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Stadtmuseen, Forschung, Planung, Romane, Geschichte, Forschung und Novellen

Teestunde mit RolfMoin Rolf, nicht nur die Geschichte der Chatten war wechselvoll, sondern auch die Geschichten von Dir darüber. Da ging es hü und hott. Mal Roman, mal Novellen, dann kamen statt dessen Krimis. Erzähl doch mal von Entstehung und Recherche, von Verlegern und Plänen...

Stadtmuseen, Forschung, Planung, Romane, Geschichte, Forschung und Novellen

Inzwischen ist der Abdruck der „Chatten-Saga“ im Zauberspiegel schon durch und die Teestunden-Freunde werden bei meinen weiteren Erzählungen zu diesem Thema etwas klarer sehen. Einigen Leuten, die knurren, dass ich die Erzählungen über die Frühzeit vom Zamorra kurzfristig unterbrochen habe, sei noch mal gesagt – es geschah deshalb, weil die so genannte Schlacht im Teutoburger Wald sich jetzt zum zweitausendsten Mal jährt.

 

Und weil die Chatten-Saga und auch der große Roman „Arpio - Herzog der Chatten“ dieses für ganz Europa und besonders unser Land so entscheidendes historisches Ereignis ein zentraler Punkt ist, wollten wir im „Zauberspiegel“ die „Historien“ in diesem „Jubiläums-Jahr“ noch bringen.

Die Bücher sind immerhin aus dem Handel raus und für die Texte gibt es derzeit keine Interessenten für einen Nachdruck. Und noch mal einen Text wie die „Wölfe des Nordens“ an einen Kleinverlag geben kommt auch nicht mehr in Frage.

Also, was sollen die Texte auf meiner Festplatte vermodern. Und wenn ich alles über die „Historien“ erzählt habe, dann ist auch der Zamorra wieder dran. Wie ich das schon am Beginn der letzten Teestunde geschrieben habe.

So, schließen wir an die letzte Teestunde an...

Und ich muss noch mal kurz zurück springen. Zwischen dem ersten Gespräch mit dem Verlagsleiter – und den Probekapiteln. Denn ihr sollt ja schließlich alles erfahren, wie die historischen Texte entstanden sind.

Zuerst einmal brauchte ich natürlich einen echten historischen Hintergrund für meine Geschichten. Möglichst ein dickes Sachbuch über die Chatten in unserer Region. Meine Bibliothek war damals noch nicht so reichhaltig wie heute, aber gewisse Standard-Werke waren vorhanden.

Nur – über die Chatten war so gut wie nichts zu finden. Einiges stand bei Tacitus in der „Germania“ und in den „Annalen“. Ansonsten – Fehlanzeige. Alles zusammen, was wirklich wissenschaftlich fundiert war, passte gut und gern auf 1,5 bis 2 Manuskriptseiten.

Eigentlich ausreichend, um eine wilde Germanen-Action zu bringen und drauf los zu fabulieren. Aber eben nicht das, was ich wollte.

Also gab es nur eins. Den Telefonhörer aufnehmen und die Nummer vom Kasseler Landesmuseum wählen. Nachdem ich ungefähr drei Mal mein Sprüchlein aufgesagt hatte, war ich dann richtig verbunden worden.

Ich hatte die Leiterin der „Abteilung für Vor- und Frühgeschichte“ in der Leitung.  Und als die den Begriff  „Schriftsteller von Heftromanen“ hörte, kamen bei ihr sofort die Hörner raus und sie ging in eine Position zwischen Angriff und Verteidigung.

Wenn du „Heftromane“ geschrieben hast bist du in gewissen Kreisen genau so wenig Schriftsteller wie du dich in ähnlichen Kreisen Journalist nennen darfst, wenn du bisher für die Bild-Zeitung gearbeitet hast.

Das hat nichts mit Erfolg und der Vielzahl von Veröffentlichungen zu tun sondern einfach damit, dass der „Heftroman“ eben für die Leute keine „Kultur“ ist. Ein Bändchen mit eigener Lyrik, das du hast selbst drucken lassen und auch selbst vertreibst, damit kannst du mehr Ehre einlegen als Leute mit 500 und mehr geschriebenen Heften.

