Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

#53 - "Das wirst Du in einem von Dir finanzierten Rundschreiben zurücknehmen müssen"

As Time Goes By# 53:  "Das wirst Du in einem von Dir finanzierten Rundschreiben zurücknehmen müssen"
(Dieter Hoven)

"Ich werde dich aus dem Fandom fegen" ist der Satz, den ich mit Dieter Hoven verbinde, weil er mir den am Telefon an den Kopf knallte (glücklicherweise konnte er den passenden Besen nicht finden), als wir uns über irgendwas in den Haaren gelegen haben. Andere, Carsten Scheibe und Norbert Schulz, wollte er nur vom Rest des Fandoms isolieren.

In diesem Zusammenhang ist das Bild lebendig, wie wir mit der Dachorganisation über die Isolation diskutierten und er plötzlich aufsprang und erst nach mehr als einer Stunde zurückkehrte, um dann zu fragen, warum wir die Sitzung schon beendet hätten, er wäre doch bloß auf dem Klo gewesen. Volker Sorge warf er den Titel dieser Ausgabe an den Kopf, weil dieser in der Zauberschrift-Rubrik "Das Fandom" über ihn und seinen Club, den Horror-Magnet, berichtet hatte. Frank Weiss, der ehemalige Co-Leiter des Sinclair-Clubs und fragmentarischer Mitautor bei "Der Hüter", fiel einer der Karteileichensäuberungsaktionen Dieters zum Opfer (über die ich gesondert berichten werde, irgendwann nach Folge 150 von As Time Goes By), weil gerade mal vierzehnjährig, er sich noch nicht traute, aktiv zu werden (was er bis heute nicht abgelegt hat, denn für den "Hüter" musste ich ihn mühevoll überreden und geklappt hat es letztlich doch nicht).

Das Verhältnis zu anderen Fans kann man wohlwollend mit "gespannt" umschreiben. Das zu Rainer Osenberg (der Dieter einmal als "Deutschlands ältesten Teenager" bzw. "Deutschland einzig 34jährigen Teenager" bezeichnete) als dauerhaft zerrüttet (wenn man von den ersten drei Monaten und gelegentlichen Burgfrieden absieht, welche aber schon durch Fußballspiele ins Wanken gerieten).

Dieter war zunächst einfaches Mitglied im Horror-Club 80 von Rainer Osenberg, aber da der ein fauler Hund war und Dieter gerne arbeitete, wurde er schnell zum 2. Clubleiter (Häuptling werden ging ja schnell). Hatte Rainer vielleicht gehofft einen willigen neuen "Nigger"-Nesemann gefunden zu haben, wie ihn Manfred Feuerriegel sich ja noch hielt, konnte man das bloß als Täuschung bezeichnen. Dieter war ehrgeizig und der Isnogud des Fandoms. Er wollte Clubleiter, anstelle des Clubleiters sein. Denn er hatte ja das Ding trotz des wenig fleißigen Osenbergs am Leben erhalten. Dann entzweiten die beiden sich und Dieter übernahm den Club. Einen neuen aufzubauen wäre ihm nur schwerlich gelungen. Dieter ist keine charismatische Führernatur, die mitreißt, eher der trockene Verwalter. Kurz darauf hieß der Club Horror-Magnet und das Zine Pentagramm (was mich in einer Rezension zum dem Kalauer verleitete, dass daraus nie einen "PentaKILOgramm" würde).

