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»Lassiter«, ein Dackel und Kaffee bei Rellergerds

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, wir wollen mehr über Deine »Lassiter«-Romane erfahren und was ein Dackel damit zu tun hat. Der Tee hat gezogen und ist serviert, die Teewurst aufs Brötchen geschmiert. Dann leg mal los...

»Lassiter«, ein Dackel und
Kaffee bei Rellergerds

Nachdem wir die Dinge in Sachen Fantasy geklärt hatten, brachte uns Helmut dann rüber zum Büro von Jason Dark, aus dem eine Art MG-Feuer zu hören war. Klar, der Meister hämmerte in seine mechanische ›Olympia‹, auf der vielleicht schon Konrad Adenauer seine Memoiren geschrieben hat. Während inzwischen alle Autoren auf einer ›Elektrischen‹ schrieben (Werner und ich sogar auf Typenrad-Maschinen – damals das Neuste von Neuen) hämmerte Jason Dark immer noch auf einer mechanischen Hacke rum. Ich nenne das ›Literaten–Body-Building‹.

 

»Ich lade euch zum Essen ein. Ich muss nur noch acht Seiten schreiben«, wurden wir beschieden und so bekamen wir eine Führung durch die Bastei-Büros und Kontakte mit diversen Leuten, die wir vorher nur vom Hören kannten.

Die acht Seiten, selbstverständlich John Sinclair, dauerten keine Stunde, dann war der Meister für uns da. Man bedenke – acht Seiten in einer Stunde. So wird dann klar, wie Jason Dark sein immenses Arbeits-Pensum mit vier Heften und einem Taschenbuch pro Monat geschafft hat.

Natürlich gab es das versprochene Essen nicht in der Bastei-Kantine, sondern in einem Restaurant, das unserem Geldbeutel absolut nicht angepasst war. Ich hatte auch das Vergnügen, im »Frodo«, meinem damaligen Fiat-Uno, von Werner auch »das feuerrote Spielmobil« genannt, die Zierde der Bastei-Redakteure zu fahren.

Hobbits, d.h. meine Ex und ›Helmbrecht‹ aufs Achterdeck und die beiden ›Überschweren‹ nach vorn. Das ging ganz gut und so konnte ich Werner gegenüber den Beweis antreten, dass mein Fiat eben doch in gewisser Weise das Wort ›Auto‹ verdient – vielleicht sogar ›Lastwagen‹.

Jason Dark war in dem Restaurant wohl bekannt und wurde echt hofiert. Wir speisten exzellent und von dem, was die Rechnung für vier Personen ausmachte, hätten meine Ex und ich in dieser schmalen Zeit notfalls eine Woche gelebt. Es sei nur gesagt, dass es in diesem Restaurant gebügelte Servietten gab – also echt gehobene Klasse. Und anschließend wurden wir eingeladen, uns anzusehen, wie Jason Dark privat haust.

Nun, wenn man W.K. Giesas Vorstellung von einem ›Auto‹ zugrunde legt, dann hatte Jason Dark (und hat es heute noch) ein »Haus«. Eine exklusive Gegend, in der damals (ob heute weiß ich nicht) auch der damals sehr populäre Howard Carpendale wohnte. Und das Haus von der Größe und der Optik her ein Bauwerk weit jenseits von Massa- und sonstigen Reihen-Häuser.

Ja, ein Haus mit einem Garten mit einer wirklich geschmackvollen Einrichtung. Dazu zwei Katzen, die damals der Einfachheit halber die »Große« und die »Dicke« genannt wurden. In der dritten Etage unter dem Dach lag die Arbeits-Kemenate des Meisters, samt Regalen von John-Sinclair-Romanen. Und natürlich einer mechanischen Schreibmaschine. Ich bin mir jedenfalls der Ehre bewusst, so weit vorgedrungen zu sein.

Bei einer guten Tasse Kaffee kamen wir dann über unseren gemeinsamen Freund »Jerry Cotton«, der Helmut Rellergerd damals dazu brachte, selbst Romane zu schreiben über den klassischen Western zu Lassiter. Und – Helmut Rellergerd war damals bei »Lassiter« Redakteur.

Jubel – Jubel... er erteilte mir den Auftrag, einen »Lassiter«-Roman schreiben. Das geschah so ganz nebenbei während des Gesprächs – und ich brauchte wegen der oft genug erzählten Umstände ja den Auftrag ganz dringend.

Zwei oder drei »Lassiter« mal anlesen, das musste in der Kürze der Zeit reichen. Es war ja klar, dass innerhalb der Serie Sex groß geschrieben wurde – aber das war schließlich schon damals beim Zamorra auch so. Doch wollte ich natürlich nicht den üblichen Standard-»Lassiter« schreiben – es musste auch was besonderes sein.

