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Gustav Feichtinger "Die ersten drei Abelsen

AbelsenGustav Feichtinger - Die ersten drei Abelsen ...

... zählen zu den besten der fünfzig Bände umfassenden Reihe der Abenteuer, die ein unschuldig verfolgter schwedischer Ingenieur in exotischen Weltregionen zu bestehen hat1.

Mit der Gestalt von Olaf K. Abelsen hat Walter Kabel, der neben zahlreichen anderen Romanen die Abelsen-Reihe unter dem Pseudonym Max Schraut verfasst hat, einen charismatischen Abenteurer und Weltentramp geschaffen.

Das Ziel der folgenden Ausführungen ist zweifach. Erstens soll es Interesse und Lust potentieller Leser von Abelsen-Romanen wecken. Das halbe Hundert an Erzählungen wird exemplarisch anhand der ‚Feuerland-Trilogie‘ vorgestellt, wie man die ersten drei Bände umschreiben kann. Und zum anderen soll ein gewisser Vergleich zu anderen Edelsteinen der Abenteuerliteratur gezogen werden, nämlich zu Karl May-Romanen und Karl Hans Koizars frühen Bob Barring-Geschichten.

Durchgängige Erzählmuster
Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis in Südschweden gelangt Abelsen stracks in eine der abgelegensten Gegenden unseres Globus, nämlich nach Feuerland an der Südspitze Südamerikas.

Als ich noch klein war, vielleicht im Alter von fünf, sechs Jahren, zeigte mir mein Vater die Weltkarte. (Globus gab es bei uns damals keinen.)

Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir die drei spitz nach unten auslaufenden Landmassen ins Auge stachen – Südamerika, Afrika und Indien. Mein Vater strich die Südspitze des amerikanischen Doppelkontinents hervor – hatte er doch in den Zwanzigerjahren die Magellanstraße als Schiffszimmermann auf einem norwegischen Segelschiff befahren. Von der rauen See, dem rasch umschlagenden Wetter im Kanalsystem und schweren Stürmen konnte er stundenlang erzählten. Gebannt lauschend beschloss ich bereits damals, die drei magischen Orte später einmal zu besuchen. Etliche Jahre später ist mir dies dann auch tatsächlich gelungen.

An der Wand unseres Wohnzimmers hatte mein Vater ein selbstgemaltes Bild von einer Fjordlandschaft bei Kap Hoorn aufgehängt. Es zeigte ein Boot vor einer Steilküste, im Hintergrund die weißen Fäden eines Wasserfalls, der sich über eine Felswand in die blaugrüne See ergoss.

Das tote HirnEin Gutteil der ersten drei Abelsen-Bände spielt im Kanal- Labyrinth von Feuerland. Der große Entdecker selbst, Fernando Magellan, hat das Südufer der nach ihm benannten Straße wegen der des Nachts leuchtenden Lagerfeuer der Indios als ‚Tierra del Fuego‘ benannt. Schauplatz der Handlung ist das Inselgewirr in der von zahllosen Meeresarmen durchzogenen Landschaft. Gefahrvolle Bootsfahrten gefolgt von strapaziösen Durch-querungen der wilden, schroffen Eilande bilden den Hintergrund der Erzählung.

‚El Gento‘, wird Abelsen von seinen indianischen Freunden genannt. In Abwandlung von ‚Gentleman‘ bedeutet es ein Kompliment. Als Ingenieur hat er in diversen Weltgegenden bereits viel erlebt. Indien, Borneo, Sumatra, Australien – El Gento hat in exotischen Regionen das Zupacken gelernt. Durch den Verrat einer Frau aus der Bahn geworfen, aus dem Zuchthaus geflohen und als steckbrieflich gesuchter Verbrecher ist er ständig auf der Flucht und nirgendwo sicher …

