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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Shermans »Marsch zur See«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Shermans »Marsch zur See«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 15. November 1864, begann in Atlanta (Georgia) Generalmajor William T. Shermans “Marsch zur See”, einer der bedeutendsten Feldzüge des Amerikanischen Bürgerkrieges, der entscheidend zur Niederlage der Südstaatenkonföderation in diesem blutigen Ringen beitrug.

Vorausgegangen war eine Reihe von erbitterten Kämpfen im Nordwesten Georgias, bei denen Shermans Truppen die Konföderierten unter General Joseph E. Johnston ab Mai 1864 vor sich hergetrieben hatten. Auch nachdem der aggressivere CSA-General John Bell Hood das Kommando der südstaatlichen Truppen übernahm, ließ sich Shermans Armee nicht aufhalten. Am 2. September fiel Atlanta in die Hände der Union.

Shermans Kampagne erinnerte an Zeiten des 30jährigen Krieges, als die Armeen „vom Land lebten“ und sich nicht nur auf militärische Ziele konzentrierten, sondern auch das zivile Leben einbezogen. Es war das Ende der sogenannten „begrenzten Kriege“ und der Beginn der „modernen“ Massenkriegsführung, bei der kein Lebenselement des Gegners mehr verschont wurde. Es war die Eröffnung des „totalen Krieges“ – wie er spätestens seit dem 1. Weltkrieg gang und gäbe ist.

Ob Sherman wirklich jemals den Spruch „Den Menschen darf nichts bleiben außer ihren Augen, um damit zu weinen.“ gesagt hat (er wird manchmal auch Napoleon zugeschrieben), wird kaum zu dokumentieren sein, dieser Satz entsprach aber dem Ergebnis seiner Strategie.

Es wäre allerdings ungerecht, Shermans Persönlichkeit auf diese oder ähnliche Äußerungen zu reduzieren. Er war zweifellos ein rücksichtsloser Heerführer, letztlich hatte er aber – genau wie Grant – verstanden, dass ein Krieg nur mit Konsequenz zu gewinnen war, weil vermeintliche Rücksichtnahme zu weitaus grausamerer Verlängerung der militärischen Auseinandersetzung geführt hätte. Zudem gab es andere Situationen seines Lebens, in denen er sich mitfühlend, menschlich und hilfsbereit zeigte und von seinem fast sprichwörtlichen Zynismus nichts zu spüren war. Während der letzten Phasen des US-Bürgerkrieges aber offenbarte er in der Tat unerbittliche Härte.

Am 15. November 1864 legte Shermans Chief Ingenieur Orlando Metcalfe Poe Feuer an das, was nach den vorherigen Kämpfen von der einstigen „Perle des Südens“ übriggeblieben war. Sherman schrieb am nächsten Tag in sein Tagebuch: „Wir verließen Atlanta über die Decatur Road, die von marschierenden Truppen und Wagen des 14. Korps gefüllt war. … Hinter uns lag Atlanta, schwelend, brennend und in Ruinen. Der schwarze Rauch erhob sich hoch in den Himmel und hing wie ein Leichentuch über der zerstörten Stadt. In einiger Entfernung, auf der McDonough Road, bewegte sich die Nachhut von Howards Kolonne; die Kanonenrohre glitzerten in der Sonne. … Eher zufällig begann eine Kapelle „John Browns Body“ zu spielen. ... Niemals zuvor habe ich den Refrain „Glory, Glory Hallelujah!“ mit mehr Inbrunst oder in perfekterer Harmonie mit Ort und Zeitpunkt gehört.“

Shermans „Savannah Kampagne“, wie der Feldzug offiziell hieß, hatte begonnen. Seine persönliche Eskorte war die 1. Alabama-Kavallerie, die vollständig aus Südstaatlern bestand, die loyal zur Union standen.

Shermans Armee bewegte sich wie eine Walze der Verwüstung durch die letzte Versorgungsbasis der Südstaaten. Was die Truppen nicht selbst für ihren Unterhalt benötigten, wurde vernichtet. Felder wurden verbrannt, Häuser zerstört, die wenigen Eisenbahnlinien aufgerissen. Eisenbahnschienen wurden in Feuern zum Glühen gebracht und um Telegrafenmasten gebogen – sogenannte „Jeff Davis Krawatten“ oder auch „Sherman Krawatten“, um sie vollständig nutzlos zu machen. Alles, was der konföderierten Armee noch als Unterstützung dienen konnte, wurde förmlich hinweggefegt. Während Kolonnen von Flüchtlingen versuchten, Shermans Truppen zu entkommen, folgten seiner Armee Horden von „Bummers“, Plünderern, die raubten, was die Soldaten übriggelassen hatten.

