Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Stern des Gesetzes?
Wie war das mit dem Stern des Gesetzes?
: Heute einmal keine datumsgebundene Erinnerung, sondern ein kurzer Text über ein Thema, nach dem ich immer wieder gefragt werde: Der Stern des Gesetzes
Die Abzeichen der Hüter von Recht und Gesetz in der amerikanischen Pionierzeit hatten ihren Ursprung in den heraldischen und mystischen Symbolen des Mittelalters. Nicht von ungefähr haben noch heute sehr viele Polizeiabzeichen die charakteristische Wappenform, während die sternförmigen Abzeichen interessanterweise auf das Pentagramm oder den Drudenfuss des Altertums zurückgehen, der als Bannsymbol gegen böse Geister eingesetzt wurde.
Das Polizeisystem der USA hat seine Wurzeln im mittelalterlichen England. So geht die Amtsbezeichnung »Sheriff« zurück auf den englischen Grafschaftsvogt, den »Shire-Reeve«, der auf direkte Weisung des Königs die Durchführung der Gesetze in einem Bezirk des Landes zu überwachen hatte. Auch der Titel »Constable« (die heutige Bedeutung ist eher „Schutzmann“) stammt aus dem Mittelalter und hat seinen Ursprung in der lateinischen Bezeichnung für Pferdemeister, »Comes Stabuli«. Genauso stammten die Grundlagen der Kompetenzverteilungen unter den verschiedenen Beamten aus dem alten England. Sie sind grösstenteils von der Pionierzeit bis heute unverändert geblieben. Danach ordneten und ordnen sich Titel und Zuständigkeitsbereiche der amerikanischen Gesetzesbeamten wie folgt:
- Der Town oder City-Marshal war ein städtischer Beamter, dessen Befugnisse an der Stadtgrenze endeten. Er konnte von den Bürgern eines Ortes gewählt, oder aber, wie es meistens geschah, vom Stadtrat oder Bürgermeister ernannt werden. Ihm zur Seite standen Deputies (Gehilfen) und Policemen, die er selbst auswählte.
- Der Sheriff war, wie sein historisches Vorbild, der Grafschaftsvogt, Polizeichef eines Countys (Regierungsbezirk). Er wurde für eine Amtszeit von zwei oder vier Jahren von der Bevölkerung gewählt. Seine Kompetenzen endeten an der Countygrenze. Er hatte nicht das Recht, in den Amtsbereich des Town-Marshals einzugreifen. Er ernannte seine Deputies und Constables selbst. Neben der polizeitypischen Arbeit fungierte er als Steuereinnehmer, wobei er mindestens 5 % der Steuereinnahmen des Countys als sein Gehalt einbehalten durfte. Davon bezahlte er auch seine Gehilfen. In einem reichen Regierungsbezirk – etwa einem Distrikt mit Gold- und Silberminen – konnte das ein sehr lukrativer Posten sein. Der Sheriff war dem zuständigen Bezirksrichter als Vollstreckungsbeamter zugeordnet. Er leitete auch das County-Gefängnis und fungierte gelegentlich als Henker.
Die ersten amerikanischen Counties wurden ab 1634 in Virginia organisiert. Falls es hier bereits Sheriffs gegeben haben sollte, sind sie vermutlich ernannt worden. Das ist aber nicht aktenkundig. Der erste gewählte amerikanische Sheriff trat – ebenfalls in Virginia – 1651 sein Amt an.
Heute gibt es weit über 3.000 Counties in den USA. So gut wie jedes hat einen Sheriff. Sheriffs-Behörden gibt es darüber hinaus auch in einigen sehr großen Städten wie Los Angeles oder Denver.
Im „Wilden Westen“ wurden in der Regel Männer in dieses Amt gewählt, die als energisch und furchtlos waren und hervorragend mit der Waffe umgehen konnten. Das Sheriffsamt war aber auch immer politisch und entsprechend seiner Bedeutung von den großen Parteien, den Demokraten und Republikanern, umkämpft. Beispielsweise war Wyatt Earp Republikaner, sein Gegner in Tombstone, Johnny Behan, war Democrat. Auch heute ist der Rückhalt in einer der großen Parteien für einen Sheriffs-Kandidaten sehr hilfreich. Es gibt allerdings Regionen – vor allem im Westen – wo Kandidaten stolz damit werben, „unabhängig“ zu sein. Heutige Kandidaten sind in der Regel ehemalige erfahrene Polizisten oder Juristen; denn natürlich sind die Anforderungen an einen modernen Polizeichef heute anders als in der Pionierzeit. Es ist heute eher ein Verwaltungsamt; die eigentliche Polizeiarbeit wird von den Deputies gemacht.