Die Abenteuer, die Olaf in Feuerland erwarten, muss er nicht alleine bestehen. Ihm zur Seite steht ein Vertreter des stolzen, kriegerischen Volkes der Araukaner. Coy Cala ist der Indio-Held, von dem unser Olaf lernt, die Wildnis zu bezwingen. Wie Winnetou beherrscht Coy die Natur, ist edel und von schier unglaublicher Kampfkraft, praktisch unbesiegbar. Und ähnlich wie der Apache stirbt Olafs Freund am Ende der Trilogie an der Kugel eines Schurken. Aber anders als Winnetou ist der Araukaner schmutzig, stiehlt sogar, raucht wie ein Schlot und säuft wie ein Loch, vorzugsweise Rum. Letzteres angeblich, um Spulwürmer in seinem Bauch zu vernichten. Hier unterscheidet sich der Berliner Walter Kabel vom Sachsen Karl May fundamental.

Schwarzweiß-Malerei ist Kabels Sache nicht. Seine Charaktere sind vielschichtig und komplex. Joachim Näsler beispielsweise, der schrullige, näselnde Fremde, der im 2. Band die Bühne betritt, trägt durchaus sympathische, aber manchmal auch abstoßende Züge.

Anders als bei Karl May, wo sie bestenfalls als Staffage vorkommen, spielt das weibliche Geschlecht in den Handlungs-abläufen der Abelsen-Literatur eine wesentliche, oftmals entscheidende Rolle. In seiner mittlerweile als klassisch anzusehenden Bob Barring-Serie lässt Karl Hans Koizar Frauen zwar auftreten, aber doch vorwiegend in Nebenrollen – wenn man einmal vom Südseemädchen Maui und Maa, der Königin des Nordlichts absieht.

Es ist der ‚Meineid eines Weibes‘, der Olaf ins Gefängnis bringt und seine Liebe zu ihr in blanken Hass verwandelt. Sein Ausbruch am Beginn des ersten Bandes (‚Das tote Hirn‘) ist auf diese namenlose ‚Dame‘ zurückzuführen und endet bei einer rätselhaften Frau: Gerda, die nicht das ist, was sie Olaf vorspielt.

Im folgenden Band ‚Das Geheimnis des Meeres‘ taucht dann überraschend eine mysteriöse Frau auf, wobei man sich wundert, wie sie in eine derart abgelegene Weltgegend kommt, in welcher die Geschichte spielt. Dieses Muster zieht sich in den meisten der restlichen achtundvierzig Bände durch. Nicht immer, aber häufig fühlt sich unser guter Olaf zu den Damen hingezogen, aber stets bleibt die Zuneigung unerfüllt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.2

Ein anderes Handlungselement der Abelsen-Erzählungen zeichnet sich nicht nur in den Bänden der Trilogie ab, sondern meist auch in Olafs späteren Abenteuern: ein rätselhafter Fremder betritt die Bühne und hält mit seinen Absichten hinterm Berg. Es dauert einige Zeit, bis ihm Olaf schrittweise auf die Schliche kommt und er einschätzen kann, ob er gut oder böse ist. Die Geheimnistuerei am Anfang, gefolgt von sukzessiver Enthüllung ist ein Merkmal der Abelsen-Geschichten, das sie von den Karl May-Büchern unterscheidet, bei denen nichts rätselhaft im Handlungsablauf ist.

Bei Bob Barring wird eher mit verdeckten Karten gearbeitet. Schließlich schreibt Rolf Shark ja auch zum Teil Krimis und interessiert sich für okkulte Phänomene, was wieder bei Abelsen nicht der Fall ist.

Ein wesentliches Merkmal aller Abelsen-Bücher sind die Naturschilderungen. Wüsste man es nicht besser, so könnte man glauben, dass der Autor die extremen Ereignisse in den exotischen Regionen, in denen seine Erzählungen spielen, selbst miterlebt hat, so gekonnt und eindringlich sind sie geschrieben. Eine Leseprobe von einem Orkan in Feuerland möge dies illustrieren (auszugsweise zitiert aus Band 2, S. 57/8):

‚… Hagel … dann ein Sturmstoß, der die eine Seite des Zeltes tief eindrückte … Ein zweiter … begleitet von einem sausenden Heulen. Urplötzlich saßen wir ohne Dach über dem Kopfe da … Regenfluten … Gießbäche … Das ganze Zelt wurde als Flugzeug davongetragen ….

