# 97: Seitenwechsel
# 97: Seitenwechsel
Immerhin sind wir das Volk der Dichter und Denker. Da haben die Ungers, Scheers und Shockers dieser Welt keinen Platz. Ich erhob massiv meine Stimme, widersprach hier und nörgelte da, hatte immer tausend Beispiele parat wie sehr sich das Sprachbuch und der Lehrplan irrten. Zum Glück meiner Lehrer hatte ich noch nicht alle meiner heutigen Erkenntnisse, aber sie hatten definitiv nur bedingt Spaß, mir im Deutschunterricht etwas über den Heftroman beizubringen. Was mir an theoretischem Rüstzeug fehlte, glich ich durch praktische Erfahrung mehr als aus.
So kämpfte ich den einsamen Kampf für den Heftroman in der tiefsten norddeutschen Provinz. Denn ich war der einzige regelmäßige Konsument der Heftromane in der Schülerschaft. Hier und da wurden gelegentlich gelesen, aber ich war in diesem Punkt ein absoluter Außenseiter, aber ein streitbarer wie die Lehrer erfahren durften.
In der Oberstufe holte ich mir einziges Mal 15 Punkte für einen Aufsatz ab. Thema der Heftroman. Es ging darum den Anfang einen Frauenromans zu vervollständigen. So lange habe ich nie an einem Aufsatz geschrieben. 3 Doppelstunden Zeit und ich schaffte es knapp vor dem Klingeln zum Feierabend. Auch eine Parodie auf den Frauenroman schrieb ich und musste die Hausarbeit im Unterricht vorgetragen.
Nachdem ich die Schule verlassen hatte, konnte ich mein theoretisches Wissen über den Heftroman ausbauen. Ich nutzte das für den Zauberspiegel. Weiterer praktischer Nutzen hatte das Privatstudium autodidaktischer Natur nicht.
Sinnloses Wissen, nicht mal tauglich, Trivial Pursuit zu gewinnen. Aber immerhin war es nützlich, um Fans mit Artikeln zu bombardieren. Das war es dann auch. Ende der Achtziger Jahre zeichnete sich das Ende des Zauberspiegels ab. Wohin nun mit meinem endlosen Wissen über den Heftroman... Freunde (ob Fans oder nicht) blickten schon völlig genervt drein, wenn ich mein Fachwissen von mir gab. Zumal sie gewissen Thesen und Erkenntnisse zum wiederholten Male zu hören bekamen.
Noch verließen sie nicht fluchtartig die Räume, aber...
Aber es sollte sich eine Alternative finden. Auf einem Weihnachtsmarkt trank ich ein paar kräftige Schlucke Glühwein mit einem Teil des Lehrkörpers meiner ehemaligen Realschule (heute Elbmarschen-Schule) in Drochtersen. Irgendwann tauschte man Anekdoten aus der Schule aus. Das Thema kam zwangsläufig auf das Thema Herftroman. Ich ließ daraufhin den Lehrkörper an meinem Wissen um diese Publikationsform teilhaben.
Dann fiel der Satz: Ich habe demnächst, also nach Weihnachten, das Thema: Heftroman. Willst Du mein Gastdozent sein?
Und zu seinem Schrecken, sagte ich zu.
Ich nüchterte aus und überlegte hektisch über die Feiertage hinweg, wie ich es anpacken wollte, denn ich sollte das Thema unter den wachsamen Augen des Lehrers komplett durchziehen. In einer siebten und einer neunten Klasse.
Welch eine Chance?
Mir war klar: Sprachbücher würden keine Verwendung finden. Da hätte ich jede Menge zu tun gehabt, den darin verbreiteten Blödsinn wegzudiskutieren. Das würde den Spaß an trivialer Unterhaltung, den ich zu vermitteln gedachte, völlig ruinieren.
Also, ich war auf mich und meine Heftromane angewiesen. Aber dann begann ein Plan in meinem Kopf zu reifen, der auch tatsächlich die angepeilten sechs Doppelstunden Deutsch füllen würde.
Irgendwann im Januar erschien ich in meiner alten Schule, setzte mich ins Lehrerzimmer und schwatzte mit einigen Lehrern munter drauf los.
Dann klingelte es... Ich packte die mitgebrachten Unterlagen und marschierte mit einer Mischung aus Lampenfieber und Zuversicht neben meinem alten Deutschlehrer in Richtung Klassenraum. Es ging los...
Kommentare
Du schreibst jetzt hundert mal an die Tafel:
ICH SOLL IN KOLUMNEN KEINE CLIFFHANGER BENUTZEN!