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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Fort Atkinson?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Fort Atkinson?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 17. September 1819 wurde der erste amerikanische Armeeposten westlich des Missouri River gegründet: Fort Atkinson. Heute ist dieses Areal ein Teil des Staates Nebraska, damals gehörte das Gebiet zum Louisiana-Territorium, das von Präsident Thomas Jefferson von Frankreich gekauft worden war und die Landfläche der Vereinigten Staaten mit einem Schlag verdoppelte.
Die heutige „Historische Gesellschaft von Nebraska“ bezeichnet das Fort als die erste Siedlung des Staates, weshalb der Ort unter Denkmalschutz steht. In den 1980er Jahren begann der Bau einer Replika.

Tatsächlich war Fort Atkinson nie eine exklusive Militärsiedlung. Hier sammelten sich neben den Soldaten Pelzhändler, Trapper, Frachtfuhrunternehmer, erste Siedler. Zeitweise lebten hier über 1.000 Menschen. In unmittelbarer Umgebung wurde eine Sägemühle betrieben, eine Getreidemühle, ein Steinbruch, eine Ziegelei, eine Köhlerei, eine Tischlerei und eine Küferei.

Der Name stammte von Colonel Henry Atkinson, der zusammen mit Major Stephen H. Long den Auftrag hatte, eine Kette Militärposten zu konstruieren. Die beiden Offiziere erreichten die Region mit einem kleinen Schaufelraddampfer. Es ging darum, erste Pflöcke für den Besitzanspruch der USA in diesem Wildnisgebiet einzuschlagen. Das Gebiet als solches war als „Council Bluffs“ bekannt, weil sich hier immer wieder verschiedene Indianergruppen, sowie weiße Händler und Indianer getroffen hatten, um Vereinbarungen auszuhandeln. (Es gab mehrere Plätze mit diesem Namen. Der bekannteste dieser Treffpunkte erhielt seinen Namen 20 Meilen weiter südlich, als sich hier 1804 die Expedition von Lewis & Clark mit Oto, Osage und Missouria Indianern trafen, um erste Friedensverträge auszuhandeln. Die Expedition errichtete zu dieser Zeit einen Armeeposten in der Nähe, um ein Winterquartier zu haben. Die wackligen Palisaden verfielen, als die Männer weiterzogen.

15 Jahre später tauchte die Armee unter Colonel Atkinson auf und suchte nach einem geeigneten Platz für ein Fort. Präsident James Monroe wollte die Region sichern und ein Zeichen der Stärke setzen, um die hier lebenden Indianervölker davon abzuhalten, Pelzhandelsexpeditionen anzugreifen oder zu bedrohen. Es gab zu dieser Zeit bereits Handelsniederlassungen von Manuel Lisa, William Ashley und anderen Mountain Men in diesem Gebiet und am Oberen Missouri. Diese Männer verlangten den Schutz der Armee.

Auf den Klippen über dem Missouri entstanden die ersten Palisaden und wurden zunächst „Fort Calhoun“ genannt, nach dem damaligen Kriegsminister. 1820 wurde der Posten in „Fort Atkinson“ umbenannt. Das Leben war primitiv und hart für die Soldaten. Viele erkrankten an Skorbut, weil sie schlecht ernährt waren und weder Früchte noch Gemüse erhielten.

Nur einmal wurde die Besatzung in einen Feldzug verwickelt. 1823 zogen Einheiten aus Fort Atkinson den Fluss aufwärts, weil die Pelzhandelsbrigade von William Ashley von Arikara-Indianern angegriffen worden war. Es kam zum ersten „Indianerkrieg“ – diese Bezeichnung ist eigentlich eine Übertreibung, Es war kaum mehr als ein größeres Scharmützel, das allerdings mit großer Härte ausgefochten wurde. Der Angriff auf 2 Arikara-Dörfer oberhalb der Mündung des Grand River in den Missouri erfolgte am 9. August 1823 durch 220 – 230 Mann der 6. US-Infanterie unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Henry Leavenworth. Begleitet wurde die Armee von ca. 50 Mountain Men der „Missouri Fur Company“ unter Führung von Joshua Pilcher, sowie einigen Trappern William Ashleys („Rocky Mountain Fur Company“, zu denen Männer wie Jim Bridger, Thomas Fitzpatrick, Hugh Glass und Jedidiah Smith gehörten. Sie wurden unterstützt durch ca. 750 berittene Krieger der Blackfoot-Sioux (Sihasapa), Hunkpapa und Yanktonai unter Führung von Häuptling Feuerherz. Es war der erste militärische Zusammenstoß in dieser Region.

Bei dem Angriff wurde ein Soldat tödlich getroffen. 7 weitere Soldaten ertranken, als ihr Kielbot mit einem treibenden Baumstamm zusammenstieß und umkippte. Gleichwohl wurden sie in den Armeeberichten als „erste US-Soldaten“ verzeichnet, „die Opfer des ersten Indianerkrieges auf den Great Plains“ wurden. Vorausgegangen war ein Zusammentreffen zwischen Arikara-Kriegern und der Ashley Trapperbrigade, bei dem 2 Indianer getötet wurden, so dass der Angriff der Arikara als Racheakt zu sehen war. Spekulationen gehen allerdings dahin, dass diese Vorfälle von Joshua Pilcher organisiert worden waren, um die konkurrierende Ashley-Company zu schädigen und den dann folgenden Krieg zu provozieren, womit zugleich die indianischen Bewohner des Gebiets verjagt werden sollten.

1825 kam es zum Vertrag von Fort Atkinson („Atkinson & O’Fallon TradeTreaty“), bei dem der berühmte Pawnee-Häuptling Petalesharo im Fort erschien. (Er starb 11 Jahre später in einem Kampf mit Cheyenne.) Dieser Handelsvertrag wurde auch von zwei damals bedeutenden Arikara-Häuptlingen „Bad Bear“ und „Little Bear“ unterzeichnet.

1827 wurde Fort Atkinson verlassen. Die Armee zog ab und wurde nach Fort Leavenworth verlagert.

Ab 1846 sammelten sich Mormonengruppen, die aus Illinois und Missouri vertrieben worden waren, nördlich von Omaha. Sie hatten mit nur wenig mehr, was sie auf dem Leibe trugen, ihre Heimstätten verlassen müssen. Und litten Hunger. In den Ruinen des alten Forts fanden sie noch Lebensmittel, mit denen sie sich über den Winter retteten, bevor sie sich auf den Weg nach Westen zum Großen Salzsee machten.
Wenige Jahre später, als die großen Oregon-Trecks sich hier sammelten, gab es so gut wie keine Überbleibsel von dem alten Fort.

Fort Atkinson geriet beinahe in Vergessenheit. Erst in den 1950er Jahren gab es archäologische Untersuchungen in der Region, mit denen die Fundamente von Fort Atkinson entdeckt wurden. Da die Historische Gesellschaft die Bedeutung dieses Siedlungsplatzes inzwischen anerkannt hatte, wurden die Untersuchungen ab 1963 verstärkt, und von 1980 bis 1990 begann eine Rekonstruktion des Postens. Das Fort ist heute u. a. Schauplatz von Reenactments. Immerhin amtierte hier eine bundesstaatliche Indianeragentur. Ferner versammeln sich hier die Traditionseinheiten der 6. US-Infanterie und des 1. Regiments der US Riflemen


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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