Und um uns her, die wir uns eng an den Boden geschmiegt hatten, um nicht dem Zelte zu folgen, war Finsternis und ein wildes Kreisen von Grashalmen, Aststücken und kleinen Steinen. Wir befanden uns hier eben gerade an einer Stelle wo der Orkan in diesem Felsenloch einen Wirbel hervorrief …

Seid ihr schon einmal bei einem Regen von etwa zwei Grad bis auf die Haut durchgeweicht worden, habt ihr schon einmal flach wie breitgetretene Frösche dagelegen und hat euch schon einmal ein kreisender Strom scharfkantiger Steine die Haut von Genick, Händen, Ohren weggekratzt wie grobes Sandpapier? Kennt ihr Minuten wie jene, wo jede Sekunde die saugende Kraft des Wirbels uns emporreißen und in die Bucht zu schleudern drohte?!‘

* * *

Immer wieder weist Abelsen, der seine Geschichten in Ich-Form schreibt, darauf hin, dass seine Wege abseits vom Alltag führen. Spießbürger, Bankiers, Politiker – all diese Zeitgenossen, sogenannte ‚Kulturmenschen‘, wie er sie nennt, verachtet er. Sie seien keine Männer, sondern feige Memmen, unnütz, ja schädlich für die Welt.

Karl Hans Koizar ist nach eigener Aussage von Walter Kabel zu seinen Bob Barring-Geschichten motiviert worden. Das wird nicht nur am Motto der Artikelserie Bob Barrings ‚Sensationen abseits vom Alltag‘ deutlich sowie an den überbordenden drei Punkten am Schluss von Sätzen … – Neben spannenden, atemberaubenden Momenten ist beiden Serien ein geographischer, und völkerkundlicher Bildungsauftrag gemein. Kulturhistorisch ansprechende Schilderungen belegen, dass es sich hier keinesfalls um Schmutz- und Schundliteratur handelt. Den Fehler, die Bob Barring-Hefte und ihre Vorbilder, die Olaf K. Abelsen-Bände mit solchen Auswüchsen der Trivialliteratur über einen Kamm zu scheren sollte man tunlichst vermeiden.

Sowohl May als auch Koizar und Kabel haben nicht ins Blaue hinein geschrieben, sondern jeweils ausgiebig recherchiert und bei ihren Ausführungen existierende wissenschaftliche Literatur herangezogen. Als Beleg hierfür sei Koizars ‚Gesang des Echnatons‘ erwähnt, den er in der Österreichischen National-bibliothek aufgespürt hat. Und Kabel hat sich über Orélio-Antonio Tounens, den König von Araukanien, schlau gemacht, als dessen Enkelsohn Coy Cala in seiner Geschichte auftritt.3

Das tote HirnInhalte
Band 1 beginnt mit dem packend geschilderten Ausbruch aus dem Zuchthaus, in dem der Ingenieur Olaf K. Abelsen mehrere Jahre abzusitzen hat. Ausgerüstet mit eine Stange und selbstgefertigten Gummischuhen balanciert unser Held auf zwei dicken Drähten durch den schneidenden Nachtwind über den Gefängnishof. Dass auf dem Titelbild Stange, Schuhe und einer der Drähte fehlen, soll dabei nicht stören.

