Perry Rhodan Sekundärliteratur: "Der Computermensch" mit Materialien (1981)
Perry Rhodan Sekundärliteratur: "Der Computermensch" mit Materialien (1981)
Klett Lesehefte "Perry Rhodan - Der Computermensch mit Materialien" zusammengestellt von Rolf Kellner, in der Reihe: Lesehefte für den Literaturunterricht, in neuer Folge herausgegeben von Rainer Siegle und Jürgen Wolff, 1. Auflage 1982
Zielgruppe: 9./10. Klasse
Auf der Umschlagseite befindet sich eine textspezifische "Kleine Leseanleitung". Neben der Aufgabe "Lies bitte den folgenden Perry-Rhodan Text zügig durch." finden sich hier Hinweise auf die bei Unterrichtsausgaben literarischer Texte üblichen Fremdworterklärungen sowie die Aufforderung, nicht serienspezifische Begriffe in einem normalen Lexikon nachzuschlagen. Hinsichtlich der Fremdworterklärungen wird auf die Lesehilfen ab S. 112 sowie auf die Artikel aus dem Perry Rhodan Lexikon ab S. 118 verwiesen.
Ein Hinweis auf den Autor der vorliegenden Romane findet sich nicht im Impressum, sondern lediglich auf einer Reproduktion der Rota-Seite des Romans Nr. 1010 "Der Computermensch. ("von PETER GRIESE, Exposé-Redaktion: K. H. Scheer und William Voltz") Die beiden Romane 1010 "Der Computermensch" und 1011 "Angriff der Brutzellen" sind in leicht verkürzter Form im heftromanüblichen Spaltendruck wiedergegeben, beide Titelbilder sind in schwarz/weiß abgedruckt, eine Innenillustration ist vorhanden, ebenso die Vorschau auf Band 1012. Rota-Seite und Hauptpersonen-Kästchen sind nur bei Band 1010 berücksichtigt, da sie sich vermutlich von ihren Entsprechungen in Band 1011 nur rudimentär oder gar nicht unterscheiden.
"Mehr als 400 Jahre sind seit dem Tag vergangen, da Perry Rhodan mit der BASIS* von einem der schicksalsschwesten Unternehmen in den Weiten des Alls in die Heimatgalaxis* zurückkehrte und auf der Erde landete." (S. 5.)
Worterklärung, S. 112 BASIS Name des Raumschiffs von Perry Rhodan
Worterklärung, S. 113 Heimatgalaxis s. Lex. [siehe Lexikon] unter dem Stichwort 'Galaxis'
Nach den beiden Romantexten unter den Ordnungspunkten 1 und 2 beginnt der Erläuterungsteil. Ordnungspunkt 3 fasst "Die Handlung der Hefte 1 bis 1000" zusammen. Der Text entstammt einer Verlagsbroschüre. Auf eineinhalb Seiten werden wesentliche Handlungslinien aufgeführt, ohne dass man sich in Einzelheiten verliert.
Ordnungspunkt 4 befasst sich mit Risszeichnungen. Zwei Seiten Skizzen und eine Seite Beschreibung entfallen auf "Das Raumschiff des Perry Rhodan", wobei dessen Name, SOL, nicht erwähnt wird. Die zweite Risszeichnung ist ein "Stratosphärengleiter Typ SSFV - RT 73/1C" (eine Seite Skizze, eine Seite Beschreibung). Die dritte Risszeichnung entstammt nicht den Perry Rhodan Heften, sondern dem Spiegel (Nr. 14/81 vom 30.3.1981) Die Überschrift lautet "Space Shuttle 1980 - Mit der Kraft von 40 Jumbo-Jets ins ALL", auf zwei Seiten finden sich eine Skizze sowie zwei comicartige Darstellungen eines Fluges des Shuttles.
Unter Ordnungspunkt 5 finden sich die bereits erwähnten Wort- und Sacherklärungen. (Beispiele: LFT, Seth-Apophis, Terrania, Transmitter, Trojanisches Pferd [sic!])
"STARDUST: Name des Raumschiffs, mit dem Perry Rhodan und die anderen Genannten 1971 angeblich [sic!] auf dem Mond landeten. Mit der Schilderung dieser Mondlandung begann vor 20 Jahren die PR-Serie." (S. 116)
Das Wort "angeblich" ist hier völlig unangemessen, bezieht sich diese Beschreibung doch auf eine fiktive Romanhandlung in der Vergangenheit (Ausgangszeitpunkt: 1982), die sich von der realen Vergangenheit unterscheidet, was hier wohl betont werden soll. "Angeblich" jedoch passt hier überhaupt nicht. Dies drückt aus, die Autoren würden behaupten, es sei tatsächlich so geschehen. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die betreffenden Romane über das Jahr 1971 schon 1961 verfasst wurden.
Zur Verdeutlichung: Es lässt sich sagen, dass Karl May in einer bestimmten Phase seines Lebens angeblich Old Shatterhand war, weil er während der "Old Shatterhand Legende" sein eigenes Leben und das des Romanprotagonisten gleichsetzte. Dies ist ein Sonderfall der Vermischung von Fiktion und Realität. Es wäre aber unangemessen, z. B. zu behaupten, in den Achtziger Jahren habe es "angeblich" eine künstliche Intelligenz gegeben, die ein Fahrzeug selbstständig steuern konnte und dabei Bezug auf die Handlung der fiktiven US-Serie "Knight Rider" (1982-1986) zu nehmen. Richtig wäre in solchen Fällen eine Formulierung wie "in der fiktiven Serienhandlung".
