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Getting alive - Getting a Life - Kapitel II

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Getting alive – Getting a life  II

 
Einführung
 

Die erste als wirkliche Star-Trek-Convention bezeichnete Zusammenkunft von erklärten Anhängern der amerikanischen TV-Serie ‚Star Trek‘, fand irgendwann Januar 1972 statt. An Stelle der erwarteten paar hundert Fans kamen Tausende. Aber das hier ist kein Diskurs in Geschichte, also Schluss mit Zahlen und Fakten. Wer will sich schon mit den angestaubten Zahlenspielereien von damals auseinandersetzen? Wichtig ist, das Star Trek zu diesem Zeitpunkt eine Geldmaschine wurde, und somit blieb es nur eine Frage von Zeitanomalien, wann findige Leute auch bei uns den Rubel zum rollen bringen würden. Aber halt, ich laufe Gefahr, Unrecht zu tun.

 

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Kapitel II
 
Anfänglich geschah ja alles nur aus Lust und Tollerei, und aus reinem Idealismus.
 
Da der Fan von Star Trek sich gerne streitet, wurde nie wirklich geklärt… Moment, der Star-Trek-Fan streitet eigentlich weniger, sondern giftet mehr. Er gewinnt dabei die Eigenschaften dieser Skorpion-Arten, die ständig ihr Gift verspritzen, um dann mit dem Stachel noch einmal nachzusetzen. Aber das führt nun doch zu weit und ich tue wieder einmal Unrecht, wenn ich nicht viele andere Fans von diesem Vergleich ausschließe. Es gibt schließlich auch noch den Koala unter den Fans, aber den hat ja jedes Fandom.

Idealismus ist der Auslöser für die ersten deutschen ST-Conventions, oder wie Mutter sagen würde, ein Raumschiff-Enterprise-Treffen. Nun ‚streitet‘ man gerne darüber, wer nun wirklich die erste Konvention in Deutschland anberaumt hat, die so nach amerikanischem Vorbild die Anhänger der Serie zusammen bringen sollte. Erste Zusammenkünfte erfolgten nach Einladungen an die Mitglieder des jeweils ausrichtenden Clubs. Besagte Clubs waren erstaunliche Abkürzungsfreunde. Diese Abkürzungsfreunde  warteten mit natürlich großen S‘ und Ts im Kürzel auf, bei manchen kam noch ein großes D dazu, oder vielleicht ein C, nicht zu vergessen das große F. Je nachdem. Monty Python war da mit der ‚Volkfront von Judäa‘ und der ‚Judäischen Volksfront‘ wunderbares Vorbild. Jedenfalls waren es immer Clubs, die sich in der Abkürzung gleich anhörten und sich nur durch Nuancen im Namen unterschieden. Das war besonders witzig, denn wenn man in einem Gespräch den jeweiligen Gesprächspartner einer falschen, aber ähnlich klingenden Abkürzung zuteilte. Das konnte umgehend den Skorpion wecken. Wie in vielen andern Fankreisen auch entstanden etliche Vereine nur als Gegenbewegung zu einem anderen Club. Wenn man sich dann noch den Spaß erlaubte, in zwei rivalisierenden Clubs gleichzeitig Mitglied zu sein, und dann noch die sporadisch erscheinenden Newsletter konsumierte, dann war da was geboten. Fantastische Leserbriefe, die selten etwas mit der Sache um Star Trek zu tun hatten. Köstlich, und einfach rein persönlich.

Bild zum dritten KapitelWaren wir nicht bei den Konventen? Wie man sieht, verwende ich gerne ganz verschiedene Begriffe für ein und dieselbe Sache. Das soll von meinen Unverschämtheiten gegenüber den sich nun angesprochenen Fans ablenken.

Zählen die von Vereinen Ende der Siebziger veranstalteten ersten Clubtreffen nun auch als ‚Conventions‘, wie es nach amerikanischen Vorbild geschehen sollte? Ehrenhalber muss man sagen, „ja, selbstverständlich“. Ich hingegen, als Mitveranstalter des ersten offen ausgeschriebenen, unreglementierten und für jeden zugänglichen Kongresses sage natürlich, „nein, auf keinen Fall“. Schließlich geht es darum, wer das erste Fantreffen in Deutschland veranstaltete. Da darf man nicht klein beigeben und Spaß ist es schon gleich gar nicht. Der geneigte Leser möge also bitte selbst entscheiden, denn ich bin befangen.

Ob nun geladene Gäste, sich auf Anzeigen angemeldete Clubmitglieder, oder der teilnehmende, nicht organisierte Fan, das spielte letzten Endes bei den ersten Veranstaltungen in Gästehäusern, Vereinsheimen oder Jugendzentren überhaupt keine Rolle. Kurios waren meisten Gäste so oder so, denn der Fan zeichnet sich ja durch Individualität aus. Auch hier mag es Überschneidungen zu anderen Fankreisen und Vereinen geben. Ich lasse mich aber nicht davon abbringen, den gemeinen Star-Trek-Fan als den Eigenwilligsten zu benennen. Wie immer ignoriere ich jeden Gegenbeweis.

Mit zirka fünfzig fing es an, pendelte sich schließlich bei hundert ein, konnte durchaus aber auch mal hundertzwanzig Teilnehmer erreichen. Berlin sollte man offiziell als Brutstätte bezeichnen, auch wenn sich jetzt garantiert etliche Leute melden und anderweitiges behaupten. Es sind meine Erinnerungen, nicht Eure. Berlin also, die Geschichte will es so. Da gab es zum Beispiel Freizeitheime ohne Schlafmöglichkeit, einen großen hallenden Raum mit Fernseher und einen noch größeren Raum, um am Abend tanzen zu können. Ja, ab und an wurde verkauft und konnte gekauft werden, vorausgesetzt es gab was. Und geladen waren die Mitglieder des jeweils veranstaltenden Clubs. Eine einfache Sache, die viel Freude bereitete. Besondere Aufmerksamkeit erregte bei der unbescholtenen Bürgerschaft auf den Straßen dann immer das gruppendynamische Essen gehen fernab vom Veranstaltungsgebäude. Denn man trug stolz und aus Trotz sein buntes, selbstgenähtes Kostüm.

Später, in den  Achtzigern, machte dann endlich im nicht umgrenzten Teil von Deutschland die Jugendherberge Weißenbrunn auf sich aufmerksam. Da brauchte man wenigstens kein Clubmitglied sein und man musste zum Essen gehen auch nicht aus dem Haus, wenn man volles Ornat trug. Die Leute waren zum größten Teil dennoch dieselben. Eine Jugendherberge hatte nicht nur den Vorteil dass man vor Ort untergebracht war, sondern auch, das man zu sechst, oder acht in einem Zimmer lag. Der Spaß entstand dadurch, dass die Organisatoren die jeweiligen Gäste oft nicht kannten und so den Anti-Alkoholiker, welcher früh zu Bett ging, mit dem Partymenschen in ein Zimmer steckte, der gerne zu Room-Partys lud.

Machen wir einen erklärenden Schritt zurück. Ein Kongress zeichnete sich damals in erster Linie dadurch aus, dass man das Gemeinschaftserlebnis zelebrierte, Star-Trek-Videos in der Originalfassung zu konsumieren. Man bedenke, diese Treffen begannen in Deutschland schon Ende der Siebziger. Da bedurfte es des Freundes eines Freundes, dessen Freundin Beziehungen zu einer Tante hatte, deren Freundin in Amerika lebte. Aber Hallo, das waren die gesegneten Fans, liebe Freunde. Da kam dann einmal im Jahr eine Videocassette mit fünf Folgen Star Trek, frisch aus der Wiederholung aufgenommen und wurde unter die Fans gebracht. Da saß man dann bei einem Konvent, im Sommer bei 35 Grad im Schatten, in einem abgedunkelten Raum und belechzte die Tränen von James Kirk, weil Edith Keeler gestorben war. (Für die Unwürdigen unter Euch werde ich nicht näher auf die von mir beschriebene Szene eingehen. Ihr seid selber Schuld.) Nicht zu vergessen, dass die tolle amerikanische Tante ja alles im Fernsehformat NTSC aufnahm und wer diesseits des Ozeans bereits einen Videorekorder besaß, war mit PAL gesegnet. Da musste man sich schon was einfallen lassen, das man die Folgen überhaupt ansehen konnte. Aber es gab Zeiten, da war der Fan genügsam und so zog er sich eine Episode gerne mal in schwarz/weiß rein, wenn zehnmaliges Umkopieren seine Spuren hinterließ.