Das also war mein erster Kontakt mit der etablieren Wissenschaft.

Und dass die Frau vom Museum nicht auflegte lag nur daran, dass ich im Eiltempo all mein Wissen über die Chatten runter haspelte, das ich aus meinem Tacitus gelernt hatte und dazu noch Querverweise auf Jacob Grimm gab. Erst danach hat mich die gute Frau Doktor so halbwegs für akzeptabel angesehen und es wurde ein Termin vereinbart, wann ich bei ihr vorsprechen konnte.

Sie wollte sich mal anhören, was ich da so machen wollte. Und wenn sie damit einverstanden war, dann würde sie mir Kopien der Aufzeichnungen ihres Doktor-Vaters überlassen. Der sei zu Lebzeiten
der Experte für die Chatten gewesen und hätte alles gesammelt, was über diesen germanischen Volksstamm wissenschaftlich dokumentiert war.

Jubel über Jubel. Wenn ich die Aufzeichnungen eines anerkannten Wissenschaftlers als Grundlage hatte, dann hatte ich die Basis, um einen Roman zu machen, der ganz eng an der realen Wirklichkeit lag.

Und – das war es ja was ich wollte. Schon bei den Zeit-Abenteuern in den Heften war es mir ja immer darum gegangen, die tatsächlichen Erkenntnisse der Geschichtsforschung zugrunde zu legen. Und – das habe ich bis zu einem gewissen Grade sogar bei den Zeitsprüngen nach Troja gemacht.

Und dann war der große Tag da, wo ich mich mit meinem angelesenen Wissen erstmalig abseits aller Party-Gespräche bei Festen in Jürgen Grasmücks Haus einer Vertreterin der echten Wissenschaft stellen konnte.  Anlässlich der Partys bei Jürgen waren auch immer mal Historiker geladen, aber die Gespräche liefen nur so lange gut und angeregt, bis ich gestand, das ich nur die Mittlere Reife habe, nie ein Uni von innen gesehen habe und das ganze Wissen angelesen ist.  Da brach dann der Kontakt immer rasch ab – Akademiker sind in dieser Hinsicht oft und gern eine Elite zu der man trotz allem Bücherwissen keinen Zugang hat (es sei denn, man heißt Pesch – der ist da ganz anders).

Und so ähnlich war das ja auch bei meinem Telefongespräch gewesen. Nur dass ich eben diese Frau mit meinem Bücherwissen so zugeschwallt und vollgelabert  habe, dass die weibliche Neugier die Oberhand bekam. Wie auch immer - die Hauptsache ist der Effekt.

Den ersten Kontakt mit Frau Doktor habe ich dann auch in meinen Kassel-Krimi mit eingebaut – in dem viele tatsächlich geschehene Episoden drin sind. Da habe ich sie Frau Doktor Zabel genannt – was ihrem Namen auch etwas nahe kommt  und die Sache mit dem Faustkeil, die ich gleich erzähle, fand auch Eingang  in den  Krimi.   

Der Eingang in den Arbeitsbereich von Frau Doktor glich einem Gang durch eine Art Hochsicherheitstrakt – jedenfalls damaliger Standard. Die Türen waren alle speziell gesichert und nur mit Codierung zu öffnen.  Denn dieser Arbeitsbereich war auch gleichzeitig das Magazin für neu ausgegrabene Fundstücke aller Art, für die kein Platz zum Ausstellen war.

Auf dem Tisch der Frau lag ein Faustkeil – und ich sollte bestimmen, ob er echt sei oder nicht. Ja, der Historiker kennt zwar die geschriebene Geschichte – aber nur der echte Archäologe kann aufgrund seiner Beschaffenheit einen Fund einer bestimmten Epoche zuordnen.  Und gebuddelt hatte ich noch nicht – außer als Kind im Sandkasten. Graben ist Arbeit – wer es längere Zeit macht, auch schwere Arbeit - das muss ich nicht haben...

