Die Pulp Magazines – Amerika im Bann der Kurzgeschichte - 2. Pulp-Genres
Die Pulp Magazines
Amerika im Bann der Kurzgeschichte (Teil 2)
Doch die Ähnlichkeit ist gering.
2. Pulp-Genres
Die All-Story-Pulps kamen nie aus der Mode. Zum Marktführer gesellte sich bald eine Verlagsgruppe, die zu einer legendären Pulp-Produktions-Maschinerie werden sollte: Street & Smith, die z.B. das All-Story-Magazin Top-Notch auf den Markt brachten.
Doch 1910 begann eine neue Ära der Pulps, als der Ridgway-Verlag ein Magazin herausgab, das alles über Bord warf, was nicht abenteuerlich und rasant war.
Hier erschienen nur Geschichten, die man heute immer noch mit dem klassischen Genre „Pulp“ in Verbindung bringt: temporeiche Action ohne viel reflektives Beiwerk. Folgerichtig hieß das Magazin auch schlicht „Adventure“ und avancierte bald zu einem der erfolgreichsten Pulps überhaupt – es überlebte bis zum Schluß der Ära und brachte es auf nicht weniger als 881(!) Heftausgaben. Damit war der Startschuß gegeben für Sparten-Pulps. Mit den Jahren wurden diese Sparten immer spezieller. Standen anfangs klassische Genres wie Liebesromane, Western, Horror, Krimis oder Science fiction im Vordergrund, kam es in den 30ern zu sehr erfolgreichen Sub-Genres oder Mischformen: Da wären etwa die Spicy-Hefte, die die Genres mit Erotik verknüpften (Spicy Western, Spicy Mystery, Spicy Adventures).
Es bildeten sich ab ca. 1925 so viele Untergruppen heraus, dass es sich lohnt, die interessantesten hier extra aufzuführen.
Manche Horror-Experten, zu denen auch Stephen King zählt, bezeichnen alle Horror-Pulps als Shudder-Pulps, zählen also auch Magazine wie „Weird Tales“ dazu. Das ist ungenau.
Shudder-Pulps kamen in den 30ern auf und spezialisierten sich vor allem auf Gore und Splatter. Das heißt, sie folgten eher der Tradition des Marquis de Sade als der von Edgar Allan Poe. Große Shudder-Pulps wie das „Dime Mystery Magazine“ warteten nicht zwangsläufig mit Ghoulen, alten Göttern oder Vampiren auf. Die gab es auch, jede Menge sogar, aber im Mittelpunkt stand der sehr diesseitige Schrecken, und die Bedrohung blieb zwar oft lange im Dunkeln (deswegen werden diese Geschichten auch gern als Weird-Menace-Storys bezeichnet), aber am Ende steht oft der sehr diesseitige wahnsinnige Wissenschaftler oder Serienmörder. (Wer mehr darüber wissen möchte – die klassischen Shudder-Pulps habe ich hier ausführlich besprochen: http://www.zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gedrucktes-mainmenu-147/26402-schlottern-zum-kleinen-preis-das-legendaere-us-amerikanische-dime-mystery-magazine-1932-50 )
Es gab aber auch legendäre Blätter mit anderen Akzenten: Das Trias Weird Tales – Ghost Stories – Unknown. Zu Weird Tales muß man nicht mehr viele Worte verlieren – es ist das berühmteste Pulp-Magazin überhaupt und brachte nicht nur Horror- sondern auch Gruselgeschichten und düstere Fantasy. Das Blatt war die Heimat von Kultautoren wie H.P. Lovecraft und Robert E. Howard. Unknown wurde als Parodie auf Weird Tales gegründet und genießt heute im englischsprachigen Raum ähnlichen Kult-Status wie Weird Tales – hier feierte der schwarze Humor große Triumphe. Und Ghost Stories war das Flaggschiff der guten alten klassischen Geistergerschichte.
Obwohl Sience-Fiction-Pulps zunächst in der goldenen Pulp-Ära zahlenmäßig nicht den Markt dominierten, sind es vor allem diese Magazine, die heute im Fokus der Forschung stehen und wohl am sorgfältigsten untersucht werden. Der Grund liegt auf der Hand – diese Hefte waren das wichtigste Laboratorium für das junge Medium Science Fiction im 20. Jahrhundert. Ein historisches Verdienst an der Etablierung der SF-Heft-Szene hatte der Verleger Hugo Gernsback, der trotz mehrmaligem Scheitern immer wieder neue Magazine gründete, um seine Visionen umzusetzen. Nach ihm ist auch der ebenso begehrte wie umstrittene Hugo-Award benannt. Er gründete 1926 das erste SF-Pulp-Magazin der Welt, Amazing Stories. Nachdem er es finanziell an die Wand gefahren hatte, gründete er 1929 Wonder Stories.
Beide Magazine bestanden nach seinem Ausscheiden weiter und gehörten die gesamte Pulp-Ära hindurch zu den Top-SF-Magazinen.
