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Perry Rhodan Band 300 „Alarm im Sektor Morgenrot“

Perry Rhodan Band 300 „Alarm im Sektor Morgenrot“

Autor: K. H. Scheer
Erschienen: 2. Juni 1967

Vorbemerkungen
Die Einlassungen von K. H. Scheer zum Handlungsabschnitt ab Band 300, getätigt auf einer Terra-Leserseite und zitiert in der Perry Rhodan Chronik Band 1 (S. 186f) zeigen, wie sehr dem Autor an seinem geistigen Kind, der Großmacht „Solares Imperium“ gelegen war: „Eine galaktische Großmacht vom Range des Solaren Imperiums kann immer nur gewisse Zeit unangefochten ihren Weg gehen. Danach wird sie unausbleiblich in den Strudel von Ereignissen gezogen werden, die deshalb nicht ignoriert werden können, weil diese Großmacht ihre mühevoll aufgebaute Position wahren muss, wenn sie nicht untergehen will.“ Die Wahrung der Hegemonie dieses Staates kommt zuerst, Frieden und Wohlstand stehen wohl hinten an.


„An seiner [des Imperiums] Spitze steht der Großadministrator, Perry Rhodan, der auf Grund demokratisch durchgeführter Wahlen für dieses verantwortungsvolle Amt nominiert wurde.“ (Perry Rhodan Lexikon, Rastatt 1971, S. 112) Trotz des Hinweises auf demokratische Prozesse weist diese Formulierung doch eine gewisse Absolutheit auf.

Als Anlass für die Erfindung des Riesenroboters OLD MAN nennt K. H. Scheer im Werkstattband von 1986 (S. 57f) den Leserbrief eines Fans. "Ein Geschenk aus der fernen Vergangenheit bot sich an. [...] Ich nahm erneute Terminverzögerungen in Kauf und begann mit der Konstruktion des größten Raumflugkörpers, der jemals von Menschen erbaut wurde." (S. 58) Über Roi Danton sagt Scheer: ""Ich entwickelte Roi Danton, Rhodans Sohn, kleidete ihn in die Tracht des endenden 19. Jahrhunderts, ließ ihn wie bekannt stutzerhaft auftreten und erschuf dazu die Freihändler auf dem Planeten Rubin in Rois System." (S. 57)

Inhalt
Rund 30 Jahre nach dem MdI-Krieg herrscht im Solaren Imperium seit einiger Zeit relative Ruhe. Nur die Blues an der Eastside der Galaxis liefern sich hin und wieder Scharmützel. „Von diesem 30jährigen Zeitraum […] wird allerdings nichts Näheres berichtet. Die Beschreibung der Menschheitsgeschichte in futurum interessiert sich – ähnlich dem traditionellen Geschichtsunterricht – mehr für die bewaffneten Kämpfe.“ (Ellerbrock, S. 90)

Zu Beginn des Roman lernen die Leser Perry Rhodans Tochter Suzan Betty kennen. Sie ist mit dem als Spinner angesehenen Physiker Geoffry Abel Waringer verheiratet. Ihr Zwillingsbruder Michael verschwand einst mit 24 Jahren nach seinem Studium, da er ein Leben im Schatten seines Vaters für wenig erstrebenswert hält und es aus eigener Kraft schaffen will.

Als der Kreuzer KOBE im terranischen Aufmarschgebiet Morgenrot nach einem Linearflug mitten in einer Raumschlacht der Blues erscheint und schwer beschädigt wird, eilt ihm das Raumschiff FRANCIS DRAKE des Freihändlerkönigs Roi Danton zu Hilfe. Die Freihändler werden im Imperium als eigenständige Organisation geduldet, jedoch im Hinblick auf ihre Gesetzestreue argwöhnisch beobachtet. Es kann ihnen kaum etwas vorgeworfen werden, da man den Handel mit primitiven Völkern, bei denen diese für ihre Rohstoffe angeblich nur Glasperlen und wertlosen Tand erhalten sollen, eher als Kavaliersdelikt betrachtet. So ist es kein Wunder, dass Atlan, der mit seinem Flagschiff IMPERATOR an den Ort des Geschehens eilt, die DRAKE einer Inspektion unterzieht. Hierbei wird nichts Verdächtiges gefunden. Es ist jedoch mehr oder weniger offensichtlich, dass bei der Rettungsaktion für die KOBE die geheimste Waffe des Solaren Imperiums zu Einsatz kam, die Transformkanone, die niemand sonst besitzen sollte.

