Die Guten-die weniger Guten und die Bösen - Sozialtherapie beim Perry
Die Guten-die weniger Guten und die Bösen
Sozialtherapie beim Perry
Zunehmend, aber eigentlich auch marginal von beginn der Serie an, spielt der Zeitgeist mit in den Rahmen der Erzählung hinein.Dabei meine ich jetzt nicht die bewusste Hineinnnahme und nur leichte SF-Verfremdung aktueller Tagesgeschehnisse, wie etwa gern von Leo Lukas, dem ironischen Österreicher praktiziert, sondern vielmehr die unbewusste Darstellung verändert wer sozialer oder ethischer werte, die einfach durch äußerer Erziehungs-Lern-oder neue Verhaltens-und Denkprozesse in die Exposés geraten mag. Auch die Entwerfer von Ideen lassen sich durch äußere Rahmenbedingungen zwar bewusst aber eben auch unbewusst beeinflussen. Und der „Böse“ ist nicht mehr modern. Modern hingegen ist der Gegner, dessen innere Zwänge der Zerrissenheit man erkennt, weil er selbst ein Getriebener ist (das ganze Volk betreffend, etwa aktuell die Cairaner).Dieser Gegner muss also nicht einfach bekämpft werden, sondern natürlich in seinen Nöten erst einmal verstanden und dann wird ihm vielleicht sogar geholfen, wenn er sich als kooperativ und einsichtig mit den Terranern zeigt (was im Moment bei den Cairanern sicher nicht der Fall ist). Aber punktuell ist Zusammenarbeit möglich, denn selbst derartige Gegner sind sich nicht einig in ihrer Gesamtheit.
Nun ist es die Frage, ob eine solche Konstellation der Serie als Action-Abenteuer auf der trivial erzählten, wöchentlichen Ebene der Paraliteratur gut tut.Sicher hat sich das klassische Gut-Böse-Schema der 60er Jahre als obsolet ausgereizt, das mit dem Despot von Topsid und dem Robotregenten von Arkon begann und über die natürlich machthungrigen und skrupellosenMDI bis zu den von Voltz immerhin bereits leicht modifizierten Uleb und Zweitkonditionierten führte.Auch später in den Erweiterungen wurden zunächst Zwänge des gegners nicht erkannt oder erst später thematisiert, etwa, wenn die schwarze InvasionsFlotte der Hulkoos als gegner der natürlich „guten“ Kaiserin von Therm durch den träumenden und traumatisierten Bardioc erklärt wird.Was zunächst als Böse erkannt wird, weil es gegen die eigenen, elementaren LebensinteressenRhodans und der terranischen Menschheit gerichtet ist, wird später dann verwässert durch äußere Erzählstränge, die zeigen, wie der arme Gegner in seine Zwänge kam, also ja eigentlich gar nicht „böse“ ist, sondern, stark relativierend erzählt, sozial therapiert werden kann und somit auch der intergalaktischen Gemeinschaft wieder als nützliches Mitglied zugeführt werden kann. Perry als interkosmischer Sozialtherapeut.
Das kann eine Weile gelingen, wenn es denn gut erzählt wird und die psychische „Befriedung“ des Gegners nur kurz in den letzten zwanzig oder sogar weniger Bänden zum Tragen kommt. Auf Dauer erzeugt ein solcher Anspruch an das Erzählambiente aber Langeweile.Das reine Gut-Böse-Schema, dass seit Scheers Zeiten als Expokrat vorherrschte und erst einmal die Motive des Gegners nicht hinterfragt, sondern nur seine Handlungen gegen die Terraner bekämpft ist einfach frischer und lebendiger.
Ich bevorzuge daher solche Themen. Auf der anderen Seite haben wir seit der Erzeugung des Zwiebelschalenmodells mit Kosmokraten und Chaotarchen ein übergeordnetes System von schwarz-weiß, das erst im Laufe der Zeit ausgehebelt werden konnte, zumindest teilweise.Hier zog sich das Gut-Böse-Schema ja zentral durch die Serie, wobei man natürlich erst einmal definieren muss, was b“böse“! Überhaupt ist. Die übliche Definition ist etwa so: „Jemand, der mich in meinen elementaren Lebensrechten beschränken oder beschneiden will oder gar auslöschen, ist „böse“.“ … und muss daher bekämpft werden. Klassisches Beispiel: die MDI.
Auch haben sich die Ansprüche an die Serie selbstverständlich geändert: der kalte Krieg mit seinen Konfrontationen, die alles in der Gesellschaft durchdrangen, ohne dass man es merkte, existiert nicht mehr so in der alten Form.Die Ansprüche der Macher und Leser an die Serie sateigen, denn auch die Leser werden älter (und klüger) und kennen andere, internationale SF-Werke, an denen sich die Perryserie in gewisser Weise messen muss, sonst würde sie kaum mehr oder gar nicht gelesen.(Abgesehen von den Lesern, die ausschließlich das wöchentliche Heft kaufen und die nicht in der SF-Szene verankert sind. Die nehmen nur das, was sie kriegen können, und stellen keine inhaltlichen Qualitätsforderungen, die schweigende und lesende Mehrheit(?) sozusagen).
Also muss der Perry meist weg vom Gut-Böse-Schema aber zum Glück nicht immer.Es ist ja nett, wenn der Leser erfährt, warum der Feind so handelt, wie er es tut und nun auch mitlesend die Motive der Gegner erkennt. Dass aber diese Motive diametral entgegengesetzt sind zu den Interessen der Terraner, das macht den Feind eben doch zum Bösen, solange kein Intereseenausgleich erzielt werden kann – und dazu benötigt man zwei Seiten.
Achtet man von offizieller Seite auf derlei Duinge, dann kann noch immer eine spannende Story mit eindeutigem Feindbild erzeugt und erzählt werden.Bei allem selbstgestellten Anspruch, den man haben mag: es ist Trivialliteratur und sollte auch so agieren.
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