Er schmiss (will sagen veranstaltete) viele Cons, war rührig, was die Autorenbetreuung anging. Gleichzeitig war er – heute würde man sagen – promigeil. Er schmückte sich gern mit den Autoren, die er in Massen auf seine Cons lockte. Keiner war da so erfolgreich wie Dieter. Andererseits kam sein Zine vor dem ersten Ausstieg pünktlich und war zumindest technisch ordentlich gemacht. Aber inhaltlich war das nicht weit her, wie unter anderem sein Verhalten zum "Lexikon des Horrorfilms" zeigt. Er hat sich sogar mit der Idee der Dachorganisation befreunden können, trieb sie sogar mit dem ihm eigenen Elan voran (hatte dabei aber manchmal nicht unbedingt das Wohl des Fandoms im Auge). Er gab den Katalex heraus, das erste Sammlerwerk zum Horrorheft (fehlerhaft zwar, aber es war ein  erster Versuch), den der EDFC e. V., fehlerbehaftet wie er war, nachdruckte.

Dann zog er sich zurück, aber sein Club geriet unter der neuen Leitung von Andreas Gerhards in Turbulenzen (auch dazu nach der Nummer 100 von As Time Goes By mehr). Dann kehrte er mit einem gewaltigen Team, welches "30 Jahre Fandomerfahrung" in sich vereinte, zurück und scheiterte grandios (und schon damals gab es SF- und Fantasy-Fans, die allein schon auf 30 Jahre Fandom zurückblicken konnte, hüstel), aber über diese Rückkehr in den Untergang werde ich an anderer Stelle berichten. Ebenso über den von Dieter organisierten Veteranencon im Spätfrühling 1993, der auch ein gescheitertes Comeback sein könnte.

Dieter hatte eines der ersten John Sinclair-T-Shirts mit dem er immer auf Cons herumlief, so dass der Witz kursierte, er wäre damit verwachsen. Er machte immer einen gehetzten Eindruck, als wisse er nicht, wohin mit all seiner Energie.

Dieter gerecht zu werden ist nicht einfach. Ihn in die Schublade "Idiot" zu packen, ist schlicht und ergreifend zu einfach (wenn auch sehr, sehr verlockend, wie ich zugeben muss, denn ich habe ihn im Stillen und internen Gesprächen oft so genannt und es auch meist so gemeint). Er war einer, der wollte und konnte, weil er fleißig, zielstrebig, ehrgeizig und ein williger Administrator war. Aber er beschritt (nahezu) immer die falschen Wege, um etwas Richtiges zu erreichen. Manchmal war Dieter wie manche Strömungen aus den USA (z. B. Political Correctness, Nichtrauchen), wo man dazu neigt, einen guten, sinnvollen Ansatz durch falsche, fast schon fanatische Umsetzungen zu ruinieren.

In meinen Augen ist Dieter ein guter zweiter Mann, der dem oder den kreativen Köpfen und den Leadertypen den Rücken von der lästigen Kleinarbeit freihält, die bei einem Club so anfallen. Dem stand aber der Ehrgeiz im Wege. Er wollte selbst der Frontmann sein und die erste Geige spielen. Aber das konnte er nicht, denn sein persönlicher Charme war der eines Laternenpfahls, ganz offen und drastisch gesagt. Und wenn er mich steinigt, sollte er das hier lesen, es stimmt.

Ich habe mich oft über ihn geärgert, wir lagen eigentlich fast immer im Clinch miteinander. Sei es wegen Clubsammlerdiensten, dem Horrorclub Deutschland oder als Light-Version, die da Dachorganisation hieß, oder fast jeder anderen vorstellbaren Sache. Auf einer Podiumsdiskussion 1986 auf dem 1. Buchmessecon in Frankfurt gerieten wir ständig aneinander. Wenn ich das recht erinnere, ging es darum, warum das Fandom so langsam einging.

Legendär soll seine Gebrüll am Möhnesee bei einem Zeltcon gewesen sein, als er bei seinem Wunsch nach Ruhe den Campingplatz weckte, um ein Gespräch im Zimmerlautstärke zu beenden. Er war ein Choleriker, aber andererseits dann doch immer wieder gesprächsbereit.

