Die Schreibwerkstatt bei Uschi Zietsch - Bekenntnisse eines Wiederholungstäters

Bekenntnisse eines Wiederholungstäters

Von alleine wäre es mir nie in den Sinn gekommen, die österreichischen Termine durchzuschauen. Österreich ist Ausland und liegt als solches per Definition weit weit weg. Was aber natürlich ein Gedankenfehler ist, da ich in Bayern in der Nähe von Nürnberg wohne und Salzburg daher, direkt hinter der Grenze gelegen, nur drei Zug- oder Autostunden von mir entfernt ist. Da fährt es sich zu vielen Orten in Deutschland länger. Also sollte es doch so schnell schon klappen? Noch ein paar Termine geprüft, in der Arbeit nachgefragt, dann kristallisierte es sich heraus: Ich konnte tatsächlich hinfahren. Das sind die Momente, in denen man unwillkürlich an so etwas wie Bestimmung glaubt. Aber ich will jetzt nicht gleich wieder pathetisch werden.
Kurz und gut, ich fand mich am 10. September, einem Donnerstag, im ICE in Richtung österreichischer Grenze wieder, Kleidung für vier Tage im Gepäck und einen Laptop mit gefülltem Akku. Die Fahrzeit verkürzte mir ein Perry Rhodan, vor dem Zugfenster verdeutlichte die Sonne strahlend, dass sie hinter meiner Entscheidung stand. Es war ein rundherum herrlicher Tag. Nach der Ankunft konnte ich sogar noch für eine knappe Stunde die Salzburger Luft schnuppern, bevor es zu dem ein wenig außerhalb gelegenen Hotel Lilienhof ging, in dem ich mit den anderen Teilnehmern bis Sonntag einquartiert sein würde.
Selten war bei der Anfahrt zu einem Seminar so viel Enthusiasmus in meinem Gepäck wie in diesem Moment. Und ich habe beruflich weiß Gott schon viele Seminare mit vielen schrecklichen Powerpoint-Präsentationen über mich ergehen lassen müssen.

Am Freitag ging es so richtig los. Nun las jeder seine Geschichte vor, die anschließend besprochen wurde. In diesem Moment war mir klar, dass ich mich richtig entschieden hatte. Schon vor einigen Jahren einmal saß ich in einer Runde angehender Autoren, beinahe jeder hatte als Statussymbol neben seinen Manuskriptblättern eine Zigarette in der Hand, der Rauch hatte jede Ecke und jede Ritze des Raums erobert. Da las ich damals meine Texte vor, sah in die Gesichter der Anwesenden, deren hehres Ziel ein Posten in der Feuilleton-Redaktion der FAZ war. Und ich erntete regelmäßig Kritik, bekam zu hören, dass der Ansatz ganz gut sei, aber es fehle das gewisse Etwas, was das aber genau sei und wie ich mich verbessern könnte, das wisse man leider nicht. Ich solle es einfach wieder versuchen bis zum nächsten Mal. Vielen Dank, sehr hilfreich! Vielleicht störte es sie einfach nur, dass ich mit meinen Texten in erster Linie unterhalten wollte.
Beim Seminar in Salzburg war das alles völlig anders. Nach einer allgemeinen Bewertung des Textes durch die Gruppe gingen wir jede Geschichte von der ersten bis zur letzten Zeile durch und erarbeiteten konstruktive Verbesserungsmöglichkeiten. Wo nötig, wurden einzelne Worte ersetzt oder Absätze verschoben. Motivationen der Handelnden wurden hinterfragt. Zusätzliche Zeilen vorgeschlagen. Hier ging es ans Eingemachte, und jeder erfuhr im Detail, was funktionierte und was nicht. Welch himmelweiter Unterschied zu meinen schlechten Erfahrungen von früher, die mich seither lange hatten vor einer erneuten Seminarteilnahme zurückschrecken lassen. Hier wurde wirklich was bewegt. Kein Wunder, dass wir, obwohl wir schon um 8.45 Uhr angefangen hatten, trotzdem erst gegen 22 Uhr fertig wurden.

Das gegenseitige Vorlesen der frisch entstandenen Texte hat allen viel Spaß gemacht. Die kleinen Austriazismen hier und da waren das Salz in der Suppe. Der lange Samstag endete schließlich mit Einzelgesprächen, die Uschi unermüdlich bis Mitternacht mit jedem einzelnen von uns führte.