Aber manchmal haben blinde Hühner ja auch Glück, ein Korn zu finden. Der Faustkeil lag angepasst in meiner Hand - war also nicht für die Hand eines sehr viel kleineren Steinzeitmenschen gemacht. Außerdem waren die Kanten dort, wo er in der Hand liegt, zu wenig abgeschliffen. Bei Benutzung wäre innerhalb kürzester Zeit die Innenfläche der Hand kaputt gewesen.

Also – ein Kopie. Und damit hatte ich bei der schon recht betagten Dame gewonnen. Sie wurde zugänglich und hörte sich alles an, was mir da so vorschwebte.

Allerdings interessierte sie nur, was ich mir für die Steinzeit  bis zu den Tagen des großen Holzhackers Christi an Handlung vorschwebte.  Und dann erkannte sie ganz folgerichtig, was ich brauchte.

Also Kopien der Grundrisse einer Siedlung  aus der Chatten-Zeit, die gerade ausgegraben wurde nebst den wichtigsten Grabungsfunden. Dazu das Lebenswerk ihres „Doktor-Vaters“ von dem ich Kopien machen konnte.

Und jetzt glaubt jeder an an dickes Buch. Irrtum! Es waren ungefähr drei Maschine-geschriebene A-4 Seiten. Und sie enthielten im Wesentlichen das, was ich eigentlich bereits wusste.

Ja, mehr ist über die Chatten tatsächlich nicht wissenschaftlich  dokumentiert und nachweisbar. Und die Spaten-Archäologie bringt in den Siedlungen auch nur Fragmente der Fundamente und den Inhalt von Müllgruben.  Das ist sehr viel, um echte Archäologen zu begeistern – sehr wenig, um daraus einen Roman zu machen, den auch Leute lesen, die sich für Geschichte nicht interessieren und bei diesem Fach in der Schule schon eingeschlafen sind. Oder die aus dieser Zeit nichts gehört haben, weil die heutigen Lehrer der Meinung sind, dass es ausreicht, wenn die Schüler was von der jüngsten deutschen Geschichte wissen.

Allerdings hat  Frau Doktor dann unten in den Ausstellungsräumen noch eine echt gute fachgerechte Privat-Führung für mich gemacht. Und damals war gerade das Steinkammergrab von Züschen im Museum maßstabsgerecht nachgebaut worden. Auch der Original-Stein mit den Ritzungen von Kühen mit den Wagen und auch der Eingangsstein mit dem „Seelenloch“ befindet sich jetzt im Kasseler Landesmuseum. Im eigentlichen Grab stehen davon jetzt Kopien.

Und während Frau Doktor noch redete, entspann sich in meinem Kopf schon der Hintergrund für die erste Novelle aus der Steinzeit, die demnächst hier im Zauberspiegel zu lesen ist.  Leider war das der einzige Kontakt mit dieser Dame und ich bedauere wirklich, dass sie bereits tot war, als dann die „Chatten-Saga“ wirklich raus kam.

So, wie heißt es in der Rocky-Horror-Picture Show?
 
„Let's do the Time-warp again...“ also – überspringen wir wieder die Zeit und schließen an die alte Teestunde an. Denn da hatte ich die Sache im Landesmuseum übersprungen. Warum – ganz einfach – es ist so lange her, ich hatte einfach nicht mehr dran gedacht.

Wie so vieles hatte ich auch diese Thematik für mich als abgeschlossen betrachtet – und leider verfüge ich ja nicht über Professor Dumbledors „Denkarium“ oder kenne sonst einen „Erinnermich-Zauber“, sondern muss mir die Erinnerungen aus meinen eigenen Gehirnwindungen wieder zusammen suchen.

Die drei Probekapitel, die ich bereits erwähnte und die in den nächsten Wochen im Zauberspiegel kommen, waren geschrieben. Ich habe sie mit dem erklärenden Vorwort aus der letzten Teestunde abgeschickt und dann erst mal sehr lange nichts mehr vom Wartberg-Verlag gehört.

