu lassen, beansprucht Isildur ja den Einen für sich und seine Erben.
Die Idee bei Wagner nun: Wotan hat einen Plan, um den freien Menschen zu erschaffen. Siegfried. Der dann wiederum den Ring für ihn erobern soll und zudem dann gleichzeitig von den ganzen Verträgen, an die Wotan gebunden ist, frei ist. Was genau dann später passieren sollte, gute Frage. Dummerweise funkt der Fluch des Rings dazwischen: Bekanntermaßen bringt Hagen Siegried um, Brünhilde - eigentlich Siegfrieds Frau, aber … es ist kompliziert. Also Brünhilde ist Diejenige, die dem Ruf des Rings widersteht und ihn am Ende des „Ring des Nibelungen“ in den Rhein wirft. Im letzten Teil, der „Götterdämmerung“ hat Wotan befohlen, die Weltenesche zu fällen und um Walhall einen Scheiterhaufen aufzustellen. Ebenfalls hat Siegfried einen Scheiterhaufen erhalten und die Flammen von diesem schlagen durch bis in die Götterwelt. Am Ende also: Wellenband. Allerdings tritt der Rhein über die Ufer und es mag sein, dass die Wellen durchaus etwas von dem Feuer löschen. Ein Neuanfang ohne Götter und mit Menschen wäre durchaus möglich.
Feuer spielt am Ende des „Herrn der Ringe“ auch eine Rolle. Ebenso auch der Neuanfang. Nicht nur das Scharmützel im Auenland. Es vergeht ein ganzes Zeitalter. Die Elfen gehen in den Westen, Aragorn ist König geworden und was jetzt passieren wird, das liegt in den Händen der Menschen. Wotan gibt schon in der „Walküre“ auf, weil er sieht, dass sein Plan nicht funktioniert. Siegfried wird im „Ring des Nibelungen“ auch nicht gerade als hold und hehr dargestellt. Eher als Jemand, der Muskeln hat, aber eher wenig Verstand. Er fordert sogar Wotan selbst heraus, weil er tatsächlich nichts mit den Göttern zu tun hat. Siegfried steht außerhalb. Mime, der Zwerg, mag zwar sein Ziehvater sein, aber der setzt ihn ja gerade auf den Drachen an, damit er Siegfried vom Leibe hat. Wäre auch eine Art von Neufang.
Letzten Endes kann man Wagners Ring als Kritik an der Industrialisierung lesen. Ebenso wie man das bei Tolkien tun könnte. Beide Ringe bringen dem Träger am Ende nur Unglück. Das Ende - wobei das bei Wagner noch etwas vage ist - bringt einen Neuanfang. Dass Tolkiens Werk bei Fantasy-Freund*innen etwas bekannter ist als Wagners Ring … das liegt halt daran, dass der Opernzyklus 15 Stunden beträgt, Wagner es mit dem Stabreim übertreibt - auch der hat Regeln! Und zudem: Wagner ist ja nicht unumstritten. Und wer tut sich auch schon 15 Stunden Oper an? Also ich auch nicht. Außerdem mag ich sowieso nur die „Walküre“ …
Kommentare
Naja, mit guten Bühnebildern ist das schon ein Erlebnis. Einmal WALKÜRE mit animatronischen Pferden und cleveren Lichteffekten. Das hält dann lange nach.
Wenn der Regisseur aber nur bunte Würfel auf die Bühne stellt und sagt, dass ist Walhall, oder blaue Leuchtstoffröhren symbolisieren den Rhein, dann wird es nicht nur albern sondern absolt uninteressant.
Woher willst Du dann wissen, ob Du sie nicht brauchst?
Touché. Aber ist das nicht der Sinn von Lernprozessen, um vor diese Wahl gestellt werden zu können?