Danton und seine Leute werden ziehen gelassen und gehen weiter ihrer Wege. Diese führen sie in das nach dem Freihändler benannte Rois System zum Planeten Rubin. Hier erwirbt Roi von den känguruähnlichen Eingeborenen fleißig die für die Raumfahrt unentbehrlichen Howalgoniumkristalle. Darauf gründet sich sein Milliardenvermögen. Entgegen der gängigen Meinung besteht die Bezahlung nicht aus Tand, sondern aus hochwertigen Werkzeugen, Lastenkarren und anderen Gebrauchsgegenständen.

Rois Flug ist jedoch nicht unbemerkt geblieben, da man sich fragte, was er im Sektor Morgenrot zu suchen hatte, erscheint alsbald ein gemischter Flottenverband aus USO und Solarer Flotte unter Atlan und dem herbeigeeilten Perry Rhodan über Rubin. Es kommt zu einem Paralysatorgefecht zwischen den Soldaten des Imperiums und den Freihändlern und schließlich zu einem Degenduell zwischen Danton und Atlan.
Mittlerweile ist völlig unbemerkt von beiden Parteien ein gigantisches Objekt aus dem Hyperraum erschienen.

Es wird befehligt von einem Koordinator und mehreren Sektionskommandanten. Diese wirken seltsam verwirrt, zwei von ihnen werden offen als "wahnsinnig" bezeichnet. Das Objekt wurde wohl in ferner Vergangenheit entsandt und soll dem Solaren Imperium militärische Hilfe bringen. Im Fall eines zwischenzeitlich erfolgten Untergangs des SI soll bei den verbliebenen Menschengruppen für Ordnung gesorgt werden. Als der Koordinator feststellt, dass sich auf einem Planeten im Sektor Morgenrot (einem Gebiet, in dem sich auf jeden Fall noch Menschen befinden sollten, deshalb hat man es angeflogen) zwei Menschengruppen bekämpfen, wobei dann auch noch primitive Stichwaffen eingesetzt werden, zieht er den Fehlschluss, dass die Anarchie ausgebrochen ist, die wild gewordenen Guerillatruppen bekämpft werden müssen und schickt eine seiner Plattformen zu einem Angriff aus. Diese schleust sagen und schreibe 840 Ultraschlachtschiffe terranischer Bauart aus, mehr, als die Galaxis je gesehen hat. Eine zweite Plattform, deren Kommandant als wahnsinnig gilt, schließt sich dem Angriff an.

Da nach Rubin kein Durchkommen mehr ist und sich einzig die FRANCIS DRAKE auf dem Planeten befindet, müssen Perry Rhodan, Atlan und ihre Leute mit Hilfe Roi Danton die Flucht antreten. Beim Durchbruch durch eine Übermacht zeigt dieser, dass er nicht nur über Transformkanonen, sondern über eine überaus wirksamen neuartige Ladeautomatik verfügt. Zudem besitzt er einen HÜ-Schirm. Voll Dankbarkeit lässt man Danton nach erfolgter Rettung ziehen, der auf Nachfrage nur entgegnet, ein naher Verwandter habe ihn mit seinen technischen Errungenschaften ausgestattet.

Bei einen Gespräch Danton mit seinem Leibwächter Oro Masut erfährt der Leser schließlich das Offensichtliche: Roi Danton ist in Wirklichkeit Michael Reginald Rhodan. Dieser ist zwar stolz sein auf seinen wirtschaftlichen Erfolg, glaubt aber, dass ein Multimilliardär eben noch lange kein Perry Rhodan sei und will sich in absehbarer Zeit noch nicht zu erkennen geben.

Ein spannender, wenngleich inzwischen uralter Roman, der am Anfang eines neuen Handlungsabschnittes steht und das Interesse des Lesers an nachfolgenden Romanen weckt.