Da Hans drängelte und wissen wollte, was nun mit einem Chatten-Buch für seinen kleinen Sohn ist, habe ich einige Telefonate mit dem Wartberg-Verlag geführt. Natürlich wusste dort erst mal niemand was von „Historischen Novellen“ und der Herr Verlagsleiter sei auf Dienstreise.

Aber steter Tropfen höhlt den Stein und irgendwann  wurde ich zum Verlag zu einem Gespräch vorgeladen.

Für mich war das damals etwas problematisch, weil sich dieser Verlag im Gudensberger Ortsteil Gleichen befindet – also in einem verträumten Dorf. Da ich aber damals aber in Kassel und die Straßenbahnhaltestelle vor der Tür hatte, war ich zu jener Zeit ohne Auto.  

Den Wagen hatte ich verkauft, weil er sich sonst so langsam auf dem Parkdeck kaputt gestanden hätte. Ich hatte durch Umstrukturierun des Amtes keine Außendienste mehr und hätte einen teuren Parkplatz anmieten müssen. Also bin ich mit der Straßenbahn gefahren, fing beim Einsteigen mit der Zeitung an und war mit Lesen fertig, wenn ich am Altmarkt angekommen war, wo das Kasseler Ordnungsamt seine Diensträume hat.

Autofahrer bin ich dann wieder geworden, als ich wieder eine Lebenspartnerschaft einging und nach Rhünda gezogen bin. Den die Anbindung der ländlichen Gemeinden an den öffentlichen Nahverkehr war und ist katastrophal und ohne eigenen Wagen bist du auf dem Land verloren. Das galt für Rhünda – und auch für Nassenerfurth, wo ich jetzt residiere.

Aber so lange ich in Kassel wohnte, brauchte ich tatsächlich kein Auto mehr und die steigenden Benzin-Preise ließen mich völlig kalt – so wie es jetzt ist, wenn Tabak und Zigaretten teurer werden.  

Also, zum ersten Verlags-Gespräch mit „Wartberg“ hat mich mein Bruder Peter gefahren. Der Verlag hat übrigens seinen Namen von einem Berg in der Nähe, wo interessante Ausgrabungen aus der frühen Bronzezeit gemacht wurden.

Interessanterweise hatte der Verlagsleiter meine Texte kaum überflogen, so dass ich mir noch mal den Mund fransig reden konnte um ihm darzulegen, was ich überhaupt wollte.

Es dauerte einige Zeit, ihm klar zu machen, dass an dem Projekt „Geschichten aus der Geschichte Nordhessens“ für mich weniger die Kohle  interessant war, weil ich ja das Gehalt meines Arbeitgebers hatte (nicht gerade üppig, aber ausreichend) sondern weil ich meine nordhessischen Landsleuten ihre eigene Geschichte näher bringen wollte.

Mir schwebten grob gesehen eine in sich zusammenhängende Handlungen wie eine Art Familiensaga vor, die sich fast von der Steinzeit her bis in die heutige Zeit entwickelt.

Wie bei Gustav Freytags Werk „Die Ahnen“  sollten in jeder Story Hinweise oder Artefakt auftauchen, die frühere Ereignisse andeuteten. So entstand die inzwischen schon mal aus der „Chatten-Saga“ bekannte Familie der „Hassionen“ die dem Land der Chatten schließlich den neuen Namen gibt und dann irgendwann zur Familie „Hesse“ wird.

Und am Schluss des letzten Bandes steht der kleine Junge vor einer Vitrine im Kasseler Landesmuseum, in der Gegenstände zu sehen sind, wie mal einem seiner Vorfahren gehört haben. Das wäre dann aus den Bänden  raus hervor gegangen.

