Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Guy N. Smith und der deutsche Heftroman - Ein Vergleich zwischen Original und Übersetzung (Teil 1)

1Guy N. Smith & der deutsche Heftroman
Ein Vergleich zwischen Original und Übersetzung
Teil 1

Nachdem der Jugendschutz den Heftroman ins Visier genommen hatte und Mitte der siebziger Jahre zwei Gruselserien wegen Indizierungen vom Markt genommen wurden, achteten Redaktionen verstärkt auf den Inhalt. Das führte zu von Gewalt und Sex gesäuberten Übersetzungen bis hin zu neu geschriebenen Romanen in Nachauflagen.


Aber wie diese Selbstzensur konkret im Einzelfall funktionierte, darüber kursieren hauptsächlich Anekdoten.

Um das mal an einem Beispiel anschaulich darzustellen, folgt nach einer kurzen Einführung über die grundsätzliche Problematik ein Vergleich zwischen einem englischen Original und der deutschen Heftausgabe.

Es geht hier nicht um eine Diskussion über den Sinn oder Unsinn solcher Maßnahmen. Die Macher hatten ihre Gründe. Sie zu bewerten ist ein anderes Thema.


1Ausgewählt habe ich den Roman "Night of the Crabs" von Guy N. Smith, der in Deutschland 1977 als Silber Grusel Krimi 152 mit dem Titel "King Crabs Nachtmahl" erschien.

Nun ist die Übersetzung für den Heftroman eine Geschichte von kleinen und großen Kürzungen. Ein Problem der englischen und amerikanischen Taschenbücher, die als Heftromane verarbeitet wurden, ist neben dem für die damalige Zeit häufig gewalttätigen Inhalt die Länge. Zwar beschränkte sich der Umfang der Originale meistens auf zwischen 150 bis 170 Taschenbuchseiten; die aufgeblasenen Türstopper, die heute die Norm sind, gab es in dieser Form damals noch nicht. Aber auch das ist für einen Heftroman ein Stück zu lang. Die Übersetzungen mussten etwas gekürzt werden. In den Horrorheften beschränkten sich die Kürzungen meistens auf Beschreibungen von Land und Leuten, Charakterisierung der Figuren und natürlich Szenen mit Gewalt und Sex.

Besonders auffallend ist das Ergebnis dieser Praxis neben den frühen Übersetzungen in den SF-Reihen bei vielen Krimis aus der Zeit. Zum Beispiel sind die Romane des Spionageautors Edward Aaarons, die hierzulande sowohl als Heft wie als Taschenbuchreihe veröffentlicht wurden, im Original bedeutend besser und atmosphärischer geschrieben. Allerdings muss man fairerweise feststellen, dass es ein weiter Weg von Längenkürzungen bis zur gezielten (Selbst) Zensur der späteren Jahre ist. Die findet sich zwar in allen Genre, neben dem Horror auch bei Western und Krimis im Kiosktaschenbuch, wo dann auch schon mal ganze Kapitel umgeschrieben wurden – vor allem die Reihe "Neue Western aus Amerika" ist da zu erwähnen -, aber in den meisten Fällen ging es in den frühen Jahren der Horrorheften vorrangig darum, die Länge einzudampfen.

1Guy N. Smith hatte seit 1974 als Autor von Horrorromanen. einen beträchtlichen Erfolg in England. Von der Kritik und vielen Kollegen als Hackwriter verschrien, sind zumindest seine ersten Romane oft schlichte Geschichten mit für die damalige Zeit generös verteilten Portionen Gewalt und Sex. Was seine britischen Fans noch heute zu schätzen wissen. Vor allem sein Zyklus über mutierte Riesenkrabben, die Englands Strände unsicher machen, traf den Nerv der Zeit. Nach James Herberts "The Rats" und dem Film "Der Weiße Hai" waren Tierhorror-Romane in England außerordentlich populär, egal ob nun Spinnen, Schnecken, Schlangen, Hunde oder was auch immer die Insel verwüsteten. Smith war gleich am Anfang seines Wirkens immens erfolgreich und erreichte Auflagen, die heute der Neid eines jeden Verlegers sind. Dabei war er als Autor so fleißig, dass er schließlich bei mehreren Verlagen gleichzeitig veröffentlichte und es allein im Horrorroman auf über sechzig Romane brachte, bis dieses Marktsegment Ende der Achtziger auch in England einbrach.

