Die Frau mit den Geheimnissen - »Unser Mann in Marrakesch«
Die Frau mit den Geheimnissen
»Unser Mann in Marrakesch«
Der englische Originaltitel des Films, „Our Man in Marrakesh”, ließ beim Kinoeinsatz 1966 schon erkennen, in welche Kerbe dieser Agentenulk schlagen wollte, als die James-Bond-Welle gerade ihren ersten Höhepunkt erreicht hatte. 1959 hatte Sir Carol Reed nämlich mit „Unser Mann in Havanna“ noch eine sehr stilvolle Graham-Greene-Adaption der Prä-Bond-Ära inszeniert, aber bis Mitte der 60er Jahre hatte eine wahre Flut solcher Filme eingesetzt. Hier mal einige Beispiele mit auffallenden Parallelen im Titel: „Unser Mann vom Secret Service“ (1965, Lindsay Shonteff), „Unser Mann aus Istanbul“ (1965, Antonio Isasi-Isasmendi), „Unser Mann in Rio“ (1966, Henry Levin/Arduino Maiuri) oder „Unser Mann von Interpol“ (1966, Pierre Zimmer). Ein Titel also, der eine gewisse Erwartungshaltung weckt, die seltsamerweise bei „Marrakesch“ für den deutschen Markt vom Rank-Filmverleih nicht übernommen wurde. Pidax hingegen hat die DVD des Films nun konsequenterweise „Unser Mann in Marrakesch“ betitelt!
Don Sharps („Ich, Dr. Fu Man Chu“) Film beginnt mit einer Busfahrt von Casablanca nach Marrakesch, auf der sich eine Reihe Ausländer befindet, von denen einer als Kurier vom zwielichtigen Geschäftsmann Mr. Casimir (Herbert Lom) erwartet wird. Aber selbst Casimir weiß nicht, wer der Überbringer eines Schecks in Höhe von zwei Millionen US-Dollar sein könnte, für die dessen nobler Spender an geheime Dokumente gelangen möchte. Casimir hat seine Geliebte Samia Voss (Margaret Lee) auf die Reisegruppe angesetzt, und die hübsche Blondine notiert fleißig Namen und Berufe der Reisenden, die sie bei Unterhaltungen im Bus aufschnappt. Da sind Arthur Fairbrother (Wilfrid Hyde-White), Vertreter für Sanitäranlagen, George Lillywhite (John Le Mesurier), Abgesandter eines Reisebüros, Andrew Jessel (Tony Randall), der im Auftrag seiner Ölfirma nach Marrakesch unterwegs ist, und die hübsche Kyra Stanovy (Senta Berger), die dort angeblich auf ihren Verlobten Philippe treffen möchte. Durch ein Vertauschen der Hotelzimmer findet sich Kyras angeblicher Angetrauter als Leiche im Kleiderschrank von Andrew Jessels Zimmer wieder. Von nun an versuchen die beiden, gemeinsam hinter das Geheimnis des Mordes zu kommen. Für den naiven Jessel gar kein leichtes Unterfangen, da ihm Kyra immer wieder neue Geschichten und Märchen auftischt, auf die der Amerikaner stets wieder aufs Neue hereinfällt.
Don Sharp hat mit „Unser Mann in Marrakesch“ einen recht geradlinigen Agentenfilm inszeniert, der in Hitchcock-Manier einen Durchschnittsbürger (Tony Randall) in die Bredouille bringt und aufgrund allerlei Verwechslungen und Geheimnisse zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall macht. Randall selbst hat in der ersten Hälfte des Films durchaus komisches Potenzial, spielt seine Rolle aber doch erstaunlich ernsthaft und unterstreicht damit die kriminalistischen Spannungselemente der Story. Ausgelassener Humor entsteht erst mit dem Auftauchen von Gaststar Terry-Thomas, der einmal mehr eine gewitzte Parodie des aristokratisch-versnobten Engländers gibt. Sharp nutzt die Sehenswürdigkeiten des größtenteils on location in Marokko gedrehten Films für einige tolle Einstellungen. Und selbst bei den heute leicht als Rückprojektionen erkennbaren Szenen in fahrenden Autos erweist er sich als originell genug, diese auch mal in Seitenansicht einzusetzen und das Ganze dadurch visuell aufzulockern. Wer ein Faible für die EuroSpy-Filme der 60er Jahre hat, ist hier jedenfalls über weite Strecken gut aufgehoben. Die DVD-Erstveröffentlichung, die am 6. Mai 2022 erscheint, aber schon jetzt über den Pidax-Shop lieferbar ist, bietet ein gutes Bild, dem ein US-Master zugrunde liegt, das gegenüber der europäischen Version des Films leider etwas gekürzt ist. Der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0) entspricht der Entstehungszeit und kann überzeugen. Als Extras hat man den US-Kinotrailer und eine kleine animierte Bildergalerie mit aufgespielt, im DVD-ROM-Teil finden sich darüber hinaus Werbematerialien in einer PDF-Datei (16 Seiten).