Das Ganze entwickelt sich in der Folge zu einer echten Räubergeschichte – Räuberpistole, wie die Germanen sagen. Die rätselhafte Gerda erweist sich als Fluchthelferin. Abelsen fühlt sich auf dem Fährschiff nicht sicher und springt in die eiskalte Ostsee. Dort wird er von einer treibenden Mine sehr schmerzhaft an der Schulter gerammt und muss mit ansehen, wie ein plötzlich auftauchender Dampfer auf diese aufläuft und dadurch versenkt wird. Passagiere und Mannschaft kommen bei der Explosion um; lediglich einen Überlebenden kann Olaf zu sich auf ein Trümmerstück ziehen, auf dem er mittlerweile Zuflucht gefunden hat.

Und als dann wie Deus ex Machina ein Kutter aus dem zusätzlich herrschenden Regensturm auftaucht und die beiden Schiffbrüchigen aufnimmt, ist die Bühne für die eigentliche Handlung bereitet. Neben Abelsen sind es drei Akteure: der alte Seebär Kapitän Holger Jörnsen, seine schmuddelige Frau Helga und ‚Boche Boche‘, der durch einen an der französischen Front erlittenen Kopfschuss sein komplettes Gedächtnis verloren hat (der Mann ohne Erinnerung ist ‚das tote Hirn‘). Fürwahr eine ganz seltsame Truppe, die sich auf dem Weg nach Feuerland aufmacht.

Eine Reihe merkwürdiger Dinge geschehen auf der Reise dorthin, stets überschattet von der Geheimniskrämerei der beiden Jörnsens über den Sinn ihrer Fahrt. Als dann – schon an der chilenischen Küste – völlig überraschend die mysteriöse Gerda auftaucht, springt bei Olaf der Funke über; dies, obwohl er sich geschworen hat, nie ‚wieder einem Weib das Vertrauen zu schenken‘. Doch dann verschwindet die Dame ebenso plötzlich wie sie vor einigen Tagen aufgetaucht war …

Erst als der Kutter die Magellan-Straße erreicht, beginnen sich die Rätsel schrittweise zu lösen. Der Zweck der Reise der Jörnsens wird allmählich klar, und schließlich auch die wahre Identität von Helga und Boche Boche. Um potentiellen Lesern die Spannung nicht zu nehmen, sei an dieser Stelle nichts weiter verraten. Nur soviel, nämlich dass Boche Boche seine Erinnerung wieder erlangt und dass Olaf leer ausgeht – ein Muster, das von Kabel im Rest der Serie weitgehend beibehalten wird.

In Band 2 spielen drei kriegerische Araukaner eine zentrale Rolle, allen voran ihr Häuptling Coy Cala, von dessen originärem Erscheinungsbild bereits oben die Rede war. Er wird Olafs Lehrmeister bei der Bewältigung der Fährnisse Feuerlands – ähnlich wie einst Winnetou seinen Blutsbruder Old Shatterhand in den Wilden West eingeführt hatte.

Hintergrund der Story ist eine russische Großfamilie, die Turidos, welche von einer Goldader unter Wasser Wind bekommen hatte und diese auszubeuten gedachte. Die dazu nötigen Rohrleitungen und Maschinen wurden auf einem Schiff herangeschafft, welches nach der Entladung samt der Mannschaft auf den Meeresgrund versenkt wurde – dies, um Mitwisser und mögliche Konkurrenten um die Goldmine auszuschalten. Ein Einziger hatte den Braten gerochen und hatte rechtzeitig in einer Schaluppe das Weite gesucht, der als Koch angeheuerte Joachim Näsler. Ein seltsamer Heiliger – vom preussischen Weltkriegsoffizier über Farmer im südliche Afrika zum Weltentramp geworden, freundet er sich mit Abelsen an, der ihm gemeinsam mit seinen drei Araukanern bei der Jagd nach den Turidos hilft.

So weit, so gut. Aber dann taucht ein achtjähriger Knabe mitten in der Wildnis auf, später eine schöne blonde Frau, und schon kommt es zu unabsehbaren Verwicklungen. Wieder bleibt Abelsen im Unklaren, was das alles soll und wer eigentlich wer ist.

