Die Peitsche wird wieder geschwungen ... - Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Die Peitsche wird wieder geschwungen ...
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Als Grund für die immer wieder neuen Verzögerungen wurde angegeben, es sei immens schwierig, die vollen Terminkalender der Herren Ford, Spielberg und Lucas zu koordinieren, um einen Platz für die Realisierung der Abenteuer des Indiana Jones zu finden. Auch ich hatte irgendwann die Hoffnung aufgegeben, konnte es nicht glauben, als es hieß wir fangen an zu drehen und nahm das Projekt erst dann wirklich ernst, als es offizielle Pressemitteilungen gab und erste Bilder vom Set zu sehen waren. Es gab viele Unkenrufe: Ford zu alt, Lucas lange über dem Zenit der Kreativität, Thema und Machart passen nicht mehr in unsere Zeit. Als Fan des Genres und des abenteuerlustigen Doktors hatte auch ich eine Zeit lang arge Bedenken.
Völlig zu unrecht: Indiana Jones ist zurück!
Klar: Harrison Ford ist nicht mehr der Jüngste, dennoch wirkt er in der Rolle des immer noch agilen Helden definitiv nicht peinlich. Das mag daran liegen, dass der Charakter auch schon in den früheren Teilen mit Schwächen ausgestattet wurde und weder unfehlbar noch allmächtig ist. Und selbstverständlich kokettiert KRISTALLSCHÄDEL an diversen Stellen mit dem Alter des Helden, allerdings auf eine überaus sympathische und unaufdringliche Art soweit man bei einem Film aus dem Pulp- oder Cliffhanger-Genre überhaupt von unaufdringlich sprechen kann...
Passend zum gealterten Helden spielt dann auch das neueste Abenteuer im Jahr 1957, die Nazis haben somit als Bösewichte ausgedient und wir erfahren nebenbei, dass Dr. Jones im Zweiten Weltkrieg als Geheimagent gearbeitet hat. Im McCarthy-Amerika (obwohl 1957 eigentlich schon vorbei) grassiert die Angst vor den Kommunisten und diese wird gleich am Anfang dann auch bestätigt, als ein Trupp russischer Einsatzkräfte ein militärisches Gelände in der Wüste von Nevada überfällt und man aus einem Kofferraum einen leicht derangierten Indiana Jones samt seines Kumpels Mac zieht. Subtil eingestreut weist eine zweistellige Zahl auf einer Lagerhalle darauf hin, wo man hier ist und selbstverständlich findet sich in der Halle die aus Teil eins bekannte Kistensammlung.
Die Anführerin der Russen, Colonel Irina Spalkow kongenial dargestellt von einer Cate Blanchett die ganz offensichtlich einen Heidenspaß dabei hatte, die Böse zu geben will Dr. Jones dazu bringen, etwas zu suchen: 1947 war in der Wüste von Nevada irgend etwas abgestürzt und er war als Spezialist hinzugezogen worden...
Soviel zum Auftakt des Films, um niemandem den Spaß zu verderben, werde ich auf die weitere Handlung nur noch in mikroskopischen Dosen eingehen.
Und ein Spaß erster Güte ist dieser Film, der nichts weiter sein möchte, als ein weiteres Abenteuer von Dr. Jones, pures Popkornkino, das den Kinobesucher Ahs und Ohs, zu Spannung und Gelächter einlädt wenn dieser sich darauf einlässt. Freunde von Problemfilmen mit erhobenem Zeigefinger oder auf sogenannten Anspruch versessene sind hier gänzlich falsch und sollten auch gar nicht erst versuchen, eine Bewertung abzugeben. Wer in einen INDIANA JONES Film geht, sollte wissen, worauf er sich einläßt. Spielverderber müssen draußen bleiben oder's Maul halten.
Man hat sich die größte Mühe gegeben, das Flair der ersten drei Teile wieder einzufangen. Zwar war Spielbergs Ankündigung, auf computergenerierte Effekte verzichten zu wollen, etwas vollmundig gewesen und konnte natürlich nicht eingehalten werden, aber der größte Teil der CGI sind wohltuend unauffällig oder aber in einem derart übersteigerten Maße auffällig, dass es aufs selbe hinausläuft. Und natürlich ist der Streifen total überdreht und wirft uns in steter Abfolge Szenen und Geschehnisse vor, die so eigentlich nicht sein können, die Naturgesetze auf den Kopf stellen und fern jeglicher Realität sind. Ich sage nur Kühlschrank.
Na und?
Genau das will man in einem INDIANA JONES-Film sehen, denn das ist Genre-immanent und ohne die wahnwitzig übertrieben Szenen würde etwas fehlen.
