Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Die Ranch, das unbekannte Wesen ... – Juli 2012

Eine Frage an Dietmar KueglerDie Ranch, das unbekannte Wesen
Juli 2012

Die Ranch ist ein Symbol des Wilden Westen. Sie war die Heimat der Cowboys. Die Ponderosa, die Shiloh Ranch sind Symbole für das Bild der Ranch. Hoss und Little Joe mussten die Zäune an der Südweide ausbessern.

Wie sah der Alltag auf der Ranch tatsächlich aus? Wie waren die Arbeitsbedingungen?

Dietmar Kuegler
: Der Alltag auf einer Ranch ist, soweit er in Filmen überhaupt vorkommt, nicht unrealistisch dargestellt, wenn auch unterrepräsentiert. In Filmen sind die meisten Cowboys überwiegend damit beschäftigt, Viehdiebe zu jagen oder anderen Bösewichten das Handwerk zu legen – aber das ist eben Unterhaltung. Die Suche nach Viehdieben (vor allem in Grenznähe zu Mexiko tatsächlich ein Problem) oder Weidefehden mit Schafzüchtern und Heimstättensiedlern waren Ausnahmesituationen. Die Regel war die alltägliche Arbeit wie auf einem Bauernhof. Füttern der Tiere, Reparaturen an Gebäuden, Stallungen, Fahrzeugen, Bränden, Schlachten, Fleischverarbeitung, Versorgungstransporte. Maßgeblicher Unterschied zwischen hiesiger und amerikanischer Landwirtschaft im Westen war, daß die Tiere überwiegend ganzjährig auf der Weide standen. Weide bedeutete, ein riesiges Areal, über das man tagelang reiten konnte, um die zerstreut stehenden Tiere überhaupt zu finden. (Heute benutzen die Rancher neben Geländewagen oft Hubschrauber oder Flugzeuge dazu.) Es ging um die Kontrolle, ob trächtige Kühe inzwischen gekalbt hatten. Es ging darum, den Viehbestand vor Raubtieren zu schützen und um die Gesundheit der Rinder. Waren Zäune gezogen, mussten diese kontrolliert und repariert werden.

Die Ranchhäuser waren in der Realität selten so schön und sauber gebaut wie in Filmen. Sieht man sich historische Fotos von großen Ranches an, ist man eigentlich enttäuscht. Print Olive, ein sehr großer Rancher in Nebraska, der durch seine drakonischen Maßnahmen gegen Viehdiebe bekannt wurde und letztlich im Gefängnis landete, lebte spartanisch in einem Haus aus groben, kaum zugehauenen Baumstämmen. John Chisum, der größte Rancher New Mexicos, hatte ein ziemlich bescheidenes Holzhaus.

Eindrucksvoll war das Haus von Konrad Kohrs, dem zeitweilig größten Rancher Montanas. Die Grant-Kohrs-Ranch – eine der Ursprungsstätten der Quarterhorse-Zucht – entsprach dem Klischee der Western-Filme. Ein weißes, geräumiges, luxuriöses Haus, in dem es bereits in den 1870er und 1880er Jahren Badewannen und Telefon gab. Das war der Gattin von Konrad Kohrs (übrigens ein gebürtiger Deutscher aus Schleswig-Holstein) zu verdanken. Auch Buffalo Bill Cody unterhielt eine Musterranch in Nebraska, wo er Rinder und Pferde züchtete, mit einem nahezu feudalen Ranchhaus.

Dagegen bewohnte der spätere Präsident Theodore Roosevelt auf seiner „Elkhorn Ranch“ in North Dakota eine Blockhütte mit gerade mal 3 kleinen Zimmern.

Die Arbeitsbedingungen der Cowboys waren hart. Knochenarbeit vom Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Das Essen war sehr einfach, viel Fleisch, viele Bohnen. Die Bezahlung lag bei 30 bis 40 Dollar im Monat. Ein Vormann bekam mehr, ein Koch auch. Soziale Absicherung gab es nicht. Wenn ein Cowboy sich bei der Arbeit verletzte oder krank wurde, war er von der Gnade des Ranchers abhängig. Longhornrinder waren gefährlich. In der großen Zeit der Cattle-Ranches gab es zwischen 25.000 und 30.000 Cowboys. Viele davon endeten als Krüppel, von wilden Pferden oder Rindern verletzt. Ein Großteil der Cowboys waren Farbige – Mexikaner, Schwarze, Indianer.

Nach der Viehsaison folgte die Entlassung in den Winter, ohne Abfindung oder Versorgung. Nur ein harter Kern der Mannschaft blieb für den Winterdienst auf der Ranch. Manche Cowboys gingen in dieser Zeit zur Armee, um Quartier und warme Mahlzeiten zu haben – und desertierten mit der ersten Frühjahrssonne. Andere ritten nach Mexiko, wo das Leben billiger war, oder nahmen Aushilfsjobs an. Wieder andere stahlen Vieh und verkauften es über die Grenze oder begingen andere Straftaten. Es war ein wirtschaftlich sehr bescheidenes Leben. Aber Cowboys waren stolze Menschen, die sich bewusst für dieses Leben entschieden.

Bis zur nächsten »Frage an Dietmar Kuegler« im August

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles