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Liebe Freunde des gepflegten Schunds und der Trivialität, ...

Das Grauen wird 40Liebe Freunde des gepflegten Schunds und der Trivialität, ...

... liebe Mit-Dumme, für die dieser Schund seit vierzig Jahren geschrieben wird:

 

Jochen "Captain Elch" Stude"Der Grusel-Heftroman wird 40. Eigentlich kein Alter, immerhin noch 27 Jahre bis zur verdienten Rente. Andererseits ein stolzes Alter für jemanden, dessen Tod eigentlich seit seiner Geburt propagiert wird. Sein Vater wird diesen Geburtstag nicht mehr erleben. Ironischerweise wurde auch seinem Vater eine weit kürzere Lebenserwartung prognostiziert.

 

Der Grusel-Heftroman ist mit mir zur Schule gegangen. Zum einen sinnbildlich, bin ich doch nur zwei Jahre älter als er, zum anderen tatsächlich, nämlich in Form von John Sinclair und Tony Ballard unter der Schulbank in der letzten Reihe – da saßen solche Versager und Verweigerer wie ich. Farbenlehre und Kurvendiskussionen verlieren ihren Reiz, wenn die Alternative „Hochhaus der Dämonen“ heißt.

 

Vielleicht erlebe ich irgendwann auch den Tod meines einstigen Schulkameraden nach langer schwerer Krankheit. Aber sein Geist wird weiterleben. Soll heißen: Der Heftroman wird irgendwann genauso verschwunden sein, wie das Leihbuch verschwunden ist. Sein Geist allerdings, seine Protagonisten, die das Licht der Welt im Heft erblickten, werden weiterleben, im Taschenbuch, im Paperback, im Hardcover und in ganz anderen Formen.

 

Da wir hier aber auf einem Geburtstag sind, möchte ich nicht darüber nachdenken, wie lange das Geburtstagskind noch lebt und was danach kommt. Das wäre extrem unhöflich und ich sehe gerade in die betroffenen Gesichter der Zuhörer meiner Abschweifungen. Da stehe ich oben auf der Kanzel – ein Glas Sekt in der einen, drei Salzstangen in der anderen Hand – und labere ungeniert darüber, wie lange es unser Jubilar wohl noch macht. Nee, lieber nicht.

 

Trotzdem mir einige Zeitgenossen unterjubeln wollen, ich wäre einer derjenigen, die den Tod des Heftromans zelebrieren. Schön zu sehen, dass es auf dieser Welt noch Menschen gibt, die meine Meinung besser kennen, als ich selbst. Da fühlt man sich gleich nicht mehr so allein.

 

Zu solchen Anlässen spricht man doch eher darüber, wie man sich kennen gelernt hat. Meine erste Begegnung fand in einem Opel Kadett B Coupe auf dem Rücksitz statt (Diejenigen, die mehr Sex und Gewalt in Heftromanen fordern, können sich jetzt wieder entspannen, wir sind hier nicht bei Blue Movie). Auf dem Rücksitz deshalb, weil Fahrer und Beifahrerin schon 18 waren, der kleine Elch war erst 15. Mit diesem Einstiegsalter gelte ich wohl eher als ahnungsloser Spätzünder, der die ersten fünfzehn Jahre seines Lebens auf den Bäumen verbracht hat. Denken Sie doch was Sie wollen! Dennoch erfuhr ich erst auf besagtem Rücksitz von der Existenz eines Typen, der sich John Sinclair nennt. Der Geister und Dämonen bekämpft. Echte Geister und Dämonen. Keine natürliche Erklärung für übernatürliche Dinge. Geschöpfe aus der Hölle, yeah!

 

He, ich war 15, muss ich das noch mal erwähnen? Wir hatten weder Doom noch World of Warcraft, kein Supernatural, kein SAW, nicht mal Akte X. Nichts. Ja, für Euch, die ihr heute 15 seid mag das klingen, als ob man vom Krieg erzählte, aber es war tatsächlich so. Wir hatten Peter Frankenfeld, Heinz Erhardt (kein Wort gegen Heinz Erhardt, gell!), die Waltons und Bonanza. Und wir hatten den Phantastischen (mit ph!) Film im ZDF.

 

Das waren noch Zeiten, als man sich über eine Woche lang auf einen Film mit Vincent Price gefreut hat. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, habe ich nicht die blasseste Ahnung was heute Abend im Fernsehen kommt.

 

Genug der Vergangenheitsverklärung. Ich wünsche dem Jubilar noch ein langes und gesundes Leben. Wenn sich auch unser gemeinsamer Weg – den wir nun über 25 Jahre gemeinsam beschritten – langsam aber sicher trennt.

 

Namentlich danke ich hier Herrn Helmut Rellergerd, der mir mit seinem John Sinclair die Tür zu dieser Welt geöffnet hat und – posthum – Herrn Jürgen Grasmück, ohne den ein John Sinclair nicht möglich gewesen wäre. Und ich danke jedem einzelnen Autoren, der ein von mir gelesenes Heft geschrieben hat, ungeachtet dessen Qualität.

 

Lassen Sie uns den heutigen Tag gemeinsam feiern und in Erinnerungen schwelgen. Denn schon morgen wird uns die Wirklichkeit wieder eingeholt haben. Wenn sich die Alkoholschwaden dieser rauschenden Geburtstagsfete verzogen haben, werden wir wieder den Tod des Heftromans zelebrieren.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und erkläre das Buffet für eröffnet.

 

Jochen „Captain Elch“ Stude

Kommentare  

#1 benfi 2008-07-26 20:43
Es ist genau so - man kann die Tennies der Siebziger und Achtziger nie und nimmer mit heute vergleichen, ebenso wenig wie besagte Teens mit denen der Nachkriegszeit. Die Gegebenheiten waren ganz anders! Und was uns der Sinclair war ist heute halt den Kids der neueste Klingelton! :roll:
Der Absatz mit dem Fernsehen ist auch sehr gut. Heute ist Samstag - und ich weiß echt nicht, was um 20:15 Uhr kommt! Früher konnte man das gesamte Programm ALLER Sender runterrasseln...okee - es waren ja nur drei - und die machten noch nach eins dicht... :-*

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