Ideologische Träumerei oder notwendiges Handlungsgerüst?
Es gibt einige Aspekte, die aus heutiger Sicht antiquiert wirken. Da ist zunächst einmal der Personenkult um Perry Rhodan. Für (nicht nur) heutige Leser schier unerträglich ist die Auftaktszene, in der ein junger Offizier der Abwehr Rhodans Tochter für dessen Geliebte hält (Aus dem weiteren Verlauf der Handlung ergibt sich ein durchaus lebhaftes Interesse an Klatsch und Tratsch im Solaren Imperium, sollte das Aussehen von Rhodans Tochter unter diesen Umständen nicht hinreichend bekannt sein?) und dementsprechend versucht, den mutmaßlichen Fauxpas seines Vorgesetzten zu verheimlichen. Er hält Julian Tifflor einen Strahler vor die Nase, um diesen daran zu hindern, den Chef in flagranti zu erwischen. Natürlich löst sich alles in Wohlgefallen auf.
Ein Weltraumheld mit Perfektion ist zu allen Entstehungszeiten und Handlungszeiten in Ordnung (wenngleich die Perfektion nicht zwingend notwendig ist), auch Commander McLane und Captain Kirk sind in ihren Funktionen perfekt. Das Gleiche gilt für Helden anderer Genres. Aber muss der Weltraumheld unbedingt Politiker sein? Ein perfekter politischer Anführer hat einen etwas merkwürdigen Nachgeschmack. Zudem scheint sich die Politik des Imperiums durchaus der Unterdrückung und Bevormundung der Kolonialwelten zu bedienen. Nach heutigem Maßstab latenter Rassismus fehlt nicht, so werden die Blues einmal als "Tellerköpfe" und die Ureinwohner Rubins als "Rote" bezeichnet.

Roi Dantons Maskerade (Puder und Perücke) scheint wenig geeignet, seine Identität dauerhaft zu verschleiern, aber das ist bei Supermans Clark-Kent-Fassade auch der Fall. Solches ist man bereit zu akzeptieren, hier ist ein Sprung des Glaubens fällig. Danton fungiert hier gleichzeitig als Actionheld und als Comic Relief, und diese Doppelfunktion wird gekonnt geschildert. Von einer Sekunde zur anderen lässt er das affige Gehabe eines französischen Edelmannes des 18. Jahrhunderts sein und wird zum effektiven Raumschiffskommandanten des 25. Jahrhunderts. Die französischen Einsprengsel sind nur Volkshochschulniveau, das ist schade, zumal Atlan im Spiel ist, der den echten Danton natürlich persönlich kannte. Ebenso kennt er das Französisch jener Zeit. Der Komiker vom Dienst Gucky fehlt in diesem Band wohlweislich, er tritt erst im übernächsten Band "Gestatten, Gucky und Sohn" von Darlton wieder auf.

Die Raumschlacht bietet beste Weltraum-Action. In der Hinsicht lässt Scheer nichts anbrennen. Das Rätsel um die noch völlig unbekannte Bedrohung wird perfekt inszeniert. Auch der nächste Band wird gut vorbereitet. Da geht es um den Absturz des Kreuzers BLACK HILLS unter Kriegsveteran Don Redhorse auf einer der Plattformen, ein Roman von William Voltz.

Abgesehen von der Heldenbeweihräucherung gegenüber Perry Rhodan im Besonderen und den Terranern im Allgemeinen, die zu jener Zeit ausschließlich in den Scheer-Romanen typisch war ein sehr spannender und unterhaltender Roman aus der Frühzeit der PR Serie.

Einer der interessantesten Aspekte, auf den schon eingegangen wurde, ist die Stellung Perry Rhodans als Großadministrator und Anführer der Menschheit.

Aus dem Romanzitat "Der Großadministrator war erneut gezwungen, die Solaren Notstandsgesetze anzuwenden und die absolute Macht im Staat zu beanspruchen." schließt die Ellerbrock-Untersuchung (S. 90): "Das Solare Parlament wird damit der demokratischen Maske beraubt. Wenn Perry-Rhodan-Autor K. H. Scheer sich rechtfertigt, Rhodan würde schließlich alle 6 Jahre vom Volk direkt gewählt, so entlarvt er sich im gleichen Atemzug, indem er Notstandsgesetze und Herrschaft als ontologische Konstanten kennzeichnet." (S. 90) Es folgen Zitate Scheers, die ausführen, dass es eben manchmal nicht anders ginge und dass Rhodan eben nicht immer erst beim Parlament anfragen könne.

Das Solare Parlament ist fiktiv. Es existiert nicht. Also kann man ihm auch keine demokratische Maske aufsetzen. Es ist so, wie der Autor es erfunden hat und schildert. Dahinter steht keine eigentlich Welt, die faschistisch oder böse ist. Man kann nur das als Ausgangspunkt nehmen, was der Autor erfunden hat und schreibt. Somit ist die demokratische Legitimation Rhodans über Jahrhunderte hinweg zwar wenig glaubhaft, aber literarische Realität. Ebenso verhält es sich mit der Notwendigkeit, die Notstandsgesetze anzuwenden, wobei der Notstandsfall durch das Parlament nachträglich sanktioniert werden muss. Es ist nicht so, weil Rhodan eigentlich ein Diktator ist und diese Tatsache demokratisch verschleiert, es ist so, weil Scheer es so erfunden hat. Welche Vorstellungen von einem idealen Gemeinwesen Scheer in seinem Hinterkopf hatte, kann man mutmaßen, aber nicht nachweisen. Insofern ist der Ansatz, den Ellerbrock hier wählt, irreführend.

Quellen:
Perry Rhodan 300
Horst Hoffmann (Hrsg.) "Werkstattband", Rastatt 1986
Ellerbrock, Jürgen und Beate, Thieße, Frank "Perry Rhodan. Untersuchung einer Science Fiction Romanserie" 2. Auflage Lahn-Gießen 1977
Nagula, Michael, „Perry Rhodan Chronik Band 1“, Höfen 2011
Perry Rhodan Lexikon, Rastatt 1971

Kommentare  

#1 Ganthet 2024-08-17 15:09
Ich bin in diesem Handlungszautraum in PR eingestiegen (müsste die 5. Auflage gewesen sein).
Der "Alleinherscher" Rhodan ist mir damals gar nicht ins Auge gefallen. Ich habe Spaß an den schönen Weltraumabenteuern gehabt. Es ist reine Unterhaltung. Die politische Ebene habe ich nie gesehen.
Ein schöner Artikel
#2 Hermes 2024-08-17 15:45
Der Autor ist Kind seiner Zeit. Damals gab es nicht nur Diktatoren, die jahrzehntelang ihre Länder beherrschten wie Stalin, Mussolini, Hitler, Franco u. a., nein auch in den demokratischen Ländern bestimmten charismatische Politiker über Jahrzehnte die Geschicke, siehe Churchill, DeGaule, Adenauer und vor allem Roosevelt, der ganze viermal hintereinander gewählt wurde.
Und hatten wir das in Deutschland nicht auch vor kurzer Zeit? ;-)
#3 Ganthet 2024-08-17 22:06
Ja, sicher. Ich unterstelle scheer und Ernsting mal, dass sie einfach nur gute Unterhaltung machen wollten. Ich denke nicht, dass sie wissentlich eine Diktatur legitimieren wollten.
#4 Ringo Hienstorfer 2024-08-18 11:53
Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank. Ich finde insgesamt die Entwicklung der Serie und insbesondere die der Personen im Laufe der Jahrzehnte sehr spannend. Einen Umschwung kann man schon in den 500er Bänden erkennen, der schließlich spätestens ab Nr. 650 den gesamten Serienkosmos neu gestaltete. Die 300er Bände habe ich vor vielen Jahren versucht zu lesen, gab dann aber nach ein paar Heften schon wieder auf. Mir mißfielen vor allem das allzu Militärische und der angestaubte Humor.
#5 Ganthet 2024-08-18 23:51
Ich hatte vor ein paar Jahren versucht, nochmal den Larenzyklus ab der Nummer 650 zu lesen, habe aber nach ca. 15 Heften wieder aufgehört. Sprachlich hatte mich das überhaupt nicht mehr überzeugt.
#6 Ringo Hienstorfer 2024-08-19 14:10
zitiere Ganthet:
Ich hatte vor ein paar Jahren versucht, nochmal den Larenzyklus ab der Nummer 650 zu lesen, habe aber nach ca. 15 Heften wieder aufgehört. Sprachlich hatte mich das überhaupt nicht mehr überzeugt.

Ich habe den Laren-Zyklus vor 2 Jahren komplett gelesen. Es stimmt schon, phasenweise war er echt ein wenig sperrig. Mir hat aber die radikale Wandlung sehr gut gefallen: kein Solares Imperium, kein GA mehr. Den Aphilie-Zyklus habe ich inzwischen auch durch und bin jetzt bei der Nr. 803 hängen geblieben und komme einfach nicht mehr weiter, sodass ich auf Macabros umgestiegen bin...

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