Das wohl berühmteste Magazin war allerdings Astounding Stories.
Unter der Redaktion von John W. Campbell etablierte sich hier in den 30ern und 40ern die High-SF – hier war das Zuhause der großen Autoren der goldenen SF-Ära wie Asimov, Heinlein, van Vogt, E.E. Smith und Sturgeon.
Das Trias Astounding-Wonder-Amazing beherrschte die Szene. Glücklicherweise blieben die andern beiden Magazine relativ frei von den Hardliner-Einflüssen des Astounding-Kreises. Heute ist es erfrischend und beruhigend zu wissen, dass Redakteure wie Raymond A. Palmer (Amazing) nie einen Hehl aus ihrer Lust am Trash und der schnellen durchgeknallten Action-Geschichte (Mond-Amazone rettet New York und so) machten. Die Astounding-Leute, oft im dünkelhaften Wahn, die Gralshüter der „echten“ SF zu sein, lehnten etwa kostbare Geschichten großer Autoren ab, weil sie ihnen nicht „wissenschaftlich“ genug erschienen. Die andern Magazine hatten damit nicht so große Probleme. Cark Ashton Smith etwa konnte hier ein paar wunderbar verrückte Sachen lancieren, die bei Astounding abgelehnt wurden.
Heute blättere ich besonders gern (digital) in Amazing Stories, ein Magazin, in dem es wie Kraut und Rüben durcheinandergeht und herrlicher Schund friedlich Seite an Seite neben Meisterwerken steht.
A propos Schund: es gab natürlich auch SF-Magazine, die nie ernst und erwachsen wurden und ausnahmsweise ein eher pubertäres Publikum ansprachen, etwa die berüchtigten Planet Stories – von Spöttern gern als „Comics zum Lesen“ bezeichnet, vermutlich, weil der Verlag auch eine gleichnamige Comic-Reihe im Sortiment führte. Aber – ausgleichende Gerechtigkeit – ausgerechnet in Planet Stories erschienen einige der berühmtesten SF-Geschichten aller Zeiten. Ray Bradbury, Leigh Brackett und Philipp K. Dick waren sich nicht zu schade, in diesem albernen Blatt zu veröffentlichen.
Die meisten Genres, die die Pulps aufgriffen, kennen wir auch in Deutschland von der Heftszene her. Zwei haben sich allerdings bei uns nie wirklich durchgesetzt: Die Sport- und die Luftgeschichten.
Sportgeschichten gab es in gemixter Form, durchaus populär waren aber auch Schmalspur-Spezialmagazine, die nur Boxer- Football- oder Baseball-Geschichten brachten. Eine Sonderform, eine Kreuzung aus Abenteuergeschichte - und Luftsporterzählungen waren die Air- und Ace-Storys, die vor allem als Reaktion auf den Lindbergh-Flug (1927) entstanden und eine kurze aber intensive Hochphase hatten. Die Spannbreite reichte von der SF-angehauchten Flugapparat-Story (Gernsbacks Air-Wonder-Storys) bis zum harten Luftschlachtgemetzel (G-8 and his Battle Aces). Mitunter finden sich unter den Sport- und Luftgeschichten auch ein paar Schätze – Robert E. Howard etwa hat einige Boxer-Story-Perlen hinterlassen – sonsten aber sind diese Sachen mit Mann und Maus untergegangen. Oder sollte man passenderweise sagen: abgestürzt?
Jetzt kommen wir zu den allernächsten Verwandten unserer Heftromane: Tatsächlich gab es eine Sonderform des Pulps, die nicht nur eine durchgehende Geschichte hatte, sondern (manchmal) auch Serienhelden etablierte, vergleichbar Perry Rhodan oder Jerry Cotton. Das waren die sogenannten Hero-Pulps, die Anfang der Dreißiger Jahre aufkamen. Die Titel führen etwas in die Irre: The Shadow, the Spider, Agent X suggerieren, dass es sich um Helden mit übernatürlichen Kräften handelt.Vorsicht! Auch wenn diese Heros oft nahe dran waren (Agent X etwa kann sein Gesicht komplett ändern), waren sie doch auch sterblich und menschlich, wenn auch am äußersten Ende der Skala. Diese Heros waren noch keine Super-Heros, obwohl sie die Comics maßgeblich beeinflußten. The Spider war kein Spiderman.