Manchmal gipfelte so eine Video-Session mit der Frage eines der Veranstalter an die geifernden Gäste, „wir haben noch Zeit im Ablauf des Programmes und wir hätten hier noch die Folge ‚Paradise Syndrom‘, allerdings fehlt da das Ende.“ „Einlegen! Einlegen! Einlegen!“

Aber ich beschwöre ja immer, dass es kreative Wochenenden waren. Da wurden Story-Wettbewerbe abgehalten, mit teilweise aberwitzigen, aber nicht witzigen Inhalten. Selbst geschneiderte Kostüme sind präsentiert worden, mal grandios mit liebevollem Aufwand, mal im genauen Gegenteil. Bastel- und Zeichenwettbewerbe durften auch nie fehlen, obwohl man sich oft gewünscht hat, sie hätten gefehlt. Und nicht zu vergessen: Die Spiele. Da mussten dann alle Gäste unsinnige Aufgaben erledigen, Schnitzeljagden hinter sich bringen und manchmal sogar Lieder von sich geben. Alles unter dem Deckmantel von SciFi und Fantasy, mit originellen Namensgebungen, noch originelleren Aufgaben und unschlagbaren Gästen. (Kurzer Anflug von Sentimentalität) Es war einfach genial.

Aber, und das darf ich in aller Arroganz unterstreichen, am wichtigsten war das Sozialisieren außerhalb des Programmrahmens. Im Laufe der Zeit und mit dem Einzug des Videorekorders in jeden Haushalt lockerte man die Programmabläufe mehr und mehr auf, um mehr Platz zum ratschen, tratschen und philosophieren zu geben. Dabei wurde nie so heftig gestritten und gezetert, wie in diversen Leserbriefen verschiedener Newsletter. Hier stand man sich ja gegenüber, man wäre sonst in die Verlegenheit gekommen, sich direkt und unausweichlich mit entsprechender Person auseinander zu setzen. Es machte sich also der vielbeschworene Friede unter den Völkern breit, ganz im Sinne des Erfinders. Star Trek schuf dadurch eine abstrakte Umgebung, die viel von einer Scheinwirklichkeit hatte. So viele Gutmenschen könnte nicht einmal unsere irdische Heimat ertragen.

Des Nachts sah es ganz anders aus. Während im Hauptraum die Disco-Klänge wummerten, bahnten sich schon die ersten alkoholischen Freudenfeuer an. Disco Klassiker war selbstverständlich ‚I lost my heart to a Starship-Trooper‘ von Sarah Brightman, da gibt es wohl keinen Zweifel. Gerne gespielt wurde natürlich auch Nena mit den ‚Neunundneunzig Luftballons‘, weil da auch Captain Kirk erwähnt wird, obwohl die Puristen die im Text implizierte Kriegslust von Kirk überhaupt nicht gut hießen. ‚Ghostbusters‘ wurde selbstredend oft gespielt, sowie Village Peoples ‚In the Navy‘, bei dem der schon heiß getanzte Fan im Refrain ‚In the Starfleet‘ brüllte. Werft es ihnen bitte nicht vor. Ich war doch auch dabei. Dafür wurden keine Schmuser gespielt, Gott bewahre. Hätte auch nur die Tanzfläche leer gemacht, weil sich der durchschnittliche Star-Trek-Fan gerne der romantischen Zweisamkeit entgegenstellt. Nach Sonnenuntergang konnte es durch entrückte Sinne zu vereinzelter Pärchenbildung kommen, dann durchaus auch mal heftig, dennoch diskret jenseits der Room-Partys. Allen Gerüchten zum Trotz: es wurden an diesen Wochenenden keine Kinder gezeugt, von denen irgendjemand etwas wusste.

