Hermann Ritter und ...
Hermann Ritter und...
Ein Debütroman mit einigen Auffälligkeiten
Ein Debütroman mit einigen Auffälligkeiten
Gelungen ist Hermanns Einstand nun wahrlich! »Feinde des Lebens« ist ein erstklassiger Roman, bei dem man gar nicht anders kann, als ihn in einem Rutsch durchzulesen. Hermann gelingt es vorzüglich, die Atmosphäre der SF-Action-Reihe einzufangen und eine ebenso mitreißende wie überzeugende Geschichte zu erzählen. PRA 22 ist allerdings weit mehr als bloß ein weiterer, gut geschriebener Beitrag zur Serie. »Feinde des Lebens« ist ein Roman, der sich deutlich von den übrigen PRA-Heften abhebt, und das in so mancher Hinsicht...
Ja, wo isser denn? Wo isser denn...?
So, wie Besitzer von Katzen mitunter ergebnislos nach ihrem geliebten Vierbeiner suchen, der sich irgendwo in der Wohnung verkrochen hat, so sucht der versierte PRA-Leser in Hermanns Erstling vergebens nach dem Titel gebenden Charakter der Reihe. Man mag es kaum glauben, aber Perry Rhodan, der Großadministrator höchstpersönlich, die Leitfigur der Serie und damit der Actionheld schlechthin, spielt in »Feinde des Lebens« nicht mit!
Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich bin zwar durch das Interview mit Hermann vorgewarnt gewesen, doch während der Lektüre hat es mich dann doch ein wenig erstaunt: Der langlebige Terraner hat im zehnten Band des »Kristallmond«-Zyklus keinen Auftritt. Damit ist »Feinde des Lebens« der erste PRA-Roman, der ganz ohne Perry auskommen muss.
Stört das? Nö, nicht wirklich. Zum einen ist man es ja aus der EA gewöhnt, dass Rhodan nicht in jedem Band mitspielt, und zum anderen ist die Geschichte um Betty und Tanisha, die im Roman zum Besten gegeben wird, auch ohne das Eingreifen des Großadministrators spannend. Dass die Story von Hermann flüssig erzählt und packend in Szene gesetzt wird, tut ihr übriges, den Leser Rhodan nicht weiter missen zu lassen.
Gut, die Story ist wohl eher Exposéautor Christian Montillon zuzuschreiben als Romanautor Hermann. Dennoch sollte hier erwähnt werden, dass die Geschichte von »Feinde des Lebens« mindestens ebenso ungewöhnlich ist wie der Verzicht auf die Person Perrys. Statt die Rahmenhandlung um die Rachepläne Lok-Aurazins fortzuschreiben, konzentriert sich das Heft auf einen Nebenschauplatz der Serie. Erzählt wird der Angriff eines wütenden Opulu auf die Welt Tarkalon und der verzweifelte Versuch Bettys und Tanishas, die gigantische Lebensform zu beschwichtigen.
Liegt hier also ein Lückenfüller vor? Man kann es zweifelsohne so sehen; der Roman hätte auch relativ problemlos weggelassen werden können. Ich bin allerdings froh, dass er entworfen und geschrieben wurde. Die Story unterscheidet sich so stark von denen der übrigen Romane und wurde gleichzeitig so brillant von Hermann in Worte gefasst, dass die Lektüre ungeheuer viel Spaß macht, Bezug zur Rahmenhandlung hin oder her.
So sollten Lückenfüller immer aussehen oder lieber doch nicht, sonst freut man sich schließlich mehr über solche Erzählungen als über die eigentliche Rahmenhandlung...
Gerne würde ich an dieser Stelle eine umfangreiche Analyse darüber abgeben, wie Hermann verschiedene Actionsequenzen gekonnt oder unbeholfen umgesetzt hat. Das kann ich mir nun allerdings schenken. Denn, ganz wie im Interview angekündigt, gibt es in »Feinde des Lebens« eigentlich keine Szene, die als echte Actionsequenz durchgeht. Noch in Staffel eins wäre mir das seltsam vorgekommen, in Staffel zwei sorgt diese Feststellung nicht einmal mehr für ein leichtes Heben der Augenbrauen. Der »Kristallmond«-Zyklus ist deutlich ruhiger als sein Vorgänger, weshalb sich Hermanns actionfreier Beitrag wunderbar in die Riege der Hefte zu Staffel zwei einfügt.
Neben dem Fehlen von Perry Rhodan war dies wohl die größte Überraschung, die der Roman für mich bereithielt. Waren die bisherigen 21 Hefte der Serie immer in der dritten Person geschrieben, so wechselt Hermann die Perspektive und schaltet um auf Innensicht. Mit anderen Worten: In »Feinde des Lebens« haben wir es mit einem Ich-Erzähler zu tun.