Vom Genre verstand er nur wenig. Seine Klassiker in diesem Punkt: "Was haben Vampire mit Erotik zu tun?" Das war ein ganz großer Spruch und ich weiß nicht, ob er begriff, was Norbert, Manfred, ein paar andere und ich dann versuchten zu erklären, denn letztlich war er geprägt von Helmut "Jason Dark" Rellergerds Bild des Vampir als rein auf das monströse reduzierte Bestie. Das hatte er verinnerlicht. Auch war sein literarischer Horizont auf das Heft beschränkt. In den Tagen, da Bastei (als Dieters Leib- und Magenverlag) die Taschenbuchreihe "Phantastische Literatur" (in Nachfolge zur "Horror-Bibliothek") mit überwiegend klassischen Texten (Stoker, Shelley, Conan Doyle) brachte (ganz zu schweigen von Suhrkamps Phantastischer Bibliothek und Heynes Ausgaben von "Dracula" und "Frankenstein"), fragte er Norbert und mich, wo er denn überhaupt die Klassiker herbekäme, wenn wir schon immer darauf verwiesen, dass der Heftfan zu wenig davon kenne.

Wie wird man Dieter denn nun gerecht? Gar nicht, denke ich. Er hat immer polarisiert, wollte es auch immer. Daher glaube ich, es kann nicht ganz verkehrt sein, wenn ich diesen Ball aufnehme und mich darauf festlege, dass er ein Großkotz war, der immer den größten Club, die meisten Ehrenmitglieder und die am besten besuchten Cons haben wollte. Sein Fanzine, das "Pentagramm" war manchmal von internen Mitteilungen über Rauswürfe und dgl. geradezu überladen. Die Beschwerde, dass Wolfgang Hohlbein ihm beim Umzug nicht geholfen habe, gehört zu seinen legendären Brüllern, die so manch Altherrenabend von ehemals aktiven Horrorfandomlern noch zu Lachsalven verleitet. Auf Ironie konnte er nicht so recht und sein cholerisches Temperament brach sich so manches Mal Bahn und stand ihm im Wege.

Dennoch war er einer der großen Gestalten des damaligen Fandoms, aber auch einer zwiespältigsten. Ich habe es genossen, mich mit ihm anzulegen und wer weiß, vielleicht hat er mich angetrieben, den Zauberspiegel immer besser zu machen. Aber das geht dann wohl doch zu weit und wird dem Zauberspiegel nicht gerecht.

Kommentare  

#1 Thomas 2010-07-23 20:31
Bin gerade auf Hexen Hermanns Gegendarstellung vom 5.8.07 auf geisterspiegel.de gestossen. Diese Gegendarstellung endet mit der Forderung, dass "weniger (unrichtiges) Gift" gut täte. Wie sieht es aber mit Horsts eigenem Gift aus, dass er beispielsweise hier auf Dieter Hoven ergießt? Mir scheint, Hexen Hermann hat eine Moral für sich, und eine für die anderen. :-*
#2 Harantor 2010-07-23 20:53
Das Kernwort ist »unrichtig«. Mal abgesehen davon, dass eine Glosse auch von der Übertreibung lebt (die nicht mal so dramatisch ist) ist kein Wort an den Taten des Oberguru unrichtig... Daher habe ich keine »Spezialmoral« für mich.

Edit: Fakt ist eben auch, dass er A. F. Morland mit dieser Aktion www.zauberspiegel-online.de/index.php?option=com_content&task=view&id=18&Itemid=193
indie Bredouille brachte.
Oder stimmt da irgendwo was nicht? Dann bin ich für jeden Hinweis dankbar und werde das natürlich sofort korrigieren
#3 Thomas 2010-07-30 21:18
Gegen Dieter Hoven kann ich eigentlich nichts Negatives sagen. Er verhielt sich mir gegenüber stets hilfsbereit und freundlich. Dagegen war mir Uwe Schnabel, sein "Konkurrent" vom Dan Shocker's Fantastik Club, von Anfang an suspekt. Aber das ist eine andere Geschichte... 8)

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.