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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Butch Cassidy?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Butch Cassidy?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 13. April 1866 wurde der aus England eingewanderten Mormonenfamilie Parker in Utah ein Sohn geboren – das erste von 13 Kindern – der den Namen „Robert Leroy“ erhielt. Er sollte allerdings unter dem Namen BUTCH CASSIDY in die amerikanische Geschichte eingehen. Unter diesem Namen führte er die WILD BUNCH, die letzte Outlaw-Bande des „Wilden Westens“, die in unterschiedlichen Formationen Bank-, Straßen- und Eisenbahnräubereien verübte.Um sie ranken sich Legenden und Mythen. Vor allem das berühmte Foto, auf dem mehrere der führenden Mitglieder in eleganten Anzügen ihrer Zeit zu sehen sind, führte dazu, daß sie als „Gentlemen-Banditen“ ins kollektive Gedächtnis eingegangen sind. Tatsächlich kann man einige Überfälle dieser Kategorie zuordnen, aber diese Männer waren natürlich Verbrecher, die Menschen beraubten und auch töteten.

Robert wuchs auf der elterlichen Ranch bei Circleville im halbwüstenartigen Süden von Utah auf. 1884 war er in Colorado in Pferdediebstähle verwickelt. Er arbeitete als Cowboy und nahm mit seinem Freund Matt Warner an Pferderennen teil.

Am 24. Juni 1889 überfielen er, Warner und weitere Kumpane die Bank von Telluride. Mit großer Beute flüchteten sie ins südliche Utah. Im folgenden Jahr kaufte Parker, der sich nach einem Onkel inzwischen „Cassidy“ nannte, eine kleine Ranch in der zerklüfteten „Hole-in-the-Wall“-Region von Wyoming. Dieses noch heute schwer zugängliche Gebiet sollte in den kommenden Jahren das Versteck aller Banditen werden, die sich zeitweise der Wild Bunch anschlossen. Die Ranch Cassidys diente auch als bürgerliche Tarnung. 1894 wurde er wegen Pferdediebstahls verhaftet und saß 18 Monate im Territoriumsgefängnis von Laramie. Danach sammelte er eine Gruppe von Outlaws um sich, darunter Harry Longabaugh (als „Sundance Kid“ bekannt), Ben Kilpatrick, William E. Lay, Harvey Logan (genannt Kid Curry), Harry Tracy. Das war der Kern der „Wild Bunch“. Dazu stießen immer wieder andere Outlaws, die aber nur gelegentlich im Versteck Cassidys Unterschlupf fanden, wie etwa „Black Jack“ Ketchum, Bob Meeks, u. a. Außerdem gesellten sich die Freundinnen einiger Männer zu ihnen.

Am 13. August 1896 überfiel Cassidy mit Lay, Logan und Meeks die kleine Bank von Montpelier in Idaho und raubte ca. 7.000 Dollar. Im April 1897 überfiel die Bande den Geldtransport der „Pleasant Valley Coal Company“ mit den monatlichen Löhnen in Utah. Im Juni 1899 raubten sie die Passagiere eines Zugs in der Nähe von Wilcox, Wyoming, aus.

Danach setzte sich die berühmte Pinkerton-Detektivagentur, die für die meisten großen Eisenbahngesellschaften arbeitete, auf ihre Fährte.

Am 11. Jui 1899 überfiel Cassidy eine Eisenbahn bei Folsom (New Mexico). In der anschließenden Schießerei tötete Lay die Sheriffs Edward Farr und Henry Love. Lay wurde gefaßt und landete hinter Gittern. Die anderen entkamen.

Die Wild Bunch war wohl die erfolgreichste Räuberbande des ausklingenden „Wilden Westens“. Ihre Beute betrug nach heutiger Kaufkraft mehrere Millionen Dollar. Die Taktik, mit der Butch Cassidy vorging, war immer gleich: Überraschend und schnell zuschlagen und sich dann sofort trennen. Die Banditen machten es den Aufgeboten daher sehr schwer, ihnen zu folgen. Nach Tagen oder Wochen trafen sie sich dann in ihrem Hole-In-The-Wall-Versteck oder in einem Bordell in San Antonio (Texas).

