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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Jack Daniel?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Jack Daniel?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 9. Oktober 1911 starb ein Mann, dessen Name heute weltbekannt ist: JACK DANIEL. Dieses Datum ist sicher. Um seine Geburt rankt sich dagegen ein Geheimnis. In jedem September eines Jahres findet in seinem Heimatort, der kleinen Stadt Lynchburg in Tennessee, ein großes Fest statt, dass seinen Geburtstag zelebriert, der angeblich im September 1850 war. Das ist eine Legende; denn Jacks Mutter starb nachweislich schon im Januar 1847. Es wäre mehr als erstaunlich, wenn sie drei Jahre nach ihrem Tod einen Sohn zur Welt gebracht hätte. Die Geschichtsschreibung geht daher davon aus, dass Jasper Newton Daniel – das war Jacks richtiger Name – im September 1846 zur Welt kam, also vor 175 Jahren. Er war das jüngste von 10 Kindern der Familie. Alle 10 Kinder erreichten das Erwachsenenalter, was in dieser Zeit keineswegs selbstverständlich war.

Lynchburg war damals eine der kleinsten Städte von Tennessee. Sie liegt in den Ausläufern der Cumberland Mountains, etwa 70 Meilen südöstlich des weltbekannten Nashville. Es gibt bis heute nur 365 Einwohner. Die Jack-Daniels-Brennerei beschäftigt mehr Menschen als Einwohner von Lynchburg. In dem Städtchen entsteht seit Ende des Bürgerkrieges eine der bekanntesten Whiskey-Marken der Welt.

Die Tatsache, dass die Whiskey-Brennereien in den USA großteils in Tennessee und Kentucky liegen, ist in der Whiskey-Steuer der ersten Regierung unter Washington begründet; die meisten Brenner waren ursprünglich in Western-Pennsylvania und Virginia beheimatet. Sie zogen sich aus diesen Bundesstaaten in die Wildnis zurück, um den Alkohol- und Steuergesetzen zu entgehen.

Im Alter von 12 Jahren arbeitete Jack für Dan Call, der eine Distillerie besaß. Kurz nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg kaufte Jack Daniel die Destille von Dan Call, sowie das Land rings um den Brunnen, der die Brennerei versorgte.

Die Vorfahren von Jack Daniel waren Abkömmlinge von Schotten, Iren und Walisern. Seine Großeltern waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Nordamerika eingewandert.

Die Unsicherheit bezüglich Jacks Geburtstag hat seinen Grund darin, dass das Gerichtshaus von Lynchburg im 19. Jahrhundert mit allen Akten niederbrannte. Sein Vater heiratete nur kurz nach dem Tod der Mutter erneut – das war üblich in jener Zeit. Ehen wurden aus rationalen Gründen geschlossen. Wie hätte er allein die Kinder großziehen und sich um seine Farm kümmern können? Jack wuchs daher unter der Obhut seiner Stiefmutter auf.

Er erhielt eine marginale schulische Ausbildung in der lokalen Baptist Church. Bevor er Dan Call die Brennerei und das Land abkaufte, hatte er alles gelernt, was zur Herstellung von Whiskey nötig war. Aber das größte Kapital seines Whiskeys war die Quelle, die ihn mit sehr weichem Wasser versorgte. Dan Call wird von manchen Chronisten als der Lehrer von Jack Daniel genannt, Allerdings konnte die „New York Times“ 2016 dokumentieren – und das wird von der Firma heute auch so bestätigt – dass der eigentliche Lehrer von Jack Nathan „Nearest“ Green war, einer von Dan Calls schwarzen Sklaven. Das ist auch logisch; denn Call war nebenbei auch noch Prediger, zog viel herum und überließ die Arbeit in der Brennerei Jack und seinen Sklaven. Die Nachkommen von Nathan Green eröffneten übrigens eine eigene Destille, „Uncle Nearest Premium Whiskey“ – heute ist diese Brennerei ein Teil der „Jack Daniel’s Company“.

Die heutige Firma „Jack Daniel’s“ behauptet, dass Jack die Lizenz zur Herstellung von Alkohol bereits 1866 erhielt. Sein Biograph Peter Krass weisst allerdings in dem Buch „Blood & Whiskey“ nach, dass er seine Destillerie nicht vor 1875 eröffnete.

Der charakteristische Geschmack und die Weichheit von Jack Daniel’s Whiskey kommt zum einen vom eigenen Brunnen und zum anderen von der Holzkohle, die aus Zuckerahorn hergestellt wurde und wird und durch die der Whiskey gefiltert wird. Heute verkauft die Firma Jack Daniels die Holzkohle aus diesen Filtern sackweise alls Grillkohle. Der Geruch dieser Filterkohle durchzieht ganz Lynchburg.