Klar, der „kleine Junge“ wäre ich selbst gewesen. So im Alter von zehn Jahren war ich das erste Mal in diesem Museumsbereich. Mein Name ist zwar nicht „Hesse“ – aber der Name meines damaligen besten Freundes. Bei unseren Bandenkriegen innerhalb der Straßen und den wilden Schwertkämpfen war er immer „Prinz Eisenherz“ während ich in aller Bescheidenheit bei uns „Wikingern“ (so nannten wir uns damals, weil uns Jungen aus der Hartwigstraße alle der Film mit Kirk Douglas begeistert hatte) meinen Comic-Helden Sigurd darstellte. Übrigens ist der Name „Hesse“ in unseren Breiten ja gar nicht ungewöhnlich.

Ich hatte bei dem Projekt an 20 Taschenbücher gedacht, die ich auch mit einem jeweiligen Kurz-Expose vorgeplant hatte.

Das erste Kapitel wäre das „Seelenloch“ gewesen, die Story aus der jüngeren Steinzeit mit dem Steinkistengrab von Züschen, dass im Kasseler Landsmuseum auch rekonstruiert ist.

Vielleicht mit einem Bild auf den Buchrücken, das nur zu erkennen ist, wenn man die gesamte Edition hat. Das wäre interessant  wegen des Sammel-Effektes gewesen.

Und diese Tb's sollten nach meiner Vorstellung nicht nur in Buchhandlungen verkaufen sondern auch an Kiosken, Tabakläden etc. Und für die Werbung sollte man die Presse mit einschalten. Wenn die Zeitungen rezensieren, ist das auch eine kostenlose Werbung.

Ich bin ja in manchen Sachen Idealist und habe nicht nur blaue Augen, sondern bin in gewissen Dingen tatsächlich blauäugig.

Ich war nämlich überzeugt, hier das Ei des Columbus gefunden zu haben, endlich einmal eine geschlossene Geschichte unserer nordhessischen Heimat vorlegen zu können, die auch jemand lesen kann, der nie ein Geschichtsbuch zur Hand nehmen würde. Eben – weil meine Geschichten aus der Geschichte eben genau so hätten passieren können – es eben nur niemanden gab, der die Sachen aufgeschrieben hat.

Und – um schon mal vorzugreifen. Ich weiß aus Gesprächen mit einem Archäologen, die Anfang letzten Jahres an der Fulda eine große Chattensiedlung ausgegraben haben (die ich zehn Jahre vorher beireits in der „Saga“ beschrieben habe) dass die „Chatten-Saga“ von Fachleuten auch gelesen wurde und sie nichts dran auszusetzen hatten.

Das zeigt auch schon, dass die Chatten-Saga in Sachbüchern über Ausgrabungen in Nordhessen mit erwähnt wird.  Eine „Räuberpistole“  ohne historische Substanz hätte diese Ehre wohl nicht bekommen.

Ja, aber zwanzig Bände. Gleich die Vorplanung  für zwanzig Bände.  Das Risiko erschien dem Wartberg-Verlag doch etwas zu groß. Normalerweise machen sie nur Bildbände für Städte und Regionen – und das nicht nur für Kassel und Nordhessen. Historische Romane und so was, das wäre mal was ganz Neues gewesen.

Schließlich bot ich dem Verlagsleiter an, einen Einzelroman zum Thema
„Chatten“ zu schreiben. Und das akzeptierte er dann auch. Allerdings gab er mir keine Seitenzahl vor sondern meinte eben nur, man könnte ja mal „einen großen Roman“ versuchen.

Nur differierten, wie ich später feststellte, unsere Vorstellungen über einen „großen Roman“.

Mir kein Seitenlimit vorzugeben, das ist schon bei der Fantasy mit dem „Götterkrieg“ schief gelaufen. Da musste der Bastei-Verlag dann auch ca. 1/3 rauskürzen lassen, damit der Roman in den dafür vorgesehenen Buchschober passte und nicht in die nächste Preiskategorie musste.

Aber – von einem Seiten-Limit war ja nicht die Rede. Und deshalb setzte ich mich zu Hause ran und hämmerte in rascher Zeit den Roman „Arpio - Herzog der Chatten“ runter. Und zwar mit einer Handlung,  wie es hätte tatsächlich passieren können.

Die zweite Novelle, die der Zauberspiegel bringt, war die Grundlage für den Anfang dieses und wurde mit einigen Abänderungen genau so für den „großen Roman“  übernommen. Das Schöne am Computer ist ja, dass man solche Texte  oder Textfragmente mit übernehmen kann und so nicht alles noch mal schreiben muss.

Auch den weiteren Text  habe ich so gehalten, dass  er realistisch war. Also keine siegreichen „Heldenkämpfe“ gegen jede Menge Gegner wie im es Heftroman üblich ist.

Ich habe auch sehr viele Hintergründe gebracht, nicht nur wie die Siedlungen aussahen, auch Bekleidung, Essen uns diese Sachen.  Vor allem aber war ich bemüht,  die religiösen Vorstellungen jener Zeit nach zu empfinden. Der uns heute bekannte „Germanenglaube“ wird ja allgemein auf die nordische „Edda“ zurückgeführt. Aber das waren Texte, die den Glauben der Wikinger wieder spiegelten und die „Götterlehre des Nordens“ hat in der Edda eine Entwicklung von ungefähr tausend Jahren. Die „Edda“ enthält also sehr wenig dem  Glauben, der in damaligen Zeiten in unserem Land tatsächlich vorherrschte.

Die Grundlage für meine „Germanen-Religion“ gab mir außer die fragmentarischen Aufzeichnungen bei Tacitus das dreibändige Standard-Werk „Deutsche Mystik“ von Jacob Grimm, der vor ca. zweihundert Jahren anhand von damals in Nordhessen noch bekannten Gebräuchen und Aberglaube die „Germanen-Religion“ rekonstruierte.

Da der „Arpio“ in der Weihnachtszeit im Zauberspiegel erscheint, kann sich jeder interessierte Leser selbst ein Bild davon machen. Und es sei schon mal vorab gesagt, dass dieser Abdruck eine  Synthese von zwei Fassungen des „Arpio“ ist.

Der Roman war fertig und wurde im Ausdruck (Internet gab es damals schon, aber der Verlag wollte  einen Ausdruck) nach Gudensberg geschickt. Es waren 350 Seiten – und endete am Schluss der Schlacht im Teutoburger Wald.

Geplant hatte ich noch einen Folge-Roman mit den Rache-Feldzügen des Germanicus, dem Kampf der jungen Chatten an der Eder und dem Hinweis in den Annalen des Tacitus, dass die Römer bei ihren Feldzug  die Frau und Tochter des Chattenfürsten Arpus gefangen Namen. Womit nun klar ist, woher der „Arpio“ seinen Namen hat.  Gleichzeitig wollte ich in diesem Roman auch die weitere Geschichte um Arminius und seinen tragischen Tod bringen.
 
Am liebten hätte ich sofort weiter geschrieben. Wenn ich erst mal in einer Sache drin bin, dann ist es nicht gut, mich da rauszureißen.
 
Aber – da sollte ich noch mal zum Verlag kommen, bei diesem Gespräch wäre dann auch der Kompagnon da, weil der Wartberg-Verlag damals ein Privat-Verlag von zwei Leuten war.

Bei diesem Gespräch hatte ich Hermann als Fahrer. Gleich zu Anfang wurden „Chatten“ und „Historische Romane“ als Thema vom Tisch gefegt. Es ging um Krimis mit Lokal-Kolorit, die gerade aufkamen. In Kassel waren auch schon zwei solche Krimis erschienen und man versprach sich ein Geschäft damit.

Das Ende dieses Gesprächs war der Auftrag für drei Lokal-Krimis, die in Kassel, Göttingen und Nordhausen spielen und über die ich samt ihrer Entstehung ein anderes Mal berichte. Vielleicht bringt der Zauberspiegel die auch irgendwann mal – dann ist immer noch Zeit, eine oder zwei Teestunden an die Thematik zu hängen.

Aber am Schluss des Gespräches hieße dann doch, dass der „Arpio“ am Anfang zu wenig Action habe und dafür zu viele Hintergründe aufgezeigt worden wären.