Der Arbeitstitel hieß »Durch die Hölle für Corinna«. Schon weil die Schwester eines damals recht bekannten Fans unbedingt ihren Namen mal in einem Heft lesen wollte – was sie später im »Mitternachts-Roman« »Corinna und das Nebelschloss« noch mal konnte. Natürlich war Sex und Geschlechtsverkehr im Roman drin und Action und Schießerei war auch genug vorhanden. Aber...

Seit ich so mit sechs Jahren den Film »Der Gebrochene Pfeil« gesehen hatte, bin ich Indianer-Freund. Dazu kam meine Bewunderung als Junge für Chingachcok und später für Winnetou. Mit dem damaligen Welt-Bestseller von Dee Brown »Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses« wurde mir dann auch die wahre Geschichte von Manitous roten Söhnen erzählt.

In meinem Lassiter geht es um einen durch Whisky aufgehetzen Cayuse-Stamm, der im Auftrag eines skrupellosen Geschäftsmannes einen Wagentreck überfallen soll. Dieser Treck der Frauen, so dann der Titel des Romans, wurde von Corinna angeführt, die mit ihren Freundinnen aus einem Bordell in St. Louis entlaufen sind und auch andre Frauen mit sich führen, die in Oregon eine neue Heimat suchen. So ein wenig hat der Schwarz-Weiß-Film »Karawane der Frauen« für die Idee Pate gestanden.

Natürlich gelingt es Lassiter, den Sohn des Häuptlings zu überzeugen, dass sein Stamm von den Weißen hier nur ausgenutzt wird. Und als der dem Trunk ergebene Häuptling stirbt, ziehen sich die Indianer zurück.

»Weißt du denn nicht, dass im deutschen Heft-Roman die Indianer blutgierige Wilde sind, die man abknallen kann!« kam einige Zeit später die zornige Stimme meines Redakteurs durch die Sprechmuschel. Nein, das wusste ich nun wirklich nicht.

Allerdings hatte auch damals, vor fast 25 Jahren, das Umdenken im »Western« noch nicht wirklich statt gefunden (und bei »Lassiter« offensichtlich noch gar nicht), das dann durch den Film »Der mit dem Wolf tanzt« kam. Heute wird im Heft, selbst wenn die Indianer die ›Bösen‹ mit verkörpern, immer darauf hingewiesen, dass der weiße man ja selbst schuld war, dass sie so geworden sind.

Ja, also ›gute Indianer‹ - das ging damals eben nicht. Und ich versprach auch hoch und heilig, im Lassiter keine Indianer mehr einzusetzen. Aber das nützte nichts mehr. Denn ich war schon wieder draußen. Die ›guten Indianer‹ waren nicht das einzige Sakrileg, das ich begangen hatte.

Ich hatte Lassiter das gegeben, was man ›Gefühle‹ nennt.

Lassiter ist ja immer ganz cool und völlig ohne Emotionen, wenn es um Frauen geht. Man nimmt, was sich so angeboten wird – und nur, weil man eben ›Held‹ ist, nimmt man nicht auch, wenn es eben nicht angeboten ist. Ja, und auf Seite 62 steigt man dann auf seinen Falben oder sonstigen Mustang und reitet wie weiland Lucky Luke dem Sonnenuntergang entgegen.

Nur singt da der Reiter nicht: »I'm a poor lonesome Cowboy« sondern das schöne Lied: »Da nahm ich meinen Stock und da nahm ich meinen Hut – Auf Wiedersehn, Mädchen, die Nummer war gut!«

Undenkbar, dass ein Mann wie Lassiter mal Gefühle zeigen kann – oder sich gar ernsthaft verlieben. Und weil ich eben immer mal das Besondere machen wollte, hatte sich Lassiter eben in Corinna tatsächlich verliebt. Er wollte aus der Brigade Sieben aussteigen, den Colt an den Nagel hängen und irgendwo in den Tälern der Rocky Mountains Pferde züchten.

Natürlich ging das nicht, weil die Serie ja nicht eingestellt werden sollte und Arbeitsplätze erhalten bleiben mussten. Deshalb bekam Corinna beim letzten Schusswechsel einen Querschläger ab und starb in Lassiters Armen. Yeah, Partner, und Lassiters Augen wurden feucht. Doch er durfte nicht weinen. Er war Lassiter – und nach einem letzten Blick auf ein Grab in den Rockys ritt er weiter – und ersparte uns somit Geschichten über eine Ranch vom ›Pa mit seinen drei Söhnen‹eine Ranch mit einem Vormann aus Virginia oder ähnliche bekannte Themen.