Festzustellen ist, dass man sich nicht vollständig an den Vorgängern orientiert und in den Actionszenen die visuelle Art zu erzählen modernisierte und ein paar Gänge hoch geschaltet hat. Im direkten Vergleich zu INDY III den ich mir kurz zuvor noch einmal angesehen hatte wirken dessen Actionsequenzen fast schon gemächlich. In INDY IV präsentiert man in diesen Abfolgen eine deutlich gesteigerte Tour-de-force, die einen gebannt in den Kinosessel presst. Aber auch wenn Tempo und Dramatik deutlich gesteigert wurden, es ist immer wieder Zeit, noch einen kleinen Spaß einzuflechten, der die Szenen entschärft und dafür Sorge trägt, dass auch dramatischsten Momenten durch befreiende Lacher die Spitze genommen wird.
Mal von den modernisierten Actionsequenzen abgesehen, hat man sich sehr viel Mühe gegeben, den Stil der alten Filme zu neuem Leben zu erwecken und das ist auch gelungen. Diverse Szenen und Kameraeinstellungen erinnern definitiv an INDY I III, wohl auch ein Grund, warum man sich in diesem Film gleich heimisch fühlt.
Nichts neues gibt es in Sachen Filmmusik, die natürlich wieder von John Williams stammt. Hier wird zwar solide Handarbeit geleistet und selbstverständlich bekommt man diverse Male das Raiders Theme zu Gehör gebracht, die restliche Vertonung klingt allerdings so, als habe sich Meister Williams beständig selbst plagiiert. Keine Spur von verspielten und pompösen Sounds wie in GRAIL, dafür deutliche Hinweise auf eben diese und das Russen-Thema ist ebenfalls nicht sonderlich originell zu nennen.
Dafür spart man an den passenden Stellen nicht mit Musik aus den 1950ern. Das kommt einem in einem INDIANA JONES-Film zwar zuerst etwas merkwürdig vor, wirkt aber bald vertraut und unterstreicht das Setting, so dass dem Zuschauer die Umstellung von den Dreißigern leicht fällt.
Man hat den Eindruck, als würden einem Zitate und Details in diesem Film nur so um die Ohren gehauen, als Zuschauer weiß man gar nicht, wohin man hinsehen soll, um Gimmicks zu entdecken. Ein Grund, den Film nochmal sehen zu wollen. Der andere ist, dass die Synchronisation an ein paar Stellen nicht gelungen scheint, aber dazu sage ich abschließend was, wenn ich den KRISTALLSCHÄDEL im Original sah.
Harrison Ford hatte ich ja bereits erwähnt eine Biografie findet man an anderer Stelle im Zauberspiegel. Der Mime kann es noch, trotz des unübersehbaren Alters (im Vergleich zu früher selbstverständlich, für seine 65 Jahre sieht der Schauspieler blendend aus) ist seine Darstellung des in Ehren gealterten Helden an keiner Stelle peinlich, unterstützt durch die Tatsache, dass weder Ford noch der Film sich wirklich ernst nehmen und das auch nicht ansatzweise wollen. Ford merkt man die Freude und den Spaß an, die er dabei hatte, nach all den Jahren das Outfit noch einmal anzulegen und die Peitsche zu schwingen. Möglicherweise ist es nur eine Promo-Legende, aber angeblich hat er etliche der Stunts noch selbst durchgeführt. Glaubwürdig ist das allemal, denn Ford erscheint topfit. Und wenn er in einem ausdauernden Faustkampf gegen einen durchtrainierten russischen Soldaten triumphiert naja, dafür ist er nun einmal der Held und der darf das.
Zu jedem Helden gehört (mindestens) ein Bösewicht. In diesem Fall legt sich die russische Soldatin und Wissenschaftlerin (natürlich) mit Faible fürs Übernatürliche Irina Spalkow dargestellt von Cate Blanchett mit unserem Helden an. Dass Blanchett schauspielern kann, daran hat wohl spätestens seit den beiden Elizabeth-Filmen keiner mehr einen Zweifel, sie ist sich aber auch nicht zu schade, in einem Pulp-Streifen als Oberböse mal so richtig vom Leder zu ziehen. Es ist eine Freude, ihr dabei zuzusehen trotz deutlichem Overacting, aber das muss in der Rolle einfach so sein. Mit romulanisch anmutendem, dunkelhaarigem Pagenschnitt, Armeeoverall und einem gerüttelt Maß an Wahnsinn würde ich sie in meiner Liste von Indy-Antagonisten an einem der vorderen Plätze einsortieren.