Aus dem Skorpion mutierte an solchen Wochenenden doch gerne mal der Wolf, was darin gipfelte, dass sich früh gebettete Diplom-Psychologen über lautstarkes Gesinge ereiferten. Denn in der letzten Stunde vor Sonnenaufgang geht der mutierte Wolf gerne mal durch Gruppendynamik inspiriert dazu über, Film- und Fernsehmelodien zu intonieren. In der Menge grölt sichs eben doch lauter. Wer immer glaubte, sich über den kunstvoll dargebrachten Lärm beschweren zu müssen, dem wurde die Zimmertür mit einer Wand von leeren Coladosen zu gemacht. Wir sind noch immer in einer Jugendherberge, wo man zum Pippi machen aus dem Zimmer musste. Der früh zu Bett gegangene Diplom-Psychologe, der den leicht alkoholisierten Feierlaunigen vorher noch einen beschränkten Horizont bescheinigte, weckte beim ersten Sonnenstrahl die gesamte Herberge bei öffnen seiner Zimmertür.

Dass bei Eskapaden, die nur im Suff als lustig galten, Veranstalter mit am Wirken waren, hob die Laune der sich Beschwerenden nicht wirklich. JA, es kann sein, das ich das eine, oder andere mal beteiligt war. Ich habe es allerdings auch nur aus Erzählungen erfahren und gebe hier nur Informationen aus zweiter Hand weiter. Persönlich würde ich mir niemals zutrauen eine Zimmertür mit einer Tagesdecke derart zu verhängen, dass die unschuldig Eingeschlossenen sich darin verfingen, oder bestenfalls überhaupt nicht mehr aus dem Zimmer kamen.

Der Koala unter den Fans, das ist der Ruhige, der gemütlich in der Ecke sitzt, beobachtet und sich dennoch amüsiert. Auch der hatte seinen Spaß an exzessiven Wochenenden. Der Skorpion hat sich selbstständig vom Spritzen und Stechen zurück gezogen, wenn auch nur für ganz kurz. Und der Wolf war froh, wenn das Wochenende einen Abschluss fand, damit er wieder ausschlafen und auf diverse Stimulanzien verzichten konnte.

Von Jahr zu Jahr verloren diese Veranstaltungen unmerklich ihren festen Bezug zum Thema Star Trek. Es generierten sich Treffen bei dem Video schauen und Kostüme präsentieren nur lästig wurden, und der Initiator Star Trek merklich an Gewichtung verlor. Ja, das nannte man Convention.



Lesen Sie nochmals Kapitel 3 , oder in Kapitel 4 den Inhalt von Kapitel 5.

Wir hätten auch noch Episode II, also Kapitel 1.

Kommentare  

#1 Stefan Holzhauer 2008-09-12 11:17
Mann, was war das ein Spaß. Ich kann mich auch noch genau an den ins Zimmer geschmuggelten Hahnen-Wecker erinnern, der zu unpassender Zeit mit lautem Gekrähe weckte. :D

Oder als die zwei Mädels, eine davon Klingonin, fühmorgens leicht angeheitert in ihr Zimmer eierten und dabei einen gewissen Lärmpegel verbreiteten. Auf die Beschwerde der früh zu Bett gegangenen Zimmergenossen kam von der einen die alles erklärende Antwort: "Ich bin Klingonin!" :D

Oder meine zweite (und letzte) Con-Course in Hamburg: Bis morgens um fünf gezaubert und erschöpft ins Bett gesunken, um dann gegen sieben über die Lautsprecheranlage mit einem "Red alert! All hands to battlestations!" geweckt zu werden. Ich lag genau unter dem Lautsprecher und hatte einen massiven Anflug Trekkies klatschen zu wollen... :D :-*
#2 Mainstream 2008-09-12 19:00
:cry:
Wie jetzt 'Trekkies' klatschen!?
Gott sei Dank bin ich Trekker.

:eek:
Oder kennst Du das leichte Zupfen an Deiner Schulter früh morgens nachdem Du gerade mal vor fünfunddreissig Minuten ins Bett bist, "willst Du denn nichts frühstücken?" :-x

Ja, Trekkies sind so. Wissen selten wann Schluss ist mit Rollenspiel und Gutmensch sein.
#3 Stefan Holzhauer 2008-09-12 23:57
Zitat:
Wie jetzt 'Trekkies' klatschen!?
Erstens bin ich in den letzten 18 Jahren ruhiger geworden, zweitens habe ich mein Vorhaben ja nicht in die Tat umgesetzt. :D

Zitat:
Gott sei Dank bin ich Trekker.
Eben. :lol:

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