Also ich fand das mal als eine ganz nette Variante der üblichen Sex-Quickies – nur mein Redakteur fand das nicht. Allerdings hatte er den Roman schon angekauft und war erst vom Anwalt, der ja jedes Heft nach den Richtlinien des Jugendschutzes prüfen muss, darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieser Roman, der unter der Nummer 759 und dem Titel »Lassiter und der Treck der Frauen« rauskam, zwar nicht zu beanstanden, aber eben anders war. Und damit sicher nicht dem Geschmack des Lassiter-Stammkunden entsprach.

Kurzum – da ich bereits den nächsten Lassiter fertig hatte, sollte wenigstens der noch genommen werden. Der erschien dann als Nr. 769 unter dem Titel »So zähmte Lassiter den Panther«. Mein Titel war, wenn ich mich recht erinnere »Der schwarze Panther von Laredo« und hatte eine Art Zorro-Thema. In einem Gespräch wurde der Begriff »Zorro« auch erklärt. Als die Indios und Mexicanos in der ›spanischen Zeit‹ in Kalifornien von den Herrschenden geknechtet wurde, beteten sie zu den alten indianischen Stammesgöttern. Und der Geist des Fuchses, »El Zorro«, machte sich auf um zu helfen. Den Rest kennen wir aus jeder Menge spannenden Filmen.

Im Roman war der »Panther« eine wunderbare Frau, die ›braune Anika‹, die sich im knallengen schwarzen Lederkostüm mit Maske, Colt und Peitsche an bösen Mexikanern und noch böseren Gringos rächen will. Lassiter, der den Panther im Auftrag der Brigade Sieben unschädlich machen soll, kann so gleich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Am Ende hat das Girl ihre Rache, der Panther ist deshalb verschwunden und Lassiter hat sein vorgeschriebenes Nummern-Pensum erfüllt.

Dass ich den Roman »So zähmte Lassiter den Panther« auch den ›Dackel-Roman‹ nenne, hat folgende Bewandtnis. Die Freundin meiner Ex-Gattin (die sie heute noch als Freundin hat) hatte seinerzeit zwei reinrassige Langhaar-Dackel – Jette und ihr Töchterchen Nicky. Jedenfalls wurde sie Nicky gerufen – in den Papieren stand der Name  „Anika“. Ganz klar, dass die beiden Dackel mit dabei waren, wenn meine damalige Frau von ihrer Freundin Besuch bekam. Dackel-Mädchen Nicky legte sich dann immer bei mir auf den Schoß, wenn ich geschrieben habe.

Nun war ich an diesem Lassiter und hatte absolut keine Vorstellung, wie ich die Heldin benennen wollte. Es sollte mal ein etwas anderer Name sein. Ja, und dann fiel mein Blick nach unten – und deshalb die Heldin war die »braune Anika«. Ja, die Namen von ›Heldenfiguren‹ kommen manchmal auf seltsame Art zustande. Aber eine Heldin nach einem Dackel zu nennen ist wohl die etwas außergewöhnliche Variante.

Aber damit war meine Mitarbeit am »Lassiter« erledigt und die Sache wurde ad Acta gelegt. Aber als die Zweitauflage in die Serien-Nummern kam, habe ich denn doch die Sache etwas beobachtet. Nur – unter den Serien-Nummern meiner Bände waren völlig andere Romane.

Hermann, der bessere Drähte zum Bastei-Verlag hat und nicht so impulsiv im Gespräch mit Verlags-Leuten ist, wie ich es gelegentlich werden kann, hängte sich also dahinter und bekam nach einigen Tagen, in denen die Sache geprüft werden sollte, auch die Antwort der Chef-Redaktion.

Man hätte sich die beiden Romane noch mal vorgenommen. Das wären ›Edel-Western‹, wie sie »der Unger schreibt« und für die Serie »Lassiter« völlig ungeeignet. Mir wurde empfohlen, die Romane als normale Western umzuschreiben – dann würde man sie in einer anderen Reihe bringen.

Was ich vielleicht heute tun würde – weil das im Computer eben einfach ist. Aber die beiden Manuskripte waren noch mit der ›Hacke‹ geschrieben – und ich hätte sie völlig neu schreiben müssen. Dann hätte ich auch was völlig Neues schreiben können. Doch das wollte man bei Bastei nicht, weil der Western eben ›dicht‹ war - und heute noch ist.

Ich habe diese Antwort als Lob gesehen, der mir runter gelaufen ist wie Öl. Im Western mit meinem absoluten Idol G.F.Unger auf eine Stufe gestellt zu werden, das war für mich mehr als das Nachdruck-Honorar. Zumal das ja viele Jahre später war, als mein Konto schon wieder schwarze Zahlen schrieb.

Manchmal ist es mir lieber, mein die Eitelkeit meiner Seele gestreichelt als dass mein Konto aufgefüllt wird.

In diesem Sinne...bis in einer Woche...

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