Voller Euphorie fuhr ich nach Hause, mit Ideen für nicht weniger als zwei Romane im Kopf. Nun gilt es, dranzubleiben am Computer und die Romane zu schreiben. Dranbleiben werde ich aber auch in einem weiteren Sinne. Denn ich werde Wiederholungstäter sein: Für Fortgeschrittene gibt Uschi weiterführende Seminare, die so genannten Wortschmieden. Die nächsten sind bereits im Oktober. Ein Platz war noch frei. Und zufällig hatte ich an dem Termin Zeit. Zufällig? Oder wie war das noch mal mit der Bestimmung?
PS: Am kommenden Montag, den 19. Oktober, stelle ich einen Auszug aus meiner Seminar-Geschichte vor und erläutere, welche Stellen ich warum nach dem Seminar geändert habe.
Kommentare
Also, auch wenn angehende Autoren solche Seminar als
hilfreich ansehen und diese für notwendig halten, so wirklich
kann ich nicht daran glauben.
Jeder Schreiberling hat doch so seinen ganz eigenen Stil.
Und Uschi Zietsch hat den bestimmt auch. Wie bleibt denn
dieser eigen Stil erhalten, wenn man sich den Regeln
eines anderen angleicht?
Das leuchtet schon ein. Und diese Erfahrungen müssen
bestimmt auch vor Ort gemacht werden und können nicht
in so einem Artikel wiedergegeben werden. Was mich jedoch
nicht loslässt, ist dieses 'Schreiben auf Befehl'. Wenn es
möglich ist auf Befehl zu schreiben, kann doch kaum mehr
Kreativität dahinter stecken. Dann ist das Ganze doch nur
noch Technik.
Das Seminar begann am ersten Tag mit allgemeinen Hinweisen, wie eine Geschichte strukturiert sein, welche Regeln man beim Schreiben beachten sollte. Diese Hinweise sind quasi das Skelett, um das herum die Geschichte das Fleisch bildet. Nun kann ich natürlich argumentieren, dass schon das Skelett sehr deutlich festlegt, welche Kreatur am Ende herauskommt, und insofern bereits den individuellen Stil wenn auch nicht glattbügelt, so doch zumindest deutlich einschränkt. Aber auch das ist nicht wirklich der Fall. Uschi hat beim Seminar darauf hingewiesen, dass jede Regel dazu da ist, auch einmal gebrochen zu werden. Aber sie sollte bewusst und mit guten Gründen gebrochen werden. Und um das tun zu können, muss man sie erst einmal kennen.
Am Mittwoch (wurde auf Montag verschoben, siehe Horsts Kommentar) erscheint ein Auszug meiner Geschichte mitsamt den im Seminar erarbeiteten Änderungen. Ich denke, daraus geht hervor, dass sie wirklich besser geworden ist, ohne ihre eigene Sprache zu verlieren.
Horst von Allwörden sagt: Die unterschiedlichen (und erläuterten) Fassungen der Wolz-Story vom Workshop erscheint nicht an diesem Mittwoch, sondern erst am kommenden Montag
Ich glaube, da unterliegst Du einem großen und sehr weit verbreiteten Irrtum. Jeder Schreiber muss sich doch ein Thema überlegen, über das er schreibt, er braucht einen "roten Faden". Das schränkt ihn doch in keiner Weise ein, sondern er kann sich auf das Wesentliche konzentrieren, ja, ich denke, das muss man sogar. Es gibt natürlich auch das "Drauflosschreiben" - ich denke aber, das hat in den meisten Fällen eher Trainingscharakter und muss, sollte man es veröffentlichen wollen, sowieso überarbeitet werden bzw. man sucht da seine Inspiration und nimmt diese als Ausgangspunkt für eine Geschichte. Wie gesagt, Schreiben ist nicht nur Talent und folgt nicht nur aus der Inspiration - echte Künstler sind deshalb echte Künstler, weil sie aus der Inspiration etwas Großes machen, das auch ein Produkt oder gerade das Produkt handwerklicher Disziplin + dem besonderen Genius ist. Auch Michelangelo musste die Grundlagen des Malens erst lernen und konnte darauf aufbauend seine wahnsinnigen Kreationen "erarbeiten". Oder in Bezug auf die Literatur: die allermeisten Autoren sind unglaublich versiert im Bereich der Literatur und schöpfen daraus. Die Inspiration ist nur ein winziger, wenn auch nicht zu verachtender Teil des Ganzen.
Nichtsdestotrotz ist die Erfahrung faszinierend: Dass eben genau das so gut funktioniert, dass man auf Befehl in der Lage ist, etwas Kreatives zu erschaffen. Diese Erfahrung gemacht zu haben, wünsche ich jedem, der gerne schreibt.