»Masters of Spanish Comic Book Art« - Ein Buch nicht nur für Comic-Nostalgiker
»Masters of Spanish Comic Book Art«
Ein Buch nicht nur für Comic-Nostalgiker
Hardcover, Tradepaperback oder die digitale Ausgabe, es ist fast schon zu viel des Guten. Wie viele Ausgaben der ersten Hefte von Spider-Man braucht der Mensch wirklich?
Aber nicht nur Marvel und DC bedienen diesen gewaltigen Markt. Auch Dynamite Entertainment steht da ganz vorn. Über das Angebot von Dynamite darf man durchaus geteilter Meinung sein. Da ist einerseits eine Flut von Merchandising-Comics, die alles von "Army of Darkness" bis zu "Z-Nation" abdeckt. Hat es auch nur das Geringste mit SF oder Horror zu tun und ist über die Mattscheibe oder die Kinoleinwand geflimmert, Dynamite liefert das Comic dazu. Hinter den meist hervorragenden Titelbildern, die grundsätzlich in zig Varianten erscheinen, verbirgt sich größtenteils beliebiges Mittelmaß. Sowohl was Story wie auch Artwork angeht.
Aber Dynamite hat auch eine andere Seite. Der Verlag hat ein ambitioniertes Nachdruckprogramm, in dem die Comics der Vergangenheit als aufwändig gestaltete Hardcover erneut auf den Markt gebracht werden. Da gibt es dann beispielsweise Warrens "Vampirella" komplett in insgesamt 15 großformatigen Hardcovern oder Miniserien wie "Six from Sirius" von Moench und Gulacy, das einst bei Marvel/Epic erschien und nun eben als Hardcover oder Tradepaperback neu aufbereitet wurde. Dynamites Katalog ist mittlerweile gewaltig.
In diesem Programm erschien 2017 das Sachbuch "Master of Spanish Comic Book Art". Verfasst von dem britischen Comiczeichner und Lektor David Roach erzählt das Buch die Geschichte des spanischen Comicmarktes. Vor allem in den 70ern waren die spanischen Zeichner überall. Ihr Beitrag hat Comics weltweit geprägt. Ob es nun Carlos Ezquerra ist, der den britischen Judge Dredd visuell erschuf oder José Gonzalez, der die definitive Vampirella zu Papier brachte, in diesem Buch sind sie und ihre Kunst alle vertreten.
Die ersten Kapitel informieren den Leser über die Anfänge von Comics in Spanien und die Probleme, die die Franco-Diktatur für nicht linientreue Künstler unter Umständen mit sich brachte. Es ist auch eine Geschichte der Agenturen wie "Selecciones Ilustradas" oder kurz S.I., die bereits 1953 in Barcelona gegründet wurde. Sie vermarkteten die Arbeit dieser Künstler schließlich weltweit. Diese Generation zeichnete alles auf Bestellung, ob nun Kriegs- oder Girlcomics für England, Westerncomics und Titelbilder für Deutschland oder Horror und Fantasy für Amerika.
Der größte Teil des Buches konzentriert sich aber auf Kurzbibliografien der Künstler und ihr Werk. Trotz einer Unmenge an Informationen versteht es sich dabei nicht als Nachschlagewerk und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die oft ganzseitigen Abbildungen zeigen Ausschnitte aus dem Werk des vorgestellten Künstlers. Sie bieten ein breites Spektrum. Es reicht von den Reproduktionen von unkolorierten Originalcomicseiten bis zu Buchillustrationen oder internationalem Coverartwork. Besonders interessant für deutsche Leser sind die vielen Heftromantitelbilder, die Künstler wie José Miralles, Prieto Muriana oder Sanjulian für Serien wie "Kommissar X", "Fledermaus" oder "Damona King" anfertigten.
Die 272 Seiten von "Masters of Spanish Comic Book Art" sind ein gelungenes Bilderbuch, das zum schmökern einlädt und eine fast schon wehmütige Erinnerung an vergangene Tage ist, wo die oft nicht einmal mit ihren Namen bezeichneten Künstler Teil einer Unterhaltungsmaschinerie waren, die eigentlich nicht dafür gedacht war, noch von späteren Generationen beachtet zu werden. Ihnen setzt dieser Band fast schon ein Denkmal. Und auch wenn man der englischen Sprache nicht mächtig ist, lohnt sich die Anschaffung allein für die vielen Abbildungen.