Neu hingegen ist das Geheimnis des Meeres, das an Jules Verne erinnernde Loch im Ozean. Und die Verwendung eines toten, in Verwesung begriffenen Wales als Mittel, um zwei der Araukaner zum Reden zu bringen. Die grauenvolle Schilderung der Rettung der beiden aus dem stinkenden Walbauch besticht durch ihren gekonnten Realismus.

Über die Bestrafung der Turidos und die Lösung Näslers familiärer Probleme sei hier wieder Stillschweigen bewahrt.

Die folgende Textstelle wurden ausgewählt, um die stimmungs-vollen Naturschilderungen bei Kabel zu illustrieren (sieh Band 2, S. 16):

‚… Sonst war alles ringsum glatte Granitwand. Die Terrassen, deren Gestein durch die ewigen Nebel, Regen und Schneefälle dieses gottverlassenen Erdenwinkels längst zermürbt und durch Seevögel kräftig gedüngt war, hatten eine fast üppig zu nennende Vegetation aufzuweisen, hohes Gras, Krüppelbuchen, dünne Birken, zahllose Dornendickichte und – das Schönste – ganze Teppiche prächtiger bunter kleiner Orchideen: eine Oase in dieser Steinwildnis! … über dem Feuer hing am Eisenstock der dampfende Aluminiumkessel: Teewasser! Wir lagen auf weichen Gräsern, und der Duft der Orchideen, der Qualm des Feuers und der Rauch unserer Zigarren gaben ein köstliches Gemisch von unverfälschter Natur und grandioser Weltenferne. Die untergehende Sonne bestrahlte nur noch den oberen Teil der Felswände jenseits des Wasserstreifens …‘

In Band 3 (‚Mein Freund Coy‘) sind Olaf und sein brauner Freund Coy Cala auf Pumajagd, als sie zwischen den immergrünen patagonischen Buchen auf einen seltsamen blonden Mann stoßen, der sich mit einem Stock durch die Sandebene tastet. Er stellt sich als van Braanken vor, wurde vor kurzem im Schlaf von Chapo-Ameisen gebissen und sei seither blind – keine angenehme Situation mitten in der Wildnis Feuerlands.

Pünktlich taucht dann die übliche blonde Europäerin kurz auf, um postwendend wieder zu verschwinden, diesmal in Gestalt Edith Gordons, der Korrespondentin einer Londoner Zeitung. Wie sich später herausstellt, ist sie auf der Suche nach dem Mausoleum des Araukanerkönigs Orelio Antonio Tounens, das irgendwo hoch in den Anden liegen soll. Zwischen Edith und Olaf springt der Funke über, aber wieder bleibt die Liebe unerfüllt.

Eine undurchsichtige Rolle spielt ein reicher Großgrund-besitzer und Schafzüchter, der in der Wildnis nach seinen beiden verschwundenen Kindern sucht. Bei einem der in Patagonien häufigen Sandstürme findet Olaf Zuflucht in einer Felsenhöhle und macht dort eine schaurige Entdeckung: er stößt auf zwei Gläser, in denen die Köpfe eines Jungen und eines Mädchens in Spiritus konserviert sind. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen stellt sich heraus, dass dies das Werk van Braankens ist, der zwar nicht blind, dafür aber geisteskrank ist. Der Tod seiner Frau hat ihn aus der Bahn geworfen.

Coy Cala entpuppt sich als Enkel des Königs von Araukania. Er führt Olaf ins Mausoleum, einen gewaltigen Eisdom im Gletscher der Anden. Die Beschreibung des aufwändigen Zuganges durch eine modrige Schlucht zu den frischen Bergeshöhen und der im Fackellicht glühenden Eishalle mit den Gräbern von Coys Vorfahren zählt zu den eindrucksvollsten Passagen der ersten drei Abelsen. Dort erfüllt sich schließlich auch das Schicksal des Nachkommen des Herrschers der Araukaner-Nation. Der wie ein Korken im schäumenden Kessel am Ende des Wasserfalls tanzende Leichnam van Braankens bleibt einem in schauriger Erinnerung.