Jack Daniel heiratete nie. Er hatte keine Kinder. Als er älter wurde, holte er einige seiner Neffen in die Brennerei und lehrte sie die Kunst der Whiskey-Herstellung. Einer davon war Lem Motlow, einer der Söhne von Jacks Schwester. Er hatte das größte Talent zum Geschäftsmann und arbeitete zunächst als Buchhalter, dann als Direktor der Firma.

1907 wurde Jack Daniel zunehmend schwächer und immer wieder von Krankheiten heimgesucht. Er übergab daher seine Brennerei Lem Moltow und einem weiteren seiner Neffen. Er selbst starb am 9. Oktober 1911 an Blutvergiftung, für die er zum Teil selbst verantwortlich war. Die Legende besagt, dass er die Zahlenkombination seines Tresors vergessen hatte und dem Tresor wutschnaubend einen Tritt versetzte, wobei er sich einige Zehen brach.

In der erwähnten Biografie von Jack Daniels wird diese Geschichte allerdings in Zweifel gezogen. Unzweifelhaft ist aber, dass er sich Wundbrand und eine folgende Blutvergiftung zuzog, nur der tatsächliche Grund ist spekulativ. Angeblich gab er Lem Motlow auf dem Sterbebett die Anweisung. 1850 als Geburtsjahr auf seinen Grabstein zu schreiben, obwohl dieses Jahr nachweislich falsch ist. Aber Jack Daniel war immer sehr eitel und wollte sich jünger machen als er war. Sein Leben lang achtet er peinlich auf seine äußere Erscheinung. Nie sah man ihn in der Kleidung eines Arbeiters. Er trug stets einen Gehrock und einen maßgefertigten Hut. Als sein Bart und sein Haar grau wurden, ließ er beides regelmäßig schwarz färben. Er war ein körperlich kleiner, sehr drahtiger Mann, der sich mit hohen Absätzen größer machte. Jeder, der ihn kannte, pries allerdings seinen unermüdlichen Fleiß, seine Geschäftstüchtigkeit und seine Energie, mit der er andere begeistern und mitreißen konnte.

Jack Daniel erlebte es nicht mehr mit, dass seine Firma – so wie alle Brennereien und Brauereien – 1920 durch das Prohibitionsgesetz lahmgelegt wurde, mit dem die Herstellung und der Verkauf von Alkohol in den USA strikt verboten wurden. Dieses Gesetz wurde 1933 wieder aufgehoben, und Lem Motlow baute mit Geschick die Destille wieder auf. Aber auch sein Leben war von einigen spektakulären Zwischenfällen begleitet. 1923 hatte er einen finanzstarken Partner namens Don Robinson aus St. Louis in die Firma aufgenommen. Kurz darauf wurden beide wegen Schwarzbrennerei angeklagt. Als Motlow von St. Louiis nach Lynchburg zurückfuhr, erschoss er einen Eisenbahnschaffner. Der Grund ist nicht eindeutig überliefert. Eine Anklage wegen Mordes folgte. Die Prozesse zogen sich Jahre hin. Am Ende wurde Motlow nicht nur vollständig freigesprochen, er wurde 1931 zum Abgeordneten des Parlaments von Tennessee gewählt. Als er 1947 starb, war Jack Daniel’s einer der weltgrößten Whiskey-Hersteller und ist es bis heute geblieben.

Originellerweise ist der Regierungsbezirk rings um Lynchburg bis zum heutigen Tag „trocken“, wie man in den USA sagt: Hier gilt die Prohibition noch immer. Das trifft auf 95% der Regierungsbezirke (Counties) von Tennessee zu. Man kann die Jack Daniel Destille besuchen und darf hier Whiskey kaufen und sogar verkosten. Wer das Gelände der Firma aber verläßt, darf keinen Tropfen Alkohol mehr genießen. Das wäre strafbar. In der Gemeinde gibt es keinen Saloon. Kein Restaurant schenkt Alkohol aus. Das hat der Firma allerdings nie geschadet. Der Verkauf von Whiskey auf dem Firmengelände wächst von Jahr zu Jahr.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2021Die aktuelle Ausgabe

 

Kommentare  

#1 Cartwing 2021-11-15 21:20
Ich bin kein Whiskey - Trinker, aber nichtsdestotrotz:
Hochinteressant...

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