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Mit Mantel und Degen

Cover einer französischen Sammelerausgabe von MIT MANTEL UND DEGEN

Mit Mantel und Degen
 - Comics von Alain Ayroles und Jean-Luc Masbou -

Die Comicreihe von Autor Alain Ayroles und Zeichner Jean-Luc Masbou trägt wohl den Titel eines ganzen Genres und bietet alle Elemente, die in diesem eine Rolle spielen, weist aber über dessen Grenzen hinaus.  Die beiden Helden sind zwar Edelleute, die die Anforderdungen an Mantel-und-Degen-Figuren vollauf erfüllen, doch sind sie von besonderer Art. Es handelt sich nämlich um einen Wolf und einen Fuchs, die in nobler Gewandung die Klingen kreuzen und gleichzeitig galante oder spöttische Sonette dichten.

(Hinweis: Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf alle bisher sieben erschienenen Bände, ich werde jedoch vor allem Handlungsteile des ersten und des fünften Bandes erwähnen – hier soll schliesslich nicht alles verraten werden. )
 
Abgesehen vom Fuchs und vom Wolf sind die Figuren menschlich dargestellt, nur vereinzelt hat es andere Tiercharaktere, welche in der Regel adliger Herkunft sind.

Das Geschehen startet wie so oft: Zwei Abenteurer finden sich nahezu mittellos in einer fremden Stadt, Venedig. Als sie zufällig von der Entführung eines Kaufmannsohns auf eine türkische Schebecke erfahren, bieten Don Lope (der Wolf) und Don Armand (der Fuchs) ohne zu zögern ihre Hilfe an. Pech nur, dass dieser Andreo seine Entführung nur vorgetäuscht hat, um mit dem Lösegeld seines geizigen Vaters eine Schauspielerkarriere zu starten.

Cover der französischen Ausgabe des 2. Bandes von MIT MANTEL UND DEGENDer „Ausflug“ auf die Schebecke lohnt sich dennoch, da sie eine Schatzkarte in einer Flasche finden und diese mitgehen lassen. Doch der Kaufmann, der das falsche Spiel seines Sprössling inzwischen aufgedeckt hat, knöpft den noblen Tieren die Karte ab und bereitet einen Hinterhalt für diese vor. Derweil verliebt sich Lope in die Zigeunerin/Schauspielerin Hermine, die von Andreo umworben wird. Während sich Lope und Armand aus dem Hinterhalt zu fechten versuchen, erspäht der Fuchs Andreos liebliche Adoptivschwester Séléné auf einem Balkon und schenkt ihr sein Herz. Abgelenkt, landen unsere Helden erst im Kerker und dann als Ruderknechte auf einer Galeere, auf welcher Kapitän Mendoza sein Unwesen treibt.

In ihrem Mitgefangenen Eusebius, einem kleinen, weissen, knuffigen Hasen, finden Lope und Armand einen neuen Freund, dessen Pfiffigkeit den beiden Amigos noch mehrmals aus der Patsche helfen wird. Im Gefecht mit der türkischen Schebecke von Rais Kader, der in Venedig eigene Angelegenheiten verfolgt hat, gelingt es ihnen, sich zu befreien. Da auf Mendozas Seite für ehrenhaftes Betragen kein Platz ist, verbünden sie sich mit Rais Kader, um den Schatz zu finden. Lope und Rais Kader verschieben dafür sogar ihr geplantes Duell.

Wie zu erwarten, lauern auf See mannigfache Gefahren. Zudem lockt der Schatz Konkurrenten an: Andreo soll ihn im Auftrag seines Vaters bergen (und entführt kurzerhand die widerspenstige Hermine, die er heiraten will). Doch sein Vater verliert (bereits im zweiten Band) die Geduld und rüstet eine zweite Expedition mit Mendoza als Kommandant aus.

Soweit der Inhalt des ersten und teilweise zweiten Bandes, der die Exposition für die folgenden Abenteuer der Amigos darstellt.

Abgesehen davon, dass die Tiercharaktere einfach zum Gernhaben sind (so bewegen sie sich wie Hunde, wenn sie Angst haben oder schlafen), ist alles vorhanden, was den Charme einer leichtfüssigen Mantel-und-Degen-Geschichte ausmacht.

Während der Fuchs Armand Raynal de Maupertuis aus der Gascogne stammt, ist der Wolf, Don Lope de Villalobos y Sangrin, ein Hidalgo – das Heldengespann ist sozusagen d’Artagnan im Doppelpack. Dazu kommen venezianische Kaufmannstöchter, temperamentvolle Zigeunerinnen und (Trommelwirbel!) Piraten! – Deren Kapitän komplett mit Papagei (äh, Huhn), dessen Vokabular selbstverständlich aus dem Wort „Piaster“ besteht. Weiter spielen Totenschiffe, ein verrückter Erfinder, unkartierte Inseln, verschiedene Schauspieltruppen, ein Tyrann und dessen intrigante Schwester, die unerklärlicherweise Lopes geheimen Fechtstoss kennt, eine Rolle.

Cover einer französischen Sammelerausgabe von MIT MANTEL UND DEGEN

In vielem ähnlich, gibt es doch auch Unterschiede zwischen Lope und Armand: Der Wolf ist hitzköpfiger, der Fuchs wortgewandt. Armand und Séléné verbindet widerspruchslose Liebe, zwischen Lope und Hermine kommt es dagegen immer wieder zu Willenskämpfen. Hermine ist für eine weibliche Mantel-und-Degen-Hauptfigur, die nicht selbst zur Waffe greift, übrigens erfrischend eigenständig – gerade auch gegenüber Don Lopes wohlwollender, aber antiquierter Bevormundung.