Im Jahr 1900 hatte Cassidy offenbar genug von der Existenz als Outlaw. Er bat den Gouverneur von Utah um Amnestie. Der Gouverneur erklärte ihm, daß zunächst alle Anzeigen der Banken und Bahngesellschaften zurückgezogen werden müßten. Cassidy versprach, mit der Leitung der Union Pacific Kontakt aufzunehmen – aber am 29. August 1900 überfiel er mit mehreren Kumpanen einen Zug in der Nähe von Tipton, Wyoming. Damit waren alle Chancen auf eine Amnestie vertan.

Die Jagd auf die Bande wurde intensiviert. Mehrere der Mitglieder wurden von Polizisten und Detektiven aufgespürt, verhaftet oder erschossen. George Curry wurde im April 1900 von zwei Sheriffs in Utah getötet. Einen Monat später erschoß Kid Curry die beiden Beamten.

Etwa um dieselbe Zeit, entstand das berühmte Wild-Bunch-Foto in Fort Worth (Texas). Das war vermutlich ein Fehler; denn die Pinkerton-Agentur verschaffte sich einen Abzug dieses Bildes und benutzte es für ihre Steckbriefe.

Am 3. Juli 1901 überfiel die Wild Bunch einen Zug der „Great Northern“ in Montana. Sofort wurde ein Aufgebot zusammengestellt, das einen der Banditen aufspürte und tötete. Ben Kilpatrick wurde zusammen mit Laura Bullion in Tennessee gestellt. Kid Curry entging der Verhaftung erneut, indem er im Dezember 1901 zwei weitere Polizisten niederschoß.

Die Bande löste sich auf. Cassidy und Longabaugh flüchteten nach New York und bestiegen ein Schiff nach Argentinien. Geld besaßen sie aus dem letzten Überfall genug. Sie kauften eine riesige Ranch am Fuße der Anden.

Ab jetzt vermischen sich Fakten, Legenden und Mythen. Dazu beigetragen haben auch die Geschichten, die seitens der Pinkerton-Agentur verbreitet wurden. Robert Pinkerton hatte die Wild Bunch gnadenlos gejagt, ohne dabei große Erfolge zu erzielen. Er war es seinem Ruf schuldig, die Banditen unschädlich zu machen. Die Verträge mit den großen Eisenbahngesellschaften standen auf dem Spiel. Es genügte ihm nicht, zu wissen, daß die führenden Köpfe nach Südamerika verschwunden waren. Er wollte seiner Agentur die ausgeschriebenen Belohnungen und den Ruhm sichern. Daher schickte er seine Detektive nach Argentinien und Bolivien.

Am 14. Februar 1905 überfielen zwei englischsprechende Banditen eine Bank in Rio Gallegos. Cassidy und Longabaugh gerieten in Verdacht. Sie verkauften ihre Ranch und tauchten unter. Am 19. Dezember beraubten sie die argentinische Nationalbank und flüchteten nach Chile.

Zeitweise arbeiteten sie unter falschen Namen in einer Zinnmine in Bolivien. Am 3. November 1908 raubten hier zwei maskierte Banditen die Lohngelder einer Silbermine bei San Vincente. Ob es sich wirklich um Cassidy und Longabaugh handelte, ist bis heute spekulativ.

Bolivianische Soldaten umzingelten die Pension, in der die beiden Männer abgestiegen waren. Nach einer heftigen Schießerei wurden zwei Leichen mit mehreren Schußwunden gefunden.

Die Namen beider Männer waren unbekannt. Pinkerton-Agenten identifizierten sie als Cassidy und Longabaugh – aber daran sind erhebliche Zweifel angebracht.

1991 kam es zu einer Exhumierung und einer DNA-Untersuchung. Das Vergleichsmaterial, das Nachkommen der Banditen zur Verfügung gestellt hatten, bewies, daß die beiden Toten NICHT Butch Cassidy und Sundance Kid waren.

Wo also waren sie geblieben?

Schon in den 1920er Jahren kamen Gerüchte auf, daß beide Männer Südamerika unversehrt verlassen hatten und in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Nicht unmöglich. Wyoming ist noch heute ein ziemlich menschenleeres Gebiet. Es war schon damals ideal zum Untertauchen. Bewohner seiner Geburtsstadt Circleville in Utah erzählten, daß sie Cassidy bei Besuchen seiner Geschwister gesehen hätten. Dies wurde von einer seiner Schwestern, Lula Parker Betenson, bestätigt. Nach ihrer Aussage starb Butch Cassidy unter falschem Namen 1937 in Idaho und wurde nach dem Willen der Familie in einem namenlosen Grab bestattet.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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