Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Laura Ingalls?
Wie war das mit Laura Ingalls?
: Mitte der 1970er Jahre begann eine der beliebtesten TV Serien überhaupt, die erst nach 210 Folgen ein Ende fand: UNSERE KLEINE FARM mit dem unvergesslichen Michael Landon, der zuvor schon in BONANZA zum Star geworden war.
UNSERE KLEINE FARM war ein vergleichbarer Erfolg, obwohl diese Serie eigentlich nicht als „Western“ wahrgenommen wurde – dabei gehört sie durchaus in diese Kategorie; denn sie spielte vor dem Hintergrund der Besiedelung der Großen Ebenen im amerikanischen Westen im 19. Jahrhundert.
Die Filme basierten auf der Buchreihe OUR LITTLE HOUSE ON THE PRAIRIE von LAURA INGALLS WILDER. Die Autorin war die Tochter einer Heimstätterfamilie, hatte mit diesen Büchern ihr Leben beschrieben und gleichzeitig den „Sodbusters“, den „Schollenbrechern“, wie sie manchmal verächtlich genannt wurden, ein unvergängliches Denkmal gesetzt.
LAURA INGALLS WILDER wurde am 7. Februar 1867, vor 151 Jahren, geboren.
Sie kam in Wisconsin als zweites von 5 Kindern in einer winzigen Blockhütte zur Welt. Die Eltern waren Heimstätter. Am 1. Januar 1863 war das Bundesheimstättengesetz in Kraft getreten, das jedem 21jährigen Amerikaner gegen eine geringe Gebühr ein Stück Land von 160 Acre = ca. 64 Hektar garantierte, wenn er es fünf Jahre lang kultivierte.
Es sollte das erfolgreichste Siedlungsgesetz der Welt werden, aber hinter den beeindruckenden Statistiken verbargen sich menschliche Schicksale. Rund 1,6 Millionen arme Kleinsiedler zogen in die fast baum- und strauchlosen und wasserarmen Großen Ebenen und verwandelten das ehemalige Bisonland wie North und South Dakota, Nebraska und Kansas in Kornkammern. Viele scheiterten an den Lebensbedingungen, aber die wenigsten gaben auf. Wenn es mit der ersten Heimstätte nicht klappte, zogen sie weiter, steckten eine zweite ab, eine dritte, eine vierte… Irgendwann hatten sie Erfolg.
Die Wilders gehörten zu diesen ausdauernden Familien. Von Wisconsin zogen sie 1869 nach Missouri. Dann siedelten sie in Kansas.
1871 ging die Familie zurück nach Wisconsin, dann wieder nach Kansas und danach nach Minnesota. 1877 lebten sie in Iowa, und 1879 akzeptierte der Vater von Laura Ingalls eine Anstellung bei der Eisenbahn im östlichen Dakota-Territorium. Hier steckte er in der Nähe der Gemeinde DeSmet die letzte Heimstätte der Familie ab.
Die Wilders hatten alle Hochs und Tiefs des Heimstätterlebens hinter sich. Sie hatten in einfachen Blockhütten gehaust, in „Dugouts“ (in Hügel hineingegrabene Höhlen), in Sodhäusern (Behausungen aus Grasziegeln) und Clapboard Houses.
Laura Ingalls hatte das Leben der Kleinsiedler im amerikanischen Westen aus erster Hand erfahren. Sie sah die kleine Gemeinde DeSmet wachsen. Hier besuchte sie neben der Feld- und Stallarbeit die Schule.
Ende 1882 erhielt sie das Angebot, selbst als Lehrerin zu arbeiten. Sie war noch keine 16 Jahre alt. Das war absolut nicht ungewöhnlich. Die kleinen Gemeinden im amerikanischen Westen hatten nicht viel Geld für Lehrkräfte an Grundschulen. Also wurden häufig Minderjährige, meist junge Mädchen, die gerade ihre erste schulische Ausbildung absolviert hatten, eingestellt. Sie waren ledig, anspruchslos, erhielten einen sehr niedrigen Lohn.
(Bemerkung am Rande: Niemand anders als George Armstrong Custer arbeitete vor seinem Eintritt in die Militärakademie West Point als Lehrer, auch er war zu dieser Zeit Teenager.)