Also – war  wieder mal „Heft-Action“ gefragt. Ich habe das geschluckt – und tatsächlich den Anfang des Romans völlig neu gestaltet. Jetzt wird gekämpft, Blut fließt und schlussendlich schaffen es noch zwei Jungen, einen Bären zu erlegen.

Also völlig unrealistisch – aber ein „So mag das gehen“ des Verlags-Gewaltigen.

Nur – da fehlte den Verlags-Leuten noch die weibliche Komponente. Überwiegend werden Bücher und sonstiges Lesbare von Frauen gelesen. Und da muss was für die Eigen-Identifikation der modernen Frau drin sein.

Klar war hinten im Bereich die unvermeidbare Love-Story und auch Armins Thusnelda hatte ihren Platz – aber das reichte eben nicht.

Da müsste schon am Anfang eine Teenager-Liebe zwischen Armin und Thusnelda bestehen und die „Tussy“ müsste dann eine kriegsgewaltige Amazone und Walküre sein, die neben Armin in der Schlacht im Teutoburger Wald mit prügelt. Ja, und da hat es erst mal gekracht – und zwar richtig.

Ich habe dem Verlagleiter dann erklärt, dass ich einen ernsthaften historischen Roman schreiben wollte und keine „Räuberpistole“ mit historischem Hintergrund.

Eine Kriegerin bei den Germanen – nicht mal eine Fürstentochter wie Thusnelda hätte sich das erlauben dürfen. Also – völlig unrealistisch. Die Teenage-Love-Story, die wollte ich ja notfalls in den Anfang noch einbauen. Und auch die Rolle der Thusnelda am Schluss noch verstärken.

Aber eine germanische Kriegerin – auf gar keinen Fall. Dass es heute Autoren gibt die so was schreiben ist eine andere Sache – bei mir hat alles eine Grenze. Ich würde ja auch keinen Rom-Roman  schreiben, wo Nero Rom anzünden lässt – weil das schon lange wissenschaftlich widerlegt ist.     

Weder das eine noch das andere – nicht für Geld und gute Worte.

Ich war gerade dran, den Anfang mit der Teenager-Liebe neu zu gestalten, als der Anruf des Herrn Verlagsleiters kam.  Er hätte noch mal durchkalkuliert, der Roman wäre nicht realisierbar weil kein Markt dafür da wäre und ob wir uns nicht auf eine Art mit einem Ausfallhonorar einigen könnten.

Da wir nichts schriftlich fest gehalten hatten musste ich eigentlich froh sein, dass ich wenigstens ein Ausfallhonorar bekommen habe. Auch wenn das recht mickerig war – es war doch etwas. Bei den Verlagen, für die ich die „Wölfe des Nordens“ und die „Schwerter des Herzogs“ geschrieben habe gab es gar nichts als ein telefonisches: „Wir bedauern sehr..“

Also habe ich hinter die Neubearbeitung des Anfangs mit der Teenage-Love-Story im Germanenstil dein großes :“M i a u ! geschrieben – weil es war ja für die Katz – und dann alles gelöscht.

Übrig blieben  vom  „Arpio“ zwei Fassungen.  Für die Veröffentlichung im Zauberspiegel habe ich zwar die Action-Fassung genommen – aber eine ganze Menge Hintergründe zu Bekleidung oder Sitten und auch die Visionen Arpios beim Tanz zwischen den Schwertern wieder mit reingenommen. Aus der Erstfassung musste ich sie rausnehmen, weil diese Dinge  nach Verlagsmeinung keinen interessieren.

Inzwischen waren die Lokal-Krimis erschienen. Aber obwohl die Auflagen sich vollständig verkauften, wurde die Sache nicht fortgesetzt. Es machten jetzt zu viele Verlage Lokal-Krimis – was man hatte, das hatte man.  Kein Grund, weiter zu machen.

Und damit war der Fall Wartberg-Verlag für mich erst einmal erledigt.

Wie ich mit diesem Verlag dann doch noch mal in Kontakt kam und die Hard-Cover machte, das erzähle ich in der nächsten Teestunde.   

 

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