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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem »Fort Robinson Massaker«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Fort Robinson Massaker«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Im Januar 1879, vor 140 Jahren, kam es im Nordwesten Nebraskas zu einer Tragödie, die seither bedauerlicherweise von vielen anderen dramatischen Vorfällen der Zeit der sogenannten „Indianerkriege“ überschattet wird. Das Ereignis, das gelegentlich als „Fort Robinson Massaker“, als „Cheyenne Aufstand“ oder „Cheyenne Ausbruch“ bezeichnet wird, war nur der Gipfel einer Kette von Auseinandersetzungen zwischen der US-Armee und den nördlichen Cheyenne.

Nachdem eine Gruppe nördlicher Cheyenne zwangsweise in der Reservation der südlichen Cheyenne im heutigen Oklahoma angesiedelt worden war, kam es im September 1878 zur Flucht von etwa 350 Menschen unter der Führung von Dull Knife und Little Wolf. Ihr Ziel war die Rückkehr in ihre Heimat im heutigen Wyoming und Montana.

Während eines frühen Wintereinbruchs erstreckte sich der Exodus der Cheyenne unter erbärmlichen Bedingungen durch ganz Kansas. Dabei gelang es ihnen mehrfach, der Verfolgung durch Armee-Einheiten zu entgehen.

Am North Platte River in Nebraska spaltete sich die Kolonne auf. Little Wolf entschied, mit seiner Gruppe weiter in die alten Heimatgebiete am Powder River zu ziehen. Dull Knife wollte sich den Lakota bei der Red Cloud Agentur anschließen. Zu dieser Zeit waren bereits 34 Cheyenne bei Zusammenstößen mit der Armee gefallen.

Im Oktober 1878 wurde die Dull-Knife-Gruppe von einem Schneesturm überrascht. Als der Sturm abzog, hatte die Armee sie eingeholt und ihr Lager umzingelt. Die Cheyenne konnten nur noch kapitulieren und wurden nach Fort Robinson geleitet und interniert. Zu dieser Zeit verlief noch alles friedlich. Zwar wurden die Pferde der Cheyenne konfisziert, aber die Armee versorgte sie mit ausreichend Nahrung, Decken und warmer Kleidung.

Das änderte sich, als die Cheyenne sich hartnäckig weigerten, nach Süden zurückzukehren. Sie verlangten, auf der Pine Ridge Reservation bei Red Cloud leben zu dürfen, wenn man sie nicht in ihre alten Heimatgebiete zurücklassen würde. Dafür versprach Dull Knife, nicht mehr gegen den weißen Mann zu kämpfen.

Zunächst sah es so aus, als würde der seit Anfang Dezember amtierende Kommandant von Fort Robinson, Lieutenant Colonel Henry Wessells Jr., darauf eingehen. Als der ultimative Befehl aus Washington eintraf, die Cheyenne zurück nach Oklahoma zu schicken, verhärteten sich die Fronten. Wessells ließ die Cheyenne am 3. Januar 1879 in ein ungeheiztes Mannschaftsquartier sperren und verweigerte ab sofort jegliche Lebensmittelzuteilung. Chief Wild Hog wurde in Ketten gelegt.

Am 9. Januar kam es zum Aufstand: Es war den Cheyenne gelungen, bei ihrer Kapitulation einige ihrer besten Waffen zu verbergen. Während draußen ein eisiger Sturm tobte, gruben sie in der Nacht Löcher unter den Wänden, überwältigten die Wachen und flüchteten aus der Mannschaftsbaracke.

Wessells ordnete eine sofortige Verfolgung an. 65 Cheyenne konnten kurze Zeit später wieder eingeholt und zurückgebracht werden. Am 22. Januar spürten ca. 150 Soldaten die letzten 32 Flüchtlinge nördlich vom Fort auf. Sie wurden von Little Finger Nail geführt. Es handelte sich um 18 sehr junge und auch einige ältere Männer, sowie 14 Frauen und Kinder. Sie verschanzten sich in einem trockenen Flußbett und leisteten erbitterten Widerstand. Wessells ließ von drei Seiten angreifen. Alle Männer, sowie 4 Frauen und 2 Kinder wurden getötet.

Alles in allem verlor Dull Knife 64 Menschen seiner Gruppe, 23 waren verwundet worden. 78 wurden wieder gefangengenommen. Nur 10 Cheyenne konnten entkommen, darunter auch Dull Knife, der die Sioux-Reservation erreichte.

Die Armee hatte 11 tote Kavalleristen und 1 Indianerscout zu beklagen.

Es kam danach zu einer offiziellen Untersuchung der Vorgänge, die von General George Crook geleitet wurde. Intern wurde das krasse Fehlverhalten Wessells festgestellt, aber wie in solchen Fällen üblich, räumte die Armee öffentlich keine Schuld ein. Sie ließ allerdings ihre Forderung nach Rückkehr der Cheyenne nach Oklahoma fallen. Dull Knife und andere Cheyenne-Führer wurden aus der Gefangenschaft entlassen und durften nach Montana gehen – was sie von Anfang an gewollt hatten. Hier war inzwischen auch Little Wolf mit seinen Leuten angekommen. Sie durften sich auf der Northern Cheyenne Reservation östlich des Little Bighorn-Schlachtfeldes niederlassen. Dull Knife blieb mit seiner Familie auf Pine Ridge bei Red Cloud. Damit erwies sich, wie häufig in den Indianerkriegen, das die ganze blutige Auseinandersetzung völlig überflüssig gewesen war

Die Cheyenne klagten gegen die brutale Behandlung, da sie keinen Krieg gegen die USA geführt, sondern sich während ihrer Flucht nur gewehrt hatten. 1901 entschied das Oberste Gericht, daß staatliche Entschädigungen für die erlittenen Verluste nicht gewährt werden würden – auch das entsprach damals der gängigen Praxis –, aber die Richter räumten ein, daß die Fort-Robinson-Affäre „einer der furchtbarsten und traurigsten Vorfälle der indianischen Tragödie“ sei und es keine Grundlage für die militärischen Maßnahmen gegen die Cheyenne gegeben habe.

1994 verlangten die Northern Cheyenne die Herausgabe der sterblichen Überreste der Getöteten in Fort Robinson. Sie wurden auf die Reservation in Montana umgebettet und liegen heute auf dem Friedhof hinter dem Grabmal des großen Häuptlings Two Moons.

Die Northern Cheyenne gedenken noch heute jährlich des Aufstandes in Fort Robinson und des schrecklichen Wintermarsches ihrer Vorfahren mit einem Gedenklauf von der Reservation in Montana nach Fort Robinson, Nebraska.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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