Freilich hätten sich unsere beiden Abenteurer zu Beginn der Geschehnisse nicht träumen lassen, dass sie diese Schatzsuche nicht nur bis ans Ende der Welt, sondern ab Band 6 sogar auf den Mond führen würde, wo Gold und Silber auf den Bäumen wachsen sollen. Dabei müssen sie sich gegen phantastische Ungeheuer und menschliche Widersacher (seien dies Raffzähne oder Tyrannen), und nicht zuletzt ihre eigenen Ängste behaupten.

Der Mond stellt bedeutet jedoch keineswegs das Ende der Reise: Die böswilligen Pläne des vertriebenen, unrechtmässigen Fürsten Johann erfordern es, dass sich die Freunde auf die abgewandte Seite des Mondes (eben: Luna incognita, wie der Titel des 6. Bandes lautet) begeben, um den legendären Fechtmeister zu finden. Dieser soll als Einziger in der Lage sein, die selenitischen Staatsprobleme effizient zu lösen.

Die Figuren stürzen sich hauptsächlich um des Abenteuers willen in Abenteuer, die sie mit Eleganz, Geistesgegenwart und Glück bestehen. (Eine Haltung, die übrigens in Don Armands Schlachtruf auf den Punkt gebracht wird: „Maupertuis wagt und lacht!“)

Ayroles und Masbou entwerfen nicht nur eine phantastische, sondern auch eine phantasievolle Welt für ihre beiden Abenteurer, die aus einem Rollenspiel entstanden ist.

Hervorzuheben ist die sorgfältige Wissenschaftsfiktion, die auf den Vorstellungen der Frühen Neuzeit beruht und die vor allem von der Figur des eigenwilligen Erfinders Bombastus getragen wird. Er konstruiert nicht nur eine Taucherglocke, sondern auch ein Luftschiff und eine Rakete: Wie das Funktionieren dieser phantastischen Vehikel, die visuell sehr hübsch umgesetzt sind, möglich ist, wird „wissenschaftlich“ genau erklärt.

Cover der französischen Ausgabe des 7. Bandes von MIT MANTEL UND DEGENWährend die Figuren bei der abenteuerlichen Schatzsuche Kopf und Kragen riskieren, hat es der Leser oder die Leserin wesentlich einfacher, Schätze im Buch zu finden: Man muss nur die Hintergründe genauer betrachten, um so manches hübsche Detail zu entdecken. Die „Bildchen“ bergen oft atemberaubende Szenarien und laden zum längeren Verweilen ein. Einzelne Bilder wirken wie Gemälde im Kleinformat. Hin und wieder finden sich offensichtliche Verweise, z. B. auf das bekannte Gemälde der Philosophen auf der Treppe, oder es spielen sich kleine, amüsante Nebenhandlungen ab – besonders oft mit Eusebius im „Mittelpunkt“ –, die man leicht überlesen kann, wenn man nur schnell den Gang der Handlung verfolgen will.

Für Literaturkundige bieten die Bände einige Anspielungen, etwa auf eine „Reise zum Mond“ eines gewissen Cyrano de Bergerac. Auch deswegen halte ich „Mit Mantel und Degen“ für einen der gleichzeitig reichhaltigsten und gelungensten Genre-Abenteuercomic der letzten Jahre.

Ebenfalls einen hübschen Bonus stellen die Zusatzinformationen im Inneneinband der letzten Bände dar, darunter eine Karte von „Luna incognita“ (komplett mit Meeresungeheuern) oder die Noten zur selenitischen Hymne auf Fürst Johann ohne Mond.

Die Entstehung der sieben, bald acht Bände hat sich nun über zehn Jahre hingezogen. Daher sind die späteren Bände künstlerisch noch etwas sehenswerter, denn die Figuren als auch Hintergründe sind eleganter umgesetzt als in den Anfangsbänden (die ich dennoch keinesfalls missen möchte).

Wer Mantel-und-Degen-Geschichten mit heldenmütigen und galanten Herzensbrechern mag und sich gerne in die Bilderwelt eines figürlichen, pittoresken Comics vertieft, dem sei diese liebevoll gemachte Reihe ans Herz gelegt. Aber auch wer sich für Genrewerke, die voller Anspielungen sind und die bekannten Elemente gekonnt neu erzählen, wird an diesem Werk Freude haben. Kinder werden die niedlichen Figuren mögen, die „wissenschaftlichen“ Erklärungen aber können vielleicht etwas viel sein.

Der achte Band, in dem unsere Edelleute endlich den geheimnisvollen Fechtmeister finden werden, dessen Ruf ihm überall auf dem Mond vorauseilt, wird sehnlich erwartet.

Bilder:
Titelbild Band 2 und Band 7, www.editions-delcourt.fr

 
 
 
 
 
 
 

Zitat:
Lope zu Mendoza: „Maldito! Du hast den getötet, der mir wie ein Bruder war. Mach dich bereit zu sterben!“
Armand, zittrig: „Nein … lasst ihn leben, wir müssen noch … ein Duell …“
Lope: „Er hat Euch getötet! Und dafür wird er büssen!“
Armando: „Don Lope …“
Lope: „Was ist?“
Armand: „Ich bin nicht tot …“ (Band 1)

 
 

Infos
7 Bände. Carlsen Verlag, 1997–2007, je 48 Seiten. Der französische Originaltitel der Reihe lautet „De Cape et de Crocs“.

 

Bisher erschienen auf Deutsch:
1: Das Geheimnis des Janitscharen
2: Unter schwarzer Flagge
3: Archipel des Schreckens
4: Die Geheimnisse der Tangerineninseln
5: Johann ohne Mond
6: Luna incognita
7: Der Chimärenjäger
Band 8 erscheint im Februar 2009. 

 

Auf Amazon.de/Amazon Marketplace à 12 €.

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