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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Schlacht am Warbonnet Creek?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Schlacht am Warbonnet Creek?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: “Der erste Skalp für Custer“ ist wohl einer der berühmtesten Aussprüche der Pionierzeit. Er stammte von keinem Geringeren als William „Buffalo Bill“ Cody, der in einem dramatischen Zweikampf den Cheyenne-Krieger „Yellow Hand“ (oft auch „Yellow Hair“) besiegte und den angeblichen Skalp des Mannes noch Jahre später in seiner Wild-West-Show öffentlich ausstellte.

Das ist die Legende. Hört sich gut an, aber ganz so war es nicht. Genaugenommen stimmt fast nichts an dieser Geschichte.

Die Episode wird als sogenannte „Schlacht am Warbonnet Creek“ in Nebraska vermittelt. Sie fand am 17. Juli 1876 statt und beruhte tatsächlich auf einer maßlosen Übertreibung.

In Wirklichkeit konnte von einer „Schlacht“ gar keine Rede sein. Es war weniger als ein Scharmützel zwischen der 5. US-Kavallerie und ein paar Cheyenne, die sofort die Flucht ergriffen.

Die 5. US-Kavallerie hatte Ende Juni, nach Little Bighorn, unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Eugene Carr mehrere Spähtruppunternehmungen von Fort Laramie aus in der Gegend zwischen dem Cheyenne River und dem Niobrara durchgeführt. Zur allgemeinen Enttäuschung hatten die Soldaten keinen einzigen Indianer zu Gesicht bekommen. Keine Indianer, kein Ruhm, keine Vergeltung für Little Bighorn.

Am 1. Juli übernahm Colonel Wesley Merritt das Kommando des Regiments. Er sollte sich mit General Crook am Tongue River treffen. Aber inzwischen trafen Nachrichten ein, wonach 800 Cheyenne die „Red Cloud Agentur“ bei Fort Robinson verlassen hätten. Gerüchte besagten, dass diese Indianer sich mit den Lakota und Cheyenne vereinigen wollten, die am Little Bighorn die 7. Kavallerie besiegt hatten.

Statt sich auf den Weg zum Tongue River zu machen, marschierte Merritt mit seinem Regiment – das zu dieser Zeit nur 346 Soldaten und einige Scouts stark war – zum Hat Creek im Nordwesten von Nebraska.

Auch die Nachrichten entsprachen nicht den Tatsachen. Die Lage war wegen der katastrophalen Niederlage am Little Bighorn angespannt, so dass im Militär die Nervosität groß war. Tatsächlich hatten nicht mehr als ungefähr 100 Cheyenne unter Führung von Little Wolf die Reservation verlassen. Der Häuptling hatte ein Dutzend Krieger als Vorhut und Späher vorausgeschickt. Diese Krieger entdeckten die Versorgungsfahrzeuge der 5. Kavallerie und überlegten, diese anzugreifen. Sie wussten nicht, dass Colonel Merritt sie bereits bemerkt hatte und erwartete und sich in den Ufergehölzen des Hat Creek versteckt hielt. Hinter einer Hügelkette über dem Fluss lagen die Kompanien B, I und K.

Die Cheyenne griffen den Wagenzug an. In diesem Moment gab Captain Charles King seiner Kompanie K den Angriffsbefehl. Die Reiter brachen hinter den Hügeln hervor. Den Soldaten voraus preschten einige Scouts, darunter der 30jährige William Cody, der „Chief of Scouts“. Er galoppierte nahe an Yellow Hand heran und schoss ihn mit seiner Winchester vom Pferderücken. Er sprang aus dem Sattel, setzte dem toten Krieger einen Fuß in den Nacken und schnitt ihm den Skalp ab.

Yellow Hand war der einzige Indianer, der bei diesem Zusammenstoß getötet wurde. Die anderen drehten sofort ab und flüchteten zurück zu Little Wolfs Gruppe. Merritt verfolgte die Krieger ein kurzes Stück, kam ihnen aber niemals nahe genug, um gezielte Schüsse abgeben zu können. Keiner der Soldaten trug auch nur einen Kratzer davon. Dass aus diesem nachrangigen „Gefecht“ eine „Schlacht am Warbonnet Creek“ wurde, hing wohl mit dem moralischen Zustand der Armee in jener Zeit zusammen,. Jeder noch so kleine Erfolg wurde nach der Niederlage am Little Bighorn zur Staatsaffäre aufgeblasen.

Im Oktober wurde William Cody wieder von einem Theater engagiert. Auf der Bühne wurde eine Art „Reenactment“ seines „Zweikampfes“ mit Yellow Hand aufgeführt. In seiner später international tourenden großen Show wurde die Federhaube von Yellow Hand (er trug gar keine) und sein Skalp gezeigt, und es existiert eine frühe Stummfilm-Sequenz mit Cody, in der er sich einen „Zweikampf“ mit einem Indianer liefert, diesen niedersticht und skalpiert. Auch in der Show-Arena wurde ein solcher Kampf simuliert. Die Wirklichkeit war eher unspektakulär und kaum der Rede wert.

Kleine Ergänzung: Jener Captain Charles King, der die Cheyenne attackierte, schrieb später die Drehbücher für einige der kurzen Stummfilme, in denen“ Buffalo Bill“ Cody auftrat.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die aktuelle Ausgabe

 

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