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Die Leihbuch-Ära: Eine kleine Einführung

Die Leihbuch-ÄraDIE LEIHBUCH-ÄRA
(1948 - 1979)

Die Ära der Leihbücher in Westdeutschland begann kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Bereits 1948 erfreuten sich Kriminal-, Western- und Frauenromane bei den Lesern großer Beliebtheit.

Mitte der 1950er belief sich ihr Bestand auf 20 Millionen Exemplare. Auch die Zahl der Leihbüchereien stieg ab Mitte der 1950er-Jahre von 20.000 auf knapp 28.000 zu Anfang der 1960er-Jahre.


Experiment mit dem LebenDabei war der Anteil der Voll-Leihbüchereien weit geringer als die der Neben-Leihbüchereien, wie Tabakläden oder Zeitschriften- und Schreibwarengeschäfte, die wie Pilze aus den Böden schossen, denn für das Betreiben einer ‚Leihbücherei‘ war (mit Ausnahme von Westberlin), keine Konzession notwendig. Somit konnte jedermann eine ‚Leihbücherei‘ betreiben. Es bedurfte auch keinerlei besonderen Kenntnisse bzw. Vorkenntnisse für diesen zusätzlichen ‚Nebenerwerb‘.

Von 1948 bis 1979 existierten etwa um die 220 Leihbuchverlage, wobei viele von diesen teils Klein- und Kleinstverlagen schon nach wenigen Monaten wieder vom Markt verschwanden. Nur die größten Verlage überlebten in den knapp 30 Jahren der Leihbuch-Ära. Darunter Größen wie der Paul Feldmann Verlag in Marl, der Hermann Borgsmüller Verlag in Münster, der Bewin Verlag in Menden oder der Gebrüder Zimmermann Verlag in Balve, die binnen weniger Jahre den Leihbuch-Markt beherrschten.

Mitunter kam es mit der Zeit auch zur Gründung von Tochterunternehmen. So betrieb u. a. der Borgsmüller Verlag auch die Verlage Athos, Hansa oder Merceda. Oder es kam zur Übernahme kleinerer Verlage, wie z. B. beim Paul Feldmann Verlag, der den Zwei Schwalben-Verlag aufkaufte.

Der Frauenroman (Liebesromane, Adelsromane, Berg-, Bauern– und Heimatromane, Mutter- und Kindromane, Arztromane sowie Schicksalsromane) nahm den Hauptanteil unter den Leihbüchern ein.
Danach kamen die Männerromane, zu denen Kriminalromane, Westernromane, Abenteuerromane, Piratenromane, utopische Romane bzw. SF-Romane sowie Legionärs- und Kriegsromane zählen.

Das Vermächtnsi des FlibustiersInsgesamt erschienen in den Nachkriegsjahrzehnten nach Schätzungen ca. 33.000 Leihbuchtitel im deutschen Sprachraum. Im Bereich der Männerromane nahmen höchstwahrscheinlich die Kriminal- sowie die Westernromane den größten Anteil ein.

Ein Leihbuchtitel hatte durchschnittlich eine Auflagenhöhe von 2.000 Exemplaren. Höhere Auflagen wurden nur dann gedruckt, wenn die Nachfrage seitens der Leser groß genug war. So gab es einige wenige Autoren, die es auf eine Auflage von 5.000 Exemplaren pro Titel brachten. Einer dieser ‚Starautoren‘ war der Westernautor G. F. UNGER, der es zeitweise auf bis zu 7.000 Exemplare pro veröffentlichten Titel brachte.

Das Leihbuch hatte ein genormtes Aussehen. Es wog ein knappes Pfund, war bis zu vier Zentimeter dick, bestand aus nicht holzfreiem Papier, war 18 Zentimeter hoch und 12,5 Zentimeter breit und hatte einen Durchschnittsumfang von 254 Seiten.