Bei den weiteren Abenteuern, die Abelsen in den restlichen 47 Bänden zu bestehen hat, muss er ohne die Hilfe seines besten Freundes auskommen, den er jemals hatte – Coy Cala.

Das tote HirnResümee
Die Handlung, insbesondere im 1. Band, strotzt vor unwahr-scheinlichen Zufällen. Bei Unterdrückung mancher Abschweifungen ließe sich die Darstellung um einiges straffen. Aber diese Kritikpunkte verblassen im Hinblick auf die meist packenden Schilderungen und die Naturbeschreibungen. Sowohl im Hinblick auf Kritik als auch Würdigung hebt sich Kabel von May und Koizar deutlich ab

Die unglaublichen Zufälle spielen in den Folgebänden keine so große Rolle mehr – Ungereimtheiten und Verwerfungen in verworrenen Handlungssträngen gibt es aber auch hier.

Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der Autor habe einfach drauflos geschrieben. Bei einem Vielschreiber, wie Walter Kabel einer war, kein Wunder.

Aber, wie eben festgestellt: die Rasanz der Darstellung und die eindrucksvollen Schilderungen der exotischen Insellandschaft und den Kanälen Feuerlands wiegen dies auf.

Wenn Abelsen über das Schreiben seiner Tagebücher schwärmt, so gestattet dies einen tiefen Blick in Walther Kabels schriftstellerische Seele (siehe Band 2, S.162 und 176):



‚… vielleicht ist damals in meinen nüchternen Ingenieurverstand das Samenkorn der Phantasie gefallen, das mich nun als blühendes Gewächs mit lockenden Zweigen in Bann hält. Für mich schreibe ich nur – nur für mich … und wenn ich mich hineinversenke in all diese kostbaren bunten Schätze, darin wühle wie in farbenprächtigen Seidenstoffen, hole ich aus den Tiefen der Vorräte immer Neues hervor. Und nichts, nichts möchte ich missen von diesem Reichtum, auch das nicht, was mir jetzt, wo ich es zu Papier bringen werde, wieder das Blut in den Adern gefrieren läßt.‘

Zum Abschluss bringen wir noch Wissenswertes über den Autor der Abelsen-Serie sowie einige Literaturhinweise.

Walther Kabel
Walter A. G. Kabel (1878 – 1935) war im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts ein viel gelesener deutscher Unterhaltungsschriftsteller. Vor allem in den eineinhalb Jahrzehnten nach dem Weltkrieg entwickelte er eine unglaubliche Produktivität. Als Hauptautor des Berliner ‚Verlages moderner Lektüre‘ war Kabel, auch unter einer Reihe von Pseudonymen, als Vielschreiber auf dem Gebiet der Trivialliteratur tätig. Ähnlich wie Karl May in frühen Jahren verfasste Walther Kabel einen umfangreichen Lieferungsroman, den ‚Goldschatz der Azoren‘. Neben zahlreichen anderen Folgen und Einzelveröffentlichungen sei noch die Heftserie ‚Erlebnisse einsamer Menschen‘ erwähnt.

Manche betrachten Kabels fast vierhundert Detektiv-geschichten in Heftform ‚Harald Harst – Aus meinem Leben‘ als sein Hauptwerk. Ich hingegen schließe mich jenen an, die sein Spätwerk ‚Olaf K. Abelsen – Abenteuer abseits vom Alltagswege‘ als seine bedeutendste Romanserie sehen. Die Abenteuer-geschichten sprühen vor Ideen und sind auch sprachlich ansprechend – keine Selbstverständlichkeit in der Unterhaltungsliteratur. Wie es Kabel geschafft hat, in nur wenigen Jahren ab 1929 fünfzig Bücher von je zwischen 160 bis 192 Druckseiten zu schreiben, das ist schon bemerkenswert, zumal er stets auch an anderen Publikationen arbeitete.