Shia LaBeouf, den Namen hatte ich vorher noch nie gehört und die Bilder des Charakters im Vorfeld ließen nichts Gutes ahnen, schien es doch so, als wollte man einem gealterten Indy einen jungen Sidekick für die Actionszenen beiseite stellen. Glücklicherweise ist dem nicht so, die Rolle ist eigenständig angelegt, ohne aber den Film zu dominieren. Sein erster Auftritt ist eine Hommage an Marlon Brando in THE WILD ONE (DER WILDE, 1953), sogar dessen Outfit wurde eins zu eins übernommen.
In welchem Verhältnis Mutt Williams - Shias Charakter zu Indiana Jones steht, wurde an anderer Stelle bereits von Spaßbremsen frühzeitig herausposaunt, aber eigentlich war das ohnehin klar, insbesondere, seit man wusste, dass auch Marion Ravenwood wieder mitspielt. Festzuhalten ist aber, dass trotz meiner Ressentiments auch Shia LeBeoufs Darstellung und der Charakter Spaß gemacht haben. Möglicherweise, weil auch dieser sich nie ganz ernst nimmt. Und es bleibt immer ein INDIANA JONES-Film und wird nie eine Mutt Williams Show.
Karen Allen nimmt ihre Rolle als Marion Ravenwood aus dem ersten Teil wieder auf. Leider mit eher gebremstem Schaum, aber andererseits ist das dann auch verständlich, denn wenn man versucht, zu viele Figuren zu bedienen, dann verzettelt man sich möglicherweise. Das geschieht nicht und auch wenn Karens Charakter nur wenige Szenen hat, so wurde auf diese doch viel Wert gelegt und bei der Dschungelverfolgung kann man sich vorstellen, warum der abenteuerlustige Archäologe mehr als einen Blick auf diese Frau geworfen hat. Auch mit Karen Allen sind die Jahre übrigens verblüffend gutmütig umgegangen.
Der Artikel geht ein wenig mit mir durch, deswegen die Bremse gezogen und noch kurz was zu Ray Winstone: Mac ist der wohl überflüssigste Charakter in diesem Film, wohl aus demselben Grund, aus dem auch Karen Allen nicht wirklich viel zu tun hatte. Eigentlich hätte man sich diese Figur in dem vorgefundenen Ausmaß einfach sparen können, aber man meinte wohl sie für eine Szene am Schluß zu benötigen. Naja. Egal, denn übermäßig störend war sie ebenfalls nicht. Sallah geht ja leider nur in Nordafrika...
John Hurts Ox bleibt ebenfalls weitestgehend auf der Strecke, aber in den Momenten in denen er agieren darf, spielt er den verrückt gewordenen englischen Professor auf eine Art, der man deutlich anmerkt, dass auch er mit großer Freude an die vergleichsweise kleine Rolle heranging. Aber man weiß ja ohnehin schon, dass er sich für derartige Spektakel nicht zu schade ist, siehe HELLBOY.
Ich gebe es zu, beim Showdown wurde vielleicht ein wenig dick aufgetragen, aber ach was solls! Schön wars!
Für den Rest gilt: Abenteuerkino war lange nicht mehr so unterhaltsam!
Kommentare
Apropos: Das 'Komitee für unamerikanische Umtriebe' wurd irgendwann in den Sechzigern umbenannt und erst Mitte der Siebziger aufgelöst. McCarthy war noch sehr lange, auch nach seinem Ableben, im Geiste aktiv.
Ich war im Kino so froh und glücklich, denn ich hatte erwartet, dass sie es verpatzen... Stattdessen sagte ich hinterher "hach, solche Filme werden heute gar nicht mehr gemacht..."
Und Herr Jones hat den Hut nicht weiter gereicht. Ich bin sehr beruhigt.
So lassen. Bitte.
Verblüffenderweise ist Indy IV ja auch ein Boxoffice-Erfolg und auch die stinknormalen Kinobesucher sahen zufrieden aus, letzten Freitag. Wir Fans zählen ja eh nicht. Sieht für mich so aus, als würde er auch außerhalb der Zielgruppe ankommen. Was gegen Deine Theorie mit den "demographisch Wichtigen" sprechen könnte, wobei ich die Mundpropaganda natürlich nicht abschätzen kann. Aber die Wertungen:
www.zelluloid.de/filme/index.php3?id=497
www.cinema.de/film_aktuell/neuimkino/userbeitrag/?typ=userbeitrag&film_id=787590
sehen gut aus. Offenbar gefällts auch dem "Durchschnittszuschauer".