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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Pete Maxwell?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Pete Maxwell?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 21. Juni 1898 starb in New Mexico ein Mann, der kaum des Erinnerns wert wäre, wenn er nicht Augenzeuge, vielleicht sogar Teilhaber, eines dramatischen Ereignisses der Pioniergeschichte gewesen wäre: PETE MAXWELL. In seinem Haus in Fort Sumner wurde einer der bekanntesten Gesetzlosen des „Wilden Westens“ getötet: Billy the Kid. Kid war Gast in Maxwells Haus. Inzwischen steht fest, dass er ein Verhältnis mit Maxwells 16jähriger Schwester Paulita hatte. Als er getötet wurde, kam er aus ihrem Schlafzimmer.

William Bonney oder Henry Antrim oder Henry McCarty – wie immer sein richtiger Name auch lautete – war von Sheriff Pat Garrett verfolgt worden, nachdem er aus dem Gefängnis in der Stadt Lincoln ausgebrochen war und dabei zwei Deputy Sheriffs erschossen hatte. Die Hinweise sind unabweisbar, dass Maxwell selbst den Tipp an Garrett gab, dass Billy the Kid sich am 14. Juli 1881 in seinem Haus aufhalten würde. Maxwell war die Beziehung zwischen Bonney und seiner Schwester ein Dorn im Auge.

Nur mit Maxwells Hilfe konnte sich Garrett im Haus auf die Lauer legen. Der Tod Bonneys wurde ihm als heimtückische Tat angelastet. Aber Garrett tat nur seine Pflicht als Sheriff, und er wusste, dass er mit Billy einen völlig skrupellosen Killer vor sich hatte, der ihn ohne zu zögern töten würde, wenn er nicht zuerst schoss. Das war das Prinzip erfolgreicher Gesetzeshüter im amerikanischen Westen; er wartete nicht, bis der Outlaw zur Waffe griff, er feuerte sofort. Billy hielt im übrigen einen Revolver in der Hand und gab noch zwei Schüsse ab, die Garrett verfehlten.

Maxwell repräsentierte einen legendären Namen in der Geschichte New Mexicos. Sein Vater, Lucien Maxwell, war zeitweise der größte Landbesitzer des Territoriums und damit einer der reichsten Männer der Region gewesen. Seine Mutter, Ana de la Luz Beaubien, stammte aus einer alten spanisch-mexikanischen Familie. Geboren worden war Pete Maxwell am 27. April 1848 in Taos. Sein Vater war mit allen bedeutenden Menschen seiner Zeit bekannt oder befreundet, beispielsweise auch mit Kit Carson.

Lucien Maxwell hielt nicht viel von seinem Sohn; das Verhältnis zwischen ihm und Pete war immer gestört, obwohl er ihm, als er alt und krank wurde, die Verwaltung der Familien-Ranch anvertraute. Pete Maxwell bewältigte diese Aufgabe mit Fleiß und Ernsthaftigkeit und bewahrte weitgehend das Vermögen der Maxwells.

Zwar war er nie so populär wie sein extravaganter Vater, aber Pete Maxwell verstand es, wichtige Verbindungen im Territorium New Mexico zu knüpfen, so dass er mit allen wichtigen Menschen ein gutes Verhältnis bewahrte, seien es nun Großrancher wie John Chisum oder dem als korrupt bekannten Gouverneur Axtel und seinem Nachfolger, Lew Wallace.

Sein Vater Lucien Maxwell hatte 1870 für 5.000 Dollar die Reste von Fort Sumner von der US-Armee gekauft und die Verwaltung seines Landvermögens und seiner verschiedenen Geschäfte in die ehemaligen Armeegebäude verlagert. Eines der Offiziersquartiere hatte er in ein geräumiges Haus für seine Familie umbauen lassen.

Während des Lincoln County Krieges, in dem der mächtige Santa-Fe-Ring versuchte, ein Handels- und Transportmonopol aufzubauen, jeden Konkurrenten gewaltsam zu verdrängen und die kleinen Farmer zu unterdrücken, stand Maxwell eher auf der Seite der Gegner des Rings. Daher unterstützte er auch Billy the Kid, der mit seinen Regulatoren gegen die Revolvermänner von Lawrence Murphy kämpfte, und Pat Garrett, der mit Hilfe von John Chisum zum Sheriff gewählt worden war. Sowohl Garrett als auch Bonney waren zeitweise Angestellte von Maxwell.

Die Verbindungen zwischen den Beteiligten dieser Fehde, die – entgegen dem Klischee – kein Weidekrieg, sondern ein Wirtschaftskrieg war, führen teilweise bis heute zur Verbreitung der Legende, Billy the Kid und Garrett seien Freunde gewesen, und Garrett habe seinen „Freund“ verraten. Das ist reine Folklore. Die Männer kannten sich, waren aber niemals Freunde. William Bonney war ein vagabundierender Waisenjunge ohne festes Ziel im Leben. Pat Garrett war der Sohn eines einst wohlhabenden Plantagenbesitzers in Alabama, hochambitioniert, mit starken bürgerlichen Prinzipien. Die Unterschiede zwischen beiden Männern konnten nicht größer sein. Garrett wollte immer gesellschaftliche und soziale Akzeptanz, war zweimal Sheriff in verschiedenen Bezirken, versuchte, Abgeordneter im Parlament zu werden, baute zwei Ranches auf, war an verschiedenen Geschäften beteiligt, pflegte zeitweise Freundschaft zu hochrangigen Politikern, bis hin zum Präsidenten Theodore Roosevelt.

Billy the Kids volkstümliche Popularität entstand als Teil der großen Western-Legende, die viele unerklärliche Mythen enthält. Er wurde von Zeitgenossen und späteren Chronisten als Vertreter der vernachlässigten, sozial minderbemittelten Bevölkerungsschicht gesehen – was eine unzulässige Klischeebildung darstellt. Für Garrett war Billy ein Mörder, noch dazu einer, der viel zu viel über die Verbindungen innerhalb des Lincoln Countys wusste und der bereit war, darüber zu reden und damit die geschäftlichen und politischen Strukturen des Bezirks bedrohte; er musste zum Schweigen gebracht werden, wozu er selbst alle Vorwände lieferte.

Eher war Pete Maxwell eine Art „Freund“ des Kid und lockte ihn in die Falle. Nach allem, was über die Vorfälle in jener Nacht bekannt ist, war auch Maxwell in dem Schlafzimmer, als Billy eintrat und Garrett sich hinter dem Bett versteckt hatte. Mit dem Ruf „Don’t shoot me!“ (Schieß nicht auf mich!) flüchtete Maxwell aus dem Raum, und Garrett feuerte auf Billy.

Seither war Maxwells Spitzname „Don Chootme“ – eine Verballhornung seines Hilferufs. Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Billy the Kid der Vater von Paulitas Sohn Telesfor war, den sie zur Welt brachte, als sie – mehr oder weniger gezwungenermaßen – Jose Jaramillo aus einer wohlhabenden Familie heiratete. Telesfors Sohn – Billy the Kids Enkel – starb 2004. Die Ähnlichkeit mit Kid ist unübersehbar.

Pete Maxwell starb im Alter von nur 50 Jahren am 21. Juni 1898 in Fort Sumner.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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