Reich geworden ist der Schriftsteller damit nicht. Seine letzten Lebensjahre wurden von der Tatsache überschattet, dass die meisten seine Werke auf die Liste jugendgefährdender Schriften gesetzt wurden.4 Dass die Abelsen-Bücher von den Nazis auf den Index verbotener Literatur gesetzt worden sind, ist allerdings eine Legende, die von Dirk Webers Recherchen widerlegt worden ist. Die Serie wurde schließlich eingestellt, weil der Absatz nachgelassen hatte.

Kabel war tief getroffen, sein Einkommen schmolz, er verarmte und seine Gesundheit litt. Den späten Abelsen-Bänden ist dies anzumerken. Die phantasievolle Darstellung der früheren Taschenbücher fehlt nun.

1935 stirbt Walther Kabel an einer Schussverletzung. Ob durch Selbstmord oder nicht, da sind sich seine Biographen uneinig.

Würdigung
Für kritische Bemerkungen und wertvolle Hinweise danke ich den beiden deutschen Kollegen Detlef Reinholz und Dirk Weber.

Detlef hat auch das Manuskript sorgfältig gelesen und von einer Reihe Unstimmigkeiten befreit.

Literaturhinweise
A. Donath: Der verbotene Schriftsteller Walther Kabel (1875 – 1935), http://laptop-krimis.de/Der%20Schriftsteller%20Walther%20Kabel%20(1878-1935).htm.

E. Lifka: Das traurige Ende des Dichters Walther Kabel. Blätter für Volksliteratur 2/1993, Hrsg. Verein der Freunde der Volksliteratur, Graz.

D: Reinholz, D. Weber: Internetportal über Walther Kabel, https://www.walther-kabel.de/node/1.

M. Schraut: Das tote Hirn. Olaf K. Abelsen, Abenteuer abseits vom Alltagswege, Band 1. Verlag moderner Lektüre, Berlin.

M. Schraut: Das Geheimnis des Meeres. Olaf K. Abelsen, Band 2.

M. Schraut: Mein Freund Coy. Olaf. K. Abelsen, Band 3.

P. Soukup: Seiner Zeit voraus … Die wunderbare Welt des Walther Kabel. Blätter für Volksliteratur, Nummer 1/2013, Hrsg. Verein der Freunde der Volksliteratur, Wien.

P. Wanjek: Biographie Walther Kabel, https://www.walther-kabel.de/node/6.

D. Weber (2015): Über den Tod von Walther Kabel, https://www.walther-kabel.de/node/778.

U. Weiher: Dirk Weber und Detlef Reinholz über Walther Kabel, Harald Harst und d. Auftritt im Internet, https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/frage-antwort/im-gesprch-mit-mainmenu-179/35181-detlev-reinholz-ueber-walter-kabel.


1 Natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, welche der Abelsen-Bände den Vorzug verdienen. Kabel-Experte Detlef Reinholz hält Band 13, ‚Malmotta, das Unbekannte‘, für den gelungensten Abelsen-Roman, eine Einschätzung, der ich mich durchaus anschließen kann.

2 Es gibt aber durchaus auch Fälle, wo sich die Frauen zu Olaf K. hingezogen fühlen, er sich jedoch ablehnend verhält, weil er seine Freiheit nicht aufgeben will (vgl. Band 15: ‚Mein Bruder Simisatto‘). Im oben erwähnten Band 13 findet unser Held sogar die ‚Richtige‘, die aber leider am Schluss erschossen wird.

3 In späteren Bänden tritt noch ein weiterer Nachkomme (Band 23–27) in Form von Taskamore Tounens auf.

4 Insbesondere seine umfangreiche Harald Harst-Serie. Dass Kabel deswegen die NSDAP, der er bereits 1925 beigetreten war, verlassen hat, ist belegt. Nicht hingegen, dass er sein zerrissenes Parteibuch an die Machthaber zurück geschickt haben soll.

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