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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Daniel D. Emmett?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Daniel D. Emmett?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der Mann, an den ich heute erinnern will, ist mit Sicherheit 99% aller Leser unbekannt. Dass ist keine Bildungslücke. Sein Name dürfte auch in Amerika weitgehend vergessen sein. Er starb am 28. Juni 1904 – vor 117 Jahren: DANIEL D. EMMETT.

Er war kein Revolvermann, kein Sheriff, kein Politiker, kein Pionier. Er war Schauspieler und Komponist. Aus seiner Feder stammte allerdings ein Song, den man mit Fug und Recht als eines der populärsten Lieder des gesamten 19. Jahrhunderts bezeichnen kann: Der DIXIE.

Dieses Lied galt als die inoffizielle „Nationalhymne“ der amerikanischen Südstaaten im Bürgerkrieg, war tatsächlich aber schon vor dem Krieg populär und hat bis heute seine Attraktivität behalten.

Daniel Emmett war Nordstaatler. Er war am 29 Februar 1815 im Knox County von Ohio geboren worden. Emmett stammte zwar aus einer angesehenen Familie – sein Großvater war Pastor, diente in der Continental-Armee Washingtons im Unabhängigkeitskrieg und war später Abgeordneter im Parlament von Ohio; sein Vater, Abraham Emmett, diente im Krieg gegen England 1812 – aber Emmett erhielt nur eine geringe formale Ausbildung und brachte sich auch das Spielen von Instrumenten selbst bei. Angeblich gab ihm seine Mutter ein wenig Hilfestellung, so dass er schließlich ganz passabel Geige spielte.

Mit 13 Jahren ging er bei einem Drucker in die Lehre, und mit 21 trat er als Trommler und Pfeifer in die US-Armee ein. Im Jahr 1853 heiratete er Catharine Rives, mit der er bis zu ihrem Tod 1875 zusammenblieb. 1879 heiratete Emmett zum zweitenmal. Beide Ehen blieben kinderlos.

Nachdem Emmett 1835 ehrenvoll aus der Armee entlassen wurde, heuerte er in Cincinnati bei einem Zirkus an, mit dem er durch Amerika tourte. Dabei trat er als Banjospieler und Sänger auf – und zwar mit schwarz gefärbtem Gesicht.

Diese sogenannten „Schwarzgesicht-Musiker“ (Blackface Musicians) waren in jener Zeit unglaublich populär. Veranstalter wollten damals die Musik der schwarzen Sklaven auf die Bühne bringen, aber natürlich nicht mit Schwarzen. Also malten sich Musiker und Schauspieler schwarz an. 1843 gründete Emmett an einem Theater in New York City die „Virginia Minstrels“. Sie gelten als die erste Blackface-Theatergruppe der USA.

Die Musiker färbten sich Gesichter und Hände schwarz und traten als Karikaturen schwarzer Menschen auf. 10 Jahre zuvor hatte bereits ein Theaterdirektor für ein Musikstück die Figur des „Jim Crow“, eines singenden und tanzenden Schwarzen, erfunden. Diese Gestalt, die im 20. Jahrhundert als Verhöhnung schwarzer Menschen diente und in der Bürgerrechtsbewegung als Symbolgestalt für die Unterdrückung Farbiger angesehen wurde, war im frühen 19. Jahrhundert ebenfalls sehr populär. Emmetts „Virginia Minstrels“ dienten als Eröffnungsakt vieler Theatershows.

Den „Dixie“ komponierte und textete Emmett vermutlich am 4. April 1859 in New York City als Schauspieler in einer anderen Minstrel-Show.

Emmett äußerte sich sein Leben lang eher abfällig über den eigenen Song; denn er war ein überzeugter Anhänger Abraham Lincolns und der Anti-Sklavereibewegung. Sein Lied wurde allerdings in den Südstaaten zum ausgesprochenen Hit. Von Emmett selbst ist überliefert: „Hätte ich gewusst, was die Südstaatler aus meinem Song machen würden, hätte ich ihn niemals geschrieben.“

Abraham Lincoln war anderer Meinung. Der „Dixie“ gehörte zu seinen Favoriten. Er sagte: „Ich war immer der Meinung, dass der Dixie eines der besten Lieder war, das ich jemals gehört habe.“

Bei Beginn des Bürgerkrieges komponierte und veröffentlichte Emmett das „Fife-and-drum-Manual“ der US-Armee.

Interessant ist der Original-Text, der die Geschichte eines schwarzen Mannes, eines ehemaligen Sklaven erzählt, der Heimweh nach seinem „Dixieland“ hat. Er hatte also einen sentimentalen Charakter. Emmett sagte immer, dass er das Lied auf Anregung eines namentlich nicht genannten Schwarzen geschrieben habe. Später behauptete die aus Ohio stammende schwarze Familie Snowden, dass einer ihrer Vorfahren der eigentliche Autor sei. Das ist inzwischen auch weithin anerkannt. Eine entsprechende Plakette befindet sich auf dem Grab von Ben und Lew Snowden.

Emmett verkaufte den Song für 300 Dollar an einen Musikverleger, der vermutlich damit ein Vermögen machte.

Die Bezeichnung „Dixieland“ für die alten Südstaaten hatte übrigens, je nach Sichtweise, zwei Interpretationen. Zum einen wurde die Grenze zwischen Pennsylvania und Maryland als „Mason-Dixon-Linie“ bezeichnet, zurückgehend auf die beiden Landvermesser, die faktisch die Grenze zwischen dem „freien Norden“ und dem sklavenhaltenden Süden festgelegt hatten. „Dixie“ wurde also manchmal als Verballhornung für Dixon gesehen. Eher wahrscheinlich ist die Grundlage für „Dixie“, dass in Louisiana teilweise lange französisch gesprochen wurde und eine große Bank in Louisiana eine 10-Dollar-Banknote herausgab, auf der „Dix“ stand – das französische Zahlwort für Zehn. Diese Banknoten waren als „Dixies“ bekannt.

1888 verabschiedete Emmett sich von der Bühne und setzte sich in Ohio zur Ruhe. Seit 1893 bezog er eine Art Pension aus der Rentenkasse der amerikanischen Schauspieler. Er starb mit 88 Jahren am 28. Juni 1904. 1970 wurde er posthum in die „Hall of Fame“ der Komponisten aufgenommen. Sein Leben wurde zu einem Musical verarbeitet.

Keines seiner anderen Lieder – er komponierte mehr als 50 – erreichte je die Berühmtheit seines „Dixie“. Es waren meist für Banjo und Fidel arrangierte Songs, die entweder auf der Bühne in Singspielen aufgeführt oder bei Tanzveranstaltungen gespielt wurden.

Hier ist ein Link zu einer Aufnahme des "Dixie" von Bob Dylan


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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