Einerseits folgte der „Marsch zur See“ den Überlegungen, die Sherman und sein Oberkommandierender, Lieutenant General U. S. Grant zur raschen Beendigung des Krieges angestellt hatten, das nämlich dem Feind nicht nur militärisch, sondern auch ökonomisch und psychologisch die Basis zur Kriegsführung genommen werden müsse, in dem die gesamte Infrastruktur und auch der zivile Besitz vernichtet wurden. Es war das Prinzip der „verbrannten Erde“, mit dem auch der zivilen Bevölkerung des Südens grausam deutlich wurde, dass sie schutzlos Teil dieses Krieges geworden war.

Andererseits hatten sowohl Präsident Abraham Lincoln als auch General Grant Bedenken gegen Shermans Pläne geäußert, weil er sich faktisch für unbestimmte Zeit vom Rest der Unionsarmee löste, ohne Aussicht auf Kommunikation und Unterstützung. Es war ein fast 500 km langer Marsch ins Ungewisse. Letztlich siegte das Vertrauen, das Grant in Sherman hatte, als er ihm am 2. November telegrafierte: „Gehen Sie, wie sie es geplant haben.“

Mit Recht gilt Shermans Marsch als eine der bemerkenswertesten militärischen Leistungen des Bürgerkrieges, wenn auch die zivile Kritik aus oben genannten Gründen bis heute nicht verstummt ist.

Sherman kommentierte die schon damals aufkommenden Bedenken am 24. Dezember 1864 in einem Brief an den Generalstabschef Halleck: „Wir kämpfen nicht nur gegen Armeen, sondern gegen eine feindselige Bevölkerung und müssen deshalb dafür sorgen, dass Alt und Jung, Reich und Arm die harte Hand des Krieges genauso fühlen, wie die organisierten Truppen.“

Sherman zerstörender Feldzug sicherte zugleich Grants Konfrontation mit der Nordvirginia-Armee Robert E. Lees ab, die nun nicht mehr auf Verstärkung oder Versorgung hoffen konnte.

Am 21. Dezember 1864 telegrafierte Sherman nach der Einnahme der wichtigen Hafenstadt Savannah an Abraham Lincoln in Washington: „Ich erlaube mir, Ihnen die Stadt Savannah mit 150 Kanonen, einer Menge Munition, sowie etwa 25.000 Ballen Baumwolle als Weihnachtsgeschenk zu überreichen.“

Lincoln antwortete am 26. Dezember: „Vielen, vielen Dank für Ihr Weihnachtsgeschenk – die Einnahme von Savannah. Als Sie Atlanta verlassen haben, um zur Atlantik-Küste zu ziehen, war ich besorgt, wenn nicht voller Furcht, war aber überzeugt, dass Sie die Lage besser einschätzen konnten. Mit dem Gedanken ‚Ohne Risiko, kein Gewinn‘ erhob ich keine Einwände. Jetzt, da das Unternehmen ein Erfolg ist, gebührt alle Ehre Ihnen. … Bitte drücken Sie Ihrer ganzen Armee, Ihren Offizieren und Männern, meine dankbare Anerkennung aus.“

Einen Monat später marschierte Sherman nordwärts in die Carolina-Staaten. Am 26. April 1865 nahm er die Kapitulation der Südarmee unter General Joseph E. Johnston entgegen.

Offiziell war der Krieg mit Robert E. Lees Übergabe in Appomattox schon am 9. April zu Ende gegangen.

Tatsächlich kapitulierte als letzter der Cherokee-General Stand Watie mit seiner „First Indian Brigade“ der Konföderierten am 23. Juni 1865. Damit war der Bürgerkrieg wirklich vorbei.

Meine Bilder zeigen Generalmajor W. T. Sherman vor Atlanta, Szenen aus der zerstörten Stadt, Shermans Statue vor dem Weißen Haus in Washington und sein Grab in St. Louis.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2017
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