- Die älteste eigene Gesetzesbehörde der USA ist die US-Marshal-Behörde, die 1789 unter George Washington geschaffen wurde. Der US-Marshal war Beamter der Bundesjustizbehörden, der ausschliesslich Verbrechen verfolgte, die den Staat betrafen (z. B. Landfriedensbruch), und der für den Schutz der US-Post, für Transporte von Regierungsgeldern, für Staatsgefängnisse, u. ä. zuständig war. Er war Vollstreckungsbeamter des zuständigen Bundesrichters. In Territorien, die zwar unter der Regierungsgewalt der Vereinigten Staaten standen, die aber noch nicht als selbstverwaltete Staaten den USA angegliedert waren, wie es im Indianerterritorium Oklahoma der Fall war, übten US-Marshals die vollständige Polizeigewalt aus und waren sowohl Town-Marshals als auch County-Sheriffs übergeordnet. (Diese lokalen Beamten durften in Territorien nur mit Genehmigung des Gouverneurs oder Bundesrichters ernannt werden.)
Die Bewerber für das US-Marshal-Amt, wurden von den Gouverneuren der Staaten und Territorien vorgeschlagen und vom Innenminister der USA ernannt. In jedem Staat gab es nur einen US-Marshal, der im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesgericht seine Vertreter, die Deputy-US-Marshals, auswählte und ernannte. Oklahoma war das Territorium mit den meisten Deputy US Marshals. Bundesrichter Charles Isaac Parker ernannte wohl zwischen 120 und 150 Beamte.
Heute obliegt die Einstellung und Ernennung von Deputy US Marshals allein der entsprechenden Behörde und dem Heimatschutzministerium. Noch immer sind die US Marshals für die Bundesgefängnisse, die Bundesgerichte und die Vertretung von Bundesgesetzen zuständig.
In der Pionierzeit erhielten viele Deputy US Marshals keine feste Vergütung, sondern wurden nach der Vollstreckung von Haftbefehlen bezahlt oder erhielten gegebenenfalls auch die Kopfprämien, die auf gesuchte Verbrecher ausgesetzt waren. Ferner konnten sie „Meilengeld“ geltend machen, indem sie die zurückgelegten Strecken bei der Jagd auf einen Straftäter notierten. Auch Ersatz für Versorgungsausgaben war möglich. Wenn der Marshal allerdings in eine Schießerei mit dem Verfolgten geriet und ihn dabei tötete, musste er für die Beerdigungskosten aufkommen.
Heute wird ein US Marshal natürlich regulär bezahlt. Die durchschnittliche Entlohnung liegt bei ca. 97.000 Dollar im Jahr. Davon hätten die alten Marshals in der Pionierzeit, die manchmal täglich ihr Leben riskierten, nicht einmal träumen können.
- Rangers gab es nicht nur in Texas. In zahlreichen anderen Staaten wurden zeitweise eigene Staatspolizeibehörden geschaffen, die dem Vorbild der Texas Rangers folgten, beispielsweise in Arizona, Colorado, New Mexico, u. a. Sie waren meist nicht sehr langlebig.
- Heute gibt es eine weitere Vielzahl von Polizeiorganisationen in den USA, vom FBI auf Bundesebene bis zur Highway Police, der Border Patrol, den Staatspolizeibehörden, usw. Sie alle haben genau abgegrenzte Aufgaben und Kompetenzen, für Außenstehende fast unüberschaubar. Gemeinsam ist ihnen allen – sie vertreten das Gesetz; aber auch da gibt es von Bundesstaat zu Bundesstaat eigene Regeln.
Die Abzeichen dieser Beamten waren und sind vielgestaltig in Form, Grösse und Material. Man geht von bis zu 60 verschiedenen Designs aus. »Man kann heute Abzeichen von Polizeibeamten in jeder Grösse, Form und Gestalt finden. Sterne können fünf, sechs, sieben und sogar acht Zacken haben, mit oder ohne Kugelköpfe an den Spitzen. Einige Sterne sind von einem Kreis oder Kranz umgeben oder in einen Schild graviert, oder haben die Form eines Strahlenkranzes. Die Wappenform ist weit verbreitet. Verschieden wie die Muster der Abzeichen ist das Material, aus dem sie hergestellt sind. Es gibt Abzeichen aus Gold, Silber, Stahl, Kupfer, Messing, Leder, und - als niedrigste und billigste - solche aus Blech ... Eine besonders interessante Gruppe sind Abzeichen aus Münzen.« (G. E. Virgines in »BLECHSTERNE...«) »Old West Jahrbuch 1970«
Abzeichen wurden von den Städten, den Bezirken und im Staat ausgegeben, aber viele Beamte ließen sie sich auch privat fertigen. Wer solche Abzeichen sammeln will, muss sich vor Fälschungen hüten. Besonders die privat gefertigten Stücke sind extrem selten und entsprechend teuer. Aber viele von Amts wegen ausgegebene Abzeichen werden in hohen Stückzahlen als Replikate angefertigt und erhalten manchmal keine entsprechende Kennzeichnung, so dass sie nicht sofort als Imitate erkennbar sind.
{gallery}diashow/dietmar_235{/gallery}
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de