Als Schutz vor Verschmutzung besaß der Einband des Leihbuches einen Überzug aus Supronyl, einer durchsichtigen Plastikfolie, und im ungebrauchten Originalzustand auch einen Schutzumschlag.

Die Leihbücher besaßen zum größten Teil farbig gezeichnete Titelbilder auf der Vorderseite des Einbandes, die später durch Bilder aus Kinofilmen ersetzt wurden, wie dies damals auch schon in  diversen Heftromanserien der Fall war.

Sattel und Colt

Einer der bekanntesten Titelbildzeichner der Leihbuch-Ära war der Künstler GÜNTHER KÖNIG, der sich damals auf Illustrationen für Westernromane spezialisiert hatte und es auf insgesamt 5.000 Titelbilder brachte. Ein weiterer dieser Titelbildzeichner war HUGO KASTNER, der u. a. Bilder für den Verlag C. S. Dörner & Co., den Verlag Alfred Mülbüsch sowie für den Borgsmüller Verlag schuf. Kastner schrieb unter dem Pseudonym EMERY SCOTT auch selbst einige Westernromane. Nachdem die Leihbuch-Ära zu Ende gegangen war, schuf er noch eine Menge Titelbilder für diverse Western-Serien im Heftromanbereich.

Der Verkaufspreis eines Leihbuches lag zu Anfang bei ca. 5,80 Deutsche Mark und erhöhte sich in den Jahren von 6,80 Deutsche Mark auf 7,80 Deutsche Mark. Der Höchstpreis eines Leihbuchs lag bei einigen Verlagen sogar bei 8,80 Deutsche Mark.

Durch diese Preissteigerungen variierte auch die Verleihgebühr pro Buch in den diversen Leihbüchereien bzw. Neben-Leihbücherien. Lag sie anfangs bei ca. 25 bzw. 30 Pfennig, stieg sie mit den Jahren aber auf mindestens 50 oder 60 Pfennig pro Buch, damit der Betreiber einer der vielen Tausend Leihbüchereien in Westdeutschland zumindest wieder den Einkaufspreis für das Buch reinbrachte.

Ab Ende der 1960er-Jahre ging die Ära der Leihbücher dem Ende entgegen. Die Auflagen fielen von Jahr zu Jahr und erreichten Mitte der 1970er-Jahre nur noch eine unrentable Auflage von 800 Exemplaren pro Titel.

Damit kam auch das Ende für den BEWIN –, den REKORD - sowie für den PAUL FELDMANN Verlag, die sich am längsten auf dem Markt gehalten hatten, aber 1976 ebenfalls das Handtuch werfen mussten, weil sich das Geschäft mit den Leihbüchern einfach nicht mehr lohnte. Der letzte Leihbuch-Verlag war Mülbüsch, der 1979 mit einem Western-Leihbuch im Nachdruck die Pforten schloss.

Die Leihbuch-Ära

Die weiteren Artikel

Autoren
HANS JOACHIM VON KOBLINSKI
U. H. WILKEN

Die Pseudonyme
MAC DRIVING

Verlage
DER PAUL FELDMANN VERLAG

© by Ingo Löchel

 

Kommentare  

#1 Thomas Langes 2011-04-07 11:28
Der Rekord Verlag hatte noch einen Schwesterverlag ( Falter ) der auch bis 1976 durch hielt. Freue mich bereits auf die weiteren Artikel und hoffe auf möglichst viel neues zum Thema Leihbuch.
#2 Max 2011-04-29 15:45
Nur für den Fall, daß dies nicht bekannt sein sollte: Auf der Seite www.hugo-kastner.at (das ist Kastner junior) gibt es einen Bereich "Western" mit einem vollständigen Werkverzeichnis und sehr umfangreichem Bildmaterial aus dem Schaffen von Kastner senior.
:-)
#3 Marduk 2018-05-29 10:15
Sind C.S. Dörner und Dörnersche Verlagsgesellschaft ein und derselbe Verlag?
#4 Heiko Langhans 2018-06-01 08:33

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