Der berühmteste Pulp-Serienheld der 30er war Doc Savage. Er war so berühmt, dass er es sogar bis nach Deutschland schaffte. Der Pabel-Verlag veröffentlichte in den 70ern eine Menge davon im Taschenheft. Dabei kam es zu einer der groteskesten Täuschungsmanöver, die mir aus der Heftroman-Geschichte bekannt sind: Anstatt auf die große Zeit der Hero-Pulps zu verweisen, bemühte sich der Verlag, jeden Hinweis darauf, dass sämtliche Hefte aus den dreißiger und frühen vierziger Jahren stammten, zu verwischen! Was mich immer zu der Frage zurückführt: Warum macht mans dann erst, wenn man Angst vor der Angestaubtheit des Produkts hat? Es sollte der Eindruck entstehen, als handle es sich um hochmoderne Hefte aus Amerika. Das ging soweit, dass sogar Text-Modernisierungen vorgenommen wurden und z. B. plötzlich in einem Heft von 1933 Düsenjäger auftauchten. Schade! -
Auch im SF-Bereich gab es in den 30ern und 40ern Versuche, längere Romanhefte mit durchgehender Handlung zu etablieren. Captain Future ist das bekannteste Beispiel. Einige SF-Magazine ohne Serienhelden versuchten ihr Glück mit Einzelromanen, etwa Startling Stories , eine Art amerikanischer Vorläufer der deutschen Utopia-Reihe.
Auch andere Genres probierten das aus, oft mit wenig Erfolg. Einer der wenigen Versuche, eine Horror-Einzelromanheft-Serie, vergleichbar unseren späteren Gespenster-Krimis zu etablieren, scheiterte kläglich: Dime Mystery Book brachte es 1932/33 nur auf 10 Hefte.
Überhaupt konnte sich die Heftroman-Variante auf dem Pulp-Markt nie so recht durchsetzen. Fast alle Hero-Pulps brachten im Kometenschweif des Hauptromans auch noch Short-Stories.
Furore machte dagegen die Novellette – eine Art Zwischending zwischen Roman und Erzählung mit durchschnittlich 30-50.000 Wörtern. Auch Novellettes wurden oft als „Vollständige Romane“ beworben, auch wenn sie wesentlich kürzer waren. Sie gehören fast von Anfang an ins Repertoire der Pulps, quasi als Leitartikel und Hauptattraktion der Hefte neben kürzeren Stories. Und weil sie ungefähr der Länge unserer Heftromane entsprechen, wurden Novellettes gern für den deutschen SF-Heftmarkt übersetzt. Utopia und Terra bedienten sich gern aus diesem Pool und kürzten auch gern mal einen Novel-Pulp ein. (Etwa für die Großbände und Taschenhefte.)
Die Anzahl der Krimi-Hefte ist Legion. Fast jeder Verlag hatte mehrere im Sortiment. Dabei waren die Spielarten zahlreich. Nicht nur Detectiv- und Gangstergeschichten erschienen hier, sondern auch massenweise Horrorstories. Es gab auch SF-angehauchte Krimihefte. Nur wenige Magazine wurden berühmt und ragen heraus. Vor allem das Magazin „Black Mask“ ist hier zu nennen, das die Zwanzigerjahre beherrschte. Legendär ist es wegen seiner Vielseitigkeit, seiner wunderschönen Cover und vor allem wegen seiner berühmten Autoren – hier schrieben unter andrem Raymond Chandler und Daishell Hammett, Erle Stanley Gardner und Cornell Woolrich. Da die Redaktions-Akten des Magazins verschollen sind, gibt es keine Möglichkeiten mehr, Pseudonyme aufzulösen – so umrankt das Magazin zusätzlich die Legende, dass hier wesentlich mehr große Krimi-Autoren am Start waren, als die Klarnamen nahelegen. 1936 stellte Black Mask die Produktion ein – dann übernahmen Blätter wie 10-Story Detective und Popular Detective die Führung in den Vierzigern und frühen Fünfzigern – wenn man hier überhaupt angesichts des harten Konkurrenzkampfes von „Führung“ reden kann. Oft waren es wie beim Pferderennen nur Nasenlängen.
Diese Gattungsbezeichnung gibt es vermutlich nicht – aber ich habe keinen treffenderen Namen dafür gefunden (Die amerikanische Literaturwissenschaft nennt sie compagnon magazines). Viele Verlage hatten so ungeheuer viel Material, dass die Haupt-Magazine nicht ausreichten, um alles unterzubringen. Oft passten auch viele Erzählungen nicht zu den Richtlinien des Hauptzeitschrift, waren aber trotzdem gut oder zumindest nicht so schlecht, dass man sie wegwerfen wollte. Zu den legendären Pulp-Ablegern gehörten etwa das Horror-Blatt „Terror Tales“ (eine Tochter von Dime Mystery Magazine), Starling Storys (Tochter von Wonder Stories) und „Fantastic Adventures“ (dahin sortierte Amazing Stories alles aus, was nicht ganz ins SF-Raster passte – vor allem den Schund, aber auch tonnenweise aufregende Horror-und Fantasy-Stories). Wichtig war auch „Fantastic Novels“, ein Ableger-Magazin des schon erwähnten Nostalgie-Blatts „Famous Fantastic Mysteries“, in dem alte Erzählungen oder Romane erschienen, die für das Hauptmagazin zu lang waren. So verfuhr man übrigens auch bei Startling Stories – hier erschienen fast nur lange Geschichten; das Magazin ist heute vor allem bekannt wegen der späten Captian-Future-Romane, die dort zum erstenmal gedruckt wurden.