Es folgen unter Ordnungspunkt 6 einige Begriffe aus dem Perry Rhodan Lexikon. (Hyperkom, Hyperonen, Hyperraum, Lichttheorien, Linearflug, Linearraum, Zeitreise, Zellaktivator) Dieser Abschnitt ist mit "6.1. Begriffe zwischen Science und Fiction" überschrieben. Unter "6.2. Helden werden vorgestellt" folgen Biographien von Perry Rhodan, Reginald Bull und Julian Tifflor.
Der zweite Teil des Leseheftes ist mit "Materialien" überschrieben. Unter I. findet man hier "Perry Rhodan: Produktion und Produkte". Eine Auflistung der Auflagen (zu jener Zeit 4), der Buchausgabe, der ausländischen Lizenzausgaben findet sich in diesem Kapitel. Eine Zahlen zu monatlichen Auflagen und Gesamtauflage runden das Bild ab. Interessanterweise fehlen Hinweise auf die unter dem Label "Atlan" vertriebenen Produkte (zu jener Zeit zwei Auflagen wöchentlich) sowie die Perry Rhodan Taschenbücher (zu jener Zeit drei Auflagen monatlich). Dafür wird der Perry Rhodan Service (Vertrieb von Merchandise-Artikeln wie Sammelmappen, Lexikon und T-Shirt) ausführlich dokumentiert. Ein Unterpunkt "Wie ein Heft entsteht" informiert über die Exposéarbeit und die Arbeitsbedingungen der Schriftsteller.
Unter Punkt II finden sich "Urteile über die Perry Rhodan Serie". Während zunächst eine Verlags(werbe)broschüre zitiert wird, wird anschließend ein Leserbrief abgedruckt. ("Bevor ich anfange, die negativen Seiten von PR aufzuzeigen, muss ich sagen, dass ich die Heftchenform für keinen Nachteil halte.", S. 131) Einen bestimmten ideologischen Gehalt möchte der anschließend zitierte Kritiker in der Perry Rhodan Serie sehen:
"Da Opponenten von vornherein entweder als machtgierige Wahnsinnige, weltfremde Spinner oder asoziale Kriminelle dargestellt werden, entledigt man sich ihrer, indem man sie kurzerhand zu einem anderen Planeten deportiert, [...]. Natürlich überlässt man die Rebellen dort nicht sich selbst, sondern lässt die von Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes [sic!] überwachen. KZs [sic!] im All also."
Das Zitat lässt deutliche Rückschlüsse auf die Qualität der Aussagen dieses Kritikers zu. Eine Deportation von Oppositionellen (welche ein Attentat auf den Regierungschef planten) findet in Band 57 aus dem Jahre 1962 statt. Eine solche Schilderung ist sicher keine Sternstunde, aber Sträflingskolonien haben durchaus historische Parallelen. Die Verwendung der (ihrem jeweiligen historischen Kontext entrissenen) Begriffe Staatssicherheitsdienst und KZ in diesem Zusammenhang ist bestenfalls eine Geschmackslosigkeit zu nennen, jedenfalls völlig überzogen und mit der PR Handlung nicht konform. Die Perry Rhodan Serie der frühen Achtziger wurde im Übrigen vom starken Humanismus des Exposéautors William Voltz getragen und unterschied sich von der der Sechziger. Ein berechtigter Vorwurf eines zeitgenössischen Kritikers wäre etwa die Kritik an Voltz' Handlungsansatz gewesen, kriminelle Tendenzen bei Individuen pränatal auszumerzen, eine Vorstellung, die bei den Lesern auf herbe Kritik stieß und alsbald fallengelassen wurde.
Unter Punkt III "Die Leser" folgen noch einige Statistiken und ein Artikel über das "Fandom". Punkt IV bringt Ausschnitte aus anderen Werken der Science Fiction- bzw. Anti-Utopischen Literatur, namentlich "Von der Erde zum Mond" von Jules Verne und George Orwells "1984".
Punkt V bringt einen Zeitungsartikel "Zurückhaltung gegen über grünen Männchen" und zwei Artikel über Computertechnik, womit der Bogen zum Inhalt der beiden Romane geschlagen wird. Die Überschrift lautet "V. Science Fiction oder Wirklichkeit?".
Die Einbringung populärer Kultur in den Literaturunterricht, heute sehr verbreitet, war damals keineswegs selbstverständlich. Insofern ist das Leseheft ein lobenswerter Ansatz. Leider wähnt man sich ob der vielen Statistiken eher im Soziologieunterricht. Die Expertenmeinung des Literaturkritikers fällt ein Pauschalurteil über die Perry Rhodan Serie, das mit der Realität der Sechziger kaum, mit der der Achtziger aber rein gar nicht zu tun hat.
Ein guter Lehrer sollte in den Achtzigern in der Lage gewesen sein, anhand des Leseheftes eine gelungene Unterrichtseinheit aufzuziehen, vielleicht gerade auch unter kritischer Betrachtung der Materialauswahl und unter Einbringung weiterer Materialien. Übrigens gab es auch eine Lehrerversion des Heftes, die heute aber kaum noch zu bekommen sein dürfte.