Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John G. Bourke?
Wie war das mit John G. Bourke?
: Am 23. Juni 1846 wurde ein bemerkenswerter Mann geboren, der heute sowohl von der Wissenschaft als auch vom Militär als Offizier, Völkerkundler und Autor hohe Achtung erfährt und dessen Schriften für die Erforschung der indianischen Kulturen unübertroffen sind: JOHN G. BOURKE.
Zu seinen Lebzeiten war er speziell unter seinen Offizierskameraden eher umstritten, um es vorsichtig auszudrücken.
Er wurde in Philadelphia (Pennsylvania) geboren. Seine Eltern waren eingewanderte Iren, die großen Wert auf eine gediegene Ausbildung für ihren Sohn legten. Ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkrieges lief der 16jährige Bourke von daheim fort und meldete sich zur Unions-Armee. Er gab sein Alter mit 19 an, um in die 15. Pennsylvania Freiwilligen-Kavallerie aufgenommen zu werden, in der er bis zum Juli 1865 diente. In der Schlacht von Stones River (Tennessee) im Dezember 1862 gewann er die „Medal of Honor“, die höchste Tapferkeitsauszeichnung der USA. Er nahm auch an der Schlacht von Chickamauga unter dem Kommando von General George H. Thomas teil. Dieser war von dem jungen Mann so beeindruckt, dass er ihn nach dem Krieg zur Aufnahme in die Akademie West Point empfahl. Nach seiner Graduierung als 11. in einer Klasse von 39 Kadetten, trat er als 2nd Lieutenant im Juni 1869 in die 3. US-Kavallerie ein. Ab 1872 bis 1883 war er Adjutant von General George Crook in den Apachen-Kriegen. Als begabter Linguist – Bourke sprach Lateinisch, Griechisch und Gälisch – lernte er schnell die Sprache der Apachen.
Schon seit seiner West-Point-Zeit, aber vor allem während der Indianerfeldzüge, entwickelte Bourke ein tiefes Interesse an den indianischen Kulturen. Er erlebte den amerikanischen Westen – vor allem den Südwesten – in der Phase der Eroberung durch weiße Siedler und erfuhr noch hautnah die indianische Lebensweise, die unaufhaltsam verdrängt wurde. Er hatte Einblick in das Reservationsleben und die Verwaltung der Indianerbehörde und hatte Gelegenheit, mit bedeutenden Häuptlingen zu sprechen. Seine Ansichten über die Indianervölker unterschieden sich stark von denen seiner Offizierskameraden.
Er war nicht nur ein exzellenter Beobachter mit scharfem Blick und gutem Gedächtnis, sondern auch ein disziplinierter Tagebuchschreiber. Seine persönlichen Notizen waren letztlich die Grundlage für zahlreiche fundierte Bücher, deren wissenschaftlicher Wert bis heute anerkannt ist.
Seine Zeit in den Apachenkriegen dokumentierte er in dem Buch ON THE BORDER WITH CROOK, das bis heute als einer der besten Erste-Hand-Berichte von der Indianergrenze angesehen wird. Bourkes Schilderungen zeichnen sich nicht nur durch detailgetreue Aufzeichnungen und überlegte Analysen aus, sondern durch die ausgewogene Darstellung von Indianern und Armee. Bourke beschrieb Treffen und Verhandlungen zwischen General Crook und bedeuteten indianischen Führern wie Geronimo, Sitting Bull und Crazy Horse.
Es war diese Ausgewogenheit in seinen Beschreibungen, die bei manchen seiner Offizierskameraden Ärger auslösten. Bourkes Sympathie für die Indianervölker und deren Kultur bremste letztlich auch seine Offizierskarriere aus. Trotz seines beeindruckenden Dienstes, blieb er lediglich Captain und wurde nicht weiter befördert. Das hinderte ihn nicht daran, konsequent weiter zu schreiben und zu dokumentieren, was er sah.
1881 lebte Bourke für einige Zeit als Gast bei den Zuni-Indianern. Hier wurde ihm die Teilnahme an geheimen Zeremonien gestattet.1888 erschien sein Buch über diese Rituale. Anfang der 1880er Jahre unternahm er zudem eine ausgedehnte Reise durch Europa und besuchte alle bedeutenden Museumssammlungen.
Bourke heiratete am 25. Juli 1883 in Omaha (Nebraska), Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor.
Während seine Karriere in der Armee stockte, erlangte er mit seinen Veröffentlichungen zunehmend Anerkennung der völkerkundlichen Wissenschaft und wurde in den Vorstand der „Anthropological Society“ in Washington D.C. gewählt. Auch mehrere indianische Gruppen bezeugten Bourke ihre Anerkennung; sie wussten zu würdigen, dass er ihre Kultur mit Einfühlungsvermögen und Verständnis dokumentierte. Das galt besonders für die Apachen.
1888 war Bourke einer der Bewerber für den Posten des stellvertretenden Generalinspekteurs. Diese Position hätte die Beförderung zum Major bedeutet. Im September 1888 ernannte Präsident Grover Cleveland nicht Bourke, sondern Henry Lawton. Bourke äußerte sich verbittert. 1894 wurde ihm die Beförderung zum Brevet-Major als Auszeichnung für seinen Dienst im Südwesten angeboten. Er lehnte ab. Der „Brevet“ war lediglich ein Titelrang, der keinen Einfluss auf seine Stellung als Offizier gehabt hätte.
Sein Hauptwerk blieb weitgehend unbekannt: „Scatalogic Rites of All Nations: A Dissertation upon the Employment of Excrementicious Remedial Agents in Religion, Therapeutics, Divination, Witch-Craft, Love-Philters, etc. in all part of the Globe“. Das Werk erschien 1891. Es blieb Spezialisten vorbehalten. 1913 gab es eine deutsche Übersetzung unter dem Titel „Der Unrat in Sitte, Brauch, Glauben und Gewohnheitsrecht der Völker“. Es handelt sich um eine Übersicht über die rituelle Nutzung von Fäkalien und anderen Körperflüssigkeiten bei verschiedenen Völkern. Diese Studie ist bis heute einzigartig. Kein Geringerer als Sigmund Freud schrieb das Vorwort zur deutschen Ausgabe.
Bourkes Werke über indianische Kultur wie das erwähnte ON THE BORDER WITH CROOK, aber auch THE SNAKE DANCE OF THE MOQUIS OF ARIZONA, MEDICINE-MEN OF THE APACHE, AN APACHE CAMPAIGN IN THE SIERRE MADRE, gehören bis heute zur Standardliteratur der Völkerkunde.
Captain John G. Bourke, starb am 8. Juni 1896, vor 124 Jahren, kurz vor seinem 50. Geburtstag, in einem Krankenhaus in Philadelphia an einem Aneurysma, der Erweiterung der Aorta. Er wurde auf dem Arlington Nationalfriedhof in Washington DC bestattet. Seine Frau Mary starb am 1. April 1927.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de