Moment, halt, das stimmt nicht so ganz! Genau genommen bekommen wir nämlich nicht nur einen, sondern gleich vier Ich-Erzähler geboten. Zwar wird der Großteil der Story aus der Sicht Betty Toufrys geschildert, doch auch ihre Co-Stars Tanisha Khabir, Tadran Wecor und Alosian melden sich gelegentlich zu Wort.
Was zu Beginn überrascht, entpuppt sich schnell als formidables Stilmittel. Die neue Perspektive des Ich-Erzählers stellt eine angenehme Abwechslung zum gewohnten Er-Erzähler dar. Hermann versteht sich erstklassig darauf, Storylines aus der Innensicht einzelner Personen zu erzählen. Selten hatte man bei PRA das Gefühl, einem Charakter derart nahe zu kommen und ihn derart gut zu verstehen, wie das in »Feinde des Lebens« der Fall ist. Allenfalls die Beiträge Mark A. Herrens zur zweiten Staffel vermitteln einen ähnlichen Eindruck.
So einfach ist das nicht, wandte Alosian ein. Immerhin herrscht hier Ordnung, und die Menschen bekommen zu essen.
Dieser Abschnitt auf Seite 48 von »Feinde des Lebens« hat mir, gemeinsam mit ähnlichen Absätzen im Verlauf des Romans, einiges zu denken gegeben. Es ist dabei weniger die Handlung, die mich ins Grübeln gebracht hat, sondern vielmehr die Art und Weise, wie Hermann hier das Wort Menschen verwendet. Man muss sich nämlich eines klar vor Augen führen: Die Handlung spielt auf Tarkalon, und nicht auf der Erde, und die Personen, von denen Rede ist, sind Tarka und keine Terraner.
Mag sein, dass auch andere Autoren den Begriff Menschen für Nicht-Terra-Abkömmlinge, sprich waschechte Außerirdische, verwenden. Es ist mir jedoch noch nie so stark aufgefallen wie in diesem Heft.
Dass mich nun keiner falsch versteht, das hat jetzt nichts mit Rassismus oder ähnlichem zu tun. Für mich allerdings umfasste der Begriff Mensch bislang lediglich die Bewohner Terras sowie die Nachkommen der Exilterraner, die auf anderen Planeten aufwachsen. Hermann fasst den Begriff deutlich weiter als ich und schließt, wie es aussieht, alle Humanoiden in diese Umschreibung mit ein.
Hat das nun irgendwelche praktischen Konsequenzen? Keine Ahnung, wohl eher nicht. Allenfalls die, dass mich interessieren würde, wie andere PR(A)-Leser die Sache sehen. Umfasst der Begriff Menschen eurer Ansicht nach nur Terraner und Co, oder sind damit auch Arkoniden, Ekhoniden und andere humanoide Lebensformen gemeint? Wenn ihr eine Idee oder Meinung zu dem Thema habt, lasst es mich wissen!
Ach ja, diese Feststellung hat doch noch eine weitere Konsequenz: Ich muss immer wieder bereit sein, eigene Vorstellungen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu modifizieren. Schließlich kann schon ein scheinbar einfaches Prinzip wie die Einteilung von Lebewesen in Mensch und Nicht-Mensch so manche Unklarheit mit sich bringen, wie Hermanns Roman zeigt.
Klingt komisch, ich weiß, passt aber so schön zu den anderen Zwischentiteln.
Wie dem auch sei: »Feinde des Lebens« ist ein wirklich großartiger Roman, der zu begeistern weiß und den Leser in so mancher Hinsicht angenehm überrascht. Insbesondere Hermanns Entscheidung, die Geschichte aus der Innensicht seiner Charaktere zu erzählen, hat sich meiner Meinung nach als echter Glücksgriff erwiesen. Hier zeigt sich, dass PRA auch jenseits der Handlung immer wieder für positive Überraschungen gut ist.
Internetnutzer wissen es längst, auf der LKS von Band 22 wird es aber noch einmal extra angekündigt: PRA geht in eine dritte Staffel. In der letzten Ausgabe habe ich hierzu ja schon so manchen Gedanken geäußert, weshalb ich hier nicht nochmal näher darauf eingehen möchte. Lediglich ergänzen will ich meine Aussagen: Wenn die Suche nach Autoren für den »Wega«-Zyklus losgeht, dann sollten sich die Macher unbedingt an Hermann Ritter wenden! Auf einen weiteren Roman aus seiner Feder würde ich mich riesig freuen, auch dann, wenn es schon wieder nur ein Lückenfüller ist.
Vielleicht sogar gerade dann...