Laura Ingalls unterrichtete bis 1885, während sie gleichzeitig die High School besuchte – aber sie machte nie einen Abschluß. Sie heiratete im August 1885 den Heimstätter Almanzo Wilder. Im Jahr darauf kam ihre erste Tochter zur Welt.
Die Welt des jungen Ehepaars wurde durch die plötzliche Diphterie-Erkrankung von Almanzo, die ihn fast das Leben kostete, früh beeinträchtigt. Sie waren körperlich nicht mehr imstande, die Heimstätte zu bewirtschaften. Zeitweise lebten sie bei Almanzos Eltern in Minnesota, dann zogen sie in der Hoffnung, daß das Klima Almanzos Gesundheitszustand verbessern würde, nach Florida. Tatsächlich war die klimatische Veränderung für sie, die das trockene Kontinentalwetter der Great Plains gewöhnt waren, nachteilig. 1894 ließen sie sich in Mansfield (Missouri) nieder und bauten sich auf einem billigen Stück Land ein bescheidenes kleines Haus. Sie nannten ihren ärmlichen Besitz „Rocky Ridge Farm“. Sie verkauften Feuerholz und pflanzten Obstbäume, die nach einigen Jahren ein stetiges Einkommen sicherten. Immer wieder benötigten sie Unterstützung ihrer und seiner Eltern.
Ab 1911 verdiente Laura Ingalls sich als Kolumnistin einer kleinen regionalen Zeitung ein Zubrot. Sie schrieb hier über das Leben der Farmer und über lokale Ereignisse. Die finanzielle Situation der Familie verbesserte sich etwas, als sie eine Anstellung bei der „Farm Loan Association“ erhielt. Ab 1924 gelang es ihr, Artikel in größeren, nationalen Magazinen unterzubringen. Fünf Jahre später aber standen die Wilders fast vor dem Ruin, als eine Wirtschaftskrise den Aktienmarkt zusammenbrechen ließ und sie ihre geringen Ersparnisse verloren.
Unverzagt begann Laura Ingalls Wilder, ein autobiographisches Manuskript zu verfassen. Sie erzählte vom Leben der kleinen Heimstättensiedler in den weiten Prärien. Sie erzählte von ihrer Kindheit auf Pionierfarmen. 1932 erschien das Buch unter dem Titel „Little House in the Big Woods“ – es schilderte die Zeit der Wilder-Familie in Wisconsin.
Das Werk wurde ein Überraschungserfolg. Schon im ersten Jahr brachte es rd. 500 Dollar an Tantiemen ein (nach heutiger Kaufkraft ca. 9.000 Dollar). In den folgenden Jahren schwoll der Strom der Tantiemen an, und Laura Ingalls Wilder schrieb weitere Bände, die allesamt zum Monument der Heimstättensiedler wurden.
Bis zum heutigen Tag, wurden über 41 Millionen ihrer Bücher verkauft – und die Nachfrage hält beständig an. Laura Ingalls Wilders Bücher sind heute in 40 Sprachen auf der Welt verfügbar.
Damit hielt in den letzten Jahren ihres Lebens der Wohlstand Einzug in das Haus der Heimstättertochter. Bereits zu ihren Lebzeiten wurde sie zu einer Kultgestalt. Tagtäglich klopften begeisterte Leser an die Tür des Wilder-Hauses in Mansfield (Missouri).
1949 starb Almanzo Wilder. Am 10. Februar 1957, vor 61 Jahren, schloß auch Laura Ingalls für immer die Augen.
Alle Wohnstätten der Wilder-Familie, soweit sie noch erhalten sind, sind heute zum Gedenken an die Heimstättensiedler der Pionierzeit unter Schutz gestellt.
Meine Fotos zeigen Laura Ingalls Wilder, verschiedene Beispiele von Heimstätten-Behausungen im amerikanischen Westen, eine typische Pionierkirche in den Great Plains, und die letzte Wilder-Heimstätte bei DeSmet (South Dakota), sowie ihr Grab, und die Crew der erfolgreichen TV-Serie mit Michael Landon als Vater von Laura Ingalls.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de