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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der indianischen Zeichensprache?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der indianischen Zeichensprache?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Nichts ist wichtiger als menschliche Kommunikation. Auch wenn die Menschheit im Laufe der Geschichte immer wieder gegeneinander gekämpft hat – ständige Kommunikation hat vermutlich verhindert, dass sie sich gegenseitig völlig vernichtet hat.

Im September 1930 fand in den USA eine einzigartige Konferenz bzgl. indianischer Zeichensprache statt.

Miteinander reden ist immer besser als gegeneinander Krieg zu führen. In Nordamerika existierten über 300 Indianersprachen. Wohlgemerkt: SPRACHEN, nicht „Dialekte“, wie fälschlich manchmal immer noch gesagt wird. Die verschiedenen Indianerkulturen hatten ihre eigenen Sprachen, die einander meist völlig fremd waren. Indianer des Südwestens konnten sich mit jenen der Plains nicht verständigen, und das östliche Waldland trennte sprachlich eine ganze Welt von den Pueblos oder der Pacific-Küste. Selbst Völker, die aus Gründen der wissenschaftlichen Ordnungssysteme bestimmten Sprachgruppen zugeordnet werden, konnten sich untereinander oft nur schwer unterhalten.

Dann kam der weiße Mann, und auch diese frühen Kolonisten hatten Schwierigkeiten, sich untereinander zu verständigen. Als der große Pelzhandel begann, das erste Multimillionen-Dollar-Geschäft der Neuen Welt, gab es sprachlich überhaupt keine Basis. Zu den vielen Eingeborenensprachen gesellten sich jetzt so gut wie alle Sprachen Europas. Neben Englisch waren dies vor allem Französisch, Spanisch, Niederländisch, Italienisch, Russisch, usw.

Die Pelzhandelsposten in Kanada und im amerikanischen Westen vereinigten ein großes Völkergemisch mit einer babylonischen Sprachvielfalt.

Die gemeinsamen Handelsinteressen zwangen diese Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund zusammen, und sie mussten kommunizieren, verhandeln, Geschäfte abschließen, Abmachungen treffen.

Der Pelzhandel brachte zeitweise eine eigene Sprache hervor, eine Kunstsprache, die aus gerade einmal gut 100 Wörtern bestand, das „Bungi“ oder „Bungee“. Das reichte, um miteinander auszukommen. Diese Sprache entstand in der Red River Colony der Metis, einem Mischvolk aus Indianern und weißen Pelzhändlern. Es gab einmal fast 5.000 Bungee-Sprecher. Nur noch wenige Menschen beherrschen heute diese Sprache.

Aber weitaus älter als das „Bungee“ war eine Kommunikation ohne Worte, eine Methode, mit der sich die Indianervölker Nordamerikas lange bevor der weiße Mann aufgetaucht war, perfekt verständigt hatten, die ZEICHENSPRACHE.

Zeichensprache war universell und in ganz Nordamerika verbreitet. Wer im Indianerland unterwegs war, musste diese „wortlose Verständigung“ – auch „Hand Talk“ genannt - beherrschen, um zu überleben. Für jedes Wort, für jede Gefühlsregung, für Krieg und Frieden, für emotionale Äußerungen, Hass oder Zuneigung, gab es Zeichen. Es gab Gesten, die jeder verstand. Vollständige Unterhaltungen, nicht nur praktischer Natur, sondern jede Lebenssituation beschreibend, fanden nur mit Handzeichen statt, und das so perfekt, dass es bei den Konversationen keine Missverständnisse gab. Wenn man heute die Kommunikation von zwei oder mehr Menschen beobachtet, die ausschließlich in Zeichensprache stattfindet, erscheint es kaum fassbar, wie schnell und sicher Menschen sich gegenseitig verstehen, die nur mit Händen und Gesichtsausdruck „sprechen“. (Auf dieser alten Zeichensprache basiert auch die moderne Kommunikation in Taubstummensprache – zu beobachten bei Gebärden-Dolmetschern, die die öffentlichen Reden von Politikern oder anderen Amtsträgern simultan „übersetzen“.)

Die Zeichensprache stand einmal kurz vor dem Aussterben. Zu ihren „Rettern“ gehörte der amerikanische General Hugh L. Scott, der der Überzeugung war, dass die indianischen Kulturen – und damit auch die Zeichensprache – aussterben würden. Dieser Ansicht waren auch viele andere Menschen seiner Zeit. Um 1900 sprach man von einer „Vanishing Race“, wenn es um Indianer ging, einer „verschwindende Rasse“. Diese Prophezeiung hat sich glücklicherweise als fundamentaler Irrtum herausgestellt. Aber Scott wollte zumindest bestimmte Kulturelemente erhalten. Ihm gelang es, amerikanische Behörden zu überzeugen, finanzielle Mittel zum Erhalt der Zeichensprache bereitzustellen. Er besuchte viele indianische Völker und ermutigte die letzten Könner dieser Kommunikationsform, ihr Wissen weiterzugeben. Er erlernte selbst die Zeichensprache perfekt und organisierte, sogar mit Hilfe des amerikanischen Kongresses, vom 4. bis 6. September 1930 – vor 91 Jahren – ein dreitägiges „Indian Sign Language Council“ in Browning, Montana, das von den Blackfeet ausgerichtet wurde. Hier trafen sich Häuptlinge und Stammesälteste, Medizinmänner und hervorragende Krieger aller Völlker der nordwestlichen Plains, um eine Friedensverhandlung „ohne Worte“ durchzuführen. Dieses Treffen wurde gefilmt und stellt heute ein unschätzbar wertvolles Dokument indianischer Kultur dar. Man sieht berühmte Häuptlinge, wie etwa den Blackfeet Mountain Chief.

An dieses einmalige Treffen erinnert heute ein Monument vor dem MUSEUM OF THE PLAINS INDIAN, in dem alle Teilnehmer ihre Fussabddrücke in Zement hinterlassen haben.

Nächste Woche werde ich einen Bericht über den Organisator dieser Konferenz posten.

Indian Sign Language Council von 1930

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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