In dem langjährigen Silber-Grusel-Krimi von Zauberkreis gab bei fast 500 Romanen genau drei Übersetzungen. Warum in aller Welt man ausgerechnet Smiths ersten Killerkrabben-Roman ankaufte und übersetzte, wird wohl ein Rätsel bleiben. Kaum ein Roman passt von der Machart her schlechter in das Zauberkreis-Programm.

1Angefangen bei dem völlig irreführenden und nichtssagenden Titelbild ist "Night of the Crabs" eine deutlich gereinigte Fassung des Originals. Vermutlich hat der Übersetzer Ernst Heyda das Manuskript selbst gekürzt und bearbeitet (obwohl das natürlich Spekulation bleibt.) Die Übersetzung liest sich zweifellos glatt und schraubt den gelegentlich hysterischen und fiebrigen Ton des Autors herunter. Da die Einteilung der sehr kurzen Kapitel des Originals im Heft nicht übernommen wird – immerhin 14 Kapitel bei 144 Seiten -, macht das natürlich die vom Autor durchaus effektiv gestalteten Cliffhanger kaputt, da alles nur durch ein Sternchen getrennt ist. Egal ob es nun ein Absatz oder ein neues Kapitel ist.

Diese deutsche Ausgabe illustriert recht anschaulich, was 1977 im Heftroman als nicht akzeptabel galt. Wobei vielleicht erschwerend hinzukommt, dass da bei Zauberkreis die Messlatte augenscheinlich etwas höher hing als bei der Konkurrenz. Bei den Beschreibungen von Horrorelementen und Gewalt waren die Autoren immer zurückhaltend. Aber abgesehen von den vollbusigen Frauen des Titelbildzeichners Lonati war Sex in den Romanen offenbar absolut tabu.

Allerdings muss man fairerweise dazu sagen, dass Smith in dieser Hinsicht auch bei Pabel, der ihn in Deutschland veröffentlichte, in allen Romanen deutlich bearbeitet wurde.

Da sich die meisten Kürzungen auf die erste Hälfte des Romans konzentrieren, sind hier nur die gravierenden Unterschiede der beiden Fassungen in den ersten 8 Kapiteln aufgeführt. Das sind Kleinigkeiten – beispielsweise hielt der Übersetzer (oder der Lektor) den Namen Ian anscheinend für so zungenbrecherisch, dass er ihn änderte –, aber auch ganze Szenen, die unter den Tisch fielen. Sämtliche Sexszenen sind konsequent gestrichen, das gilt auch für alle Anzüglichkeiten. Das führt dazu, dass der Professor und seine Pat im Heft am Ende plötzlich ein Paar sind, ohne dass der Leser miterleben konnte, wie es dazu kam. Alle Gewaltszenen sind bearbeitet, manchmal ist es nur die Streichung oder Umformulierung eines Halbsatzes, manchmal auch die Streichung ganzer Absätze.

Ein zeitloses Meisterwerk des Horroromans ist "Night of the Crabs" sicher nicht. Smith hat in seiner Anfangszeit echten, heute würde man sagen Pulp-Horror geschrieben. Schmale, schnelle, schmutzige Geschichten. Schrill, übertrieben und laut. Damit hat er nun einmal sein Publikum gefunden. Der britische Leser von 1976 wollte blutige und mit Sex gewürzte Monsteraction, und die bekam er bei Smith auch. Die deutschen Leser - nicht so sehr.

Natürlich kann man darüber streiten, ob die bearbeiteten oder ganz gestrichenen Szenen die Handlung wirklich bereichern oder nicht. Aber nüchtern betrachtet muss man feststellen, dass die Bearbeitung den Roman zu etwas macht, das er in seiner Originalfassung nicht ist. Sie zerstört die Atmosphäre und den Lokalkolorit der Geschichte, sie nimmt die Horrorelemente heraus, und sie verwandelt den durchaus eigenständigen Stil des Autors in dumpfes und uninteressantes Mittelmaß.

Im zweiten Teil des Artikels folgt der Vergleich der Hefteromanfassung mit dem Original von 1976.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles