Der Weltcon, der HUGO und ich - Die Hugo Frage - Zusätzliches Material
Der Weltcon, der HUGO und ich
Die Hugo Frage - Zusätzliches Material
Das liegt sicherlich daran, dass man nirgendwo so vortrefflich streiten kann wie im Internet, wo teils auch noch Trolle Öl ins Feuer gießen, zum anderen gesellt man sich natürlich im echten Leben gerne zu Fans, die ohnehin mit einem selbst auf einer Wellenlänge sind.
In Seattle, auf der Convention Prolog(ue) war die Sache ein Thema in einem Diskussionspanel zum Thema „Woman in Fandom Now“, das Ganze blieb aber recht sachlich und frei jeglichen Geschreis und nahm nur einen Bruchteil des Programmpunktes in Anspruch.
Kurz vor der Verleihung der Hugo Awards war das Ganze dann kein Thema mehr. Die Fans waren vor allem damit beschäftigt, die begehrten Platzkarten zu ergattern oder sich einen gemütlichen Platz mit Videoübertragung zu sichern. – Und ja, die Hugos sind und bleiben ein Spektakel, das seinesgleichen sucht! Das ist nichts, wo man in alten Hosen und verschwitzen T-Shirts irgendwie auf die Bühne klettert, das ist eine feierlich zelebrierte Zeremonie. Wer hier sicher oder auch nur vielleicht auf die Bühne gerufen wird, kommt im Anzug oder Abendkleid, falls ein fannisches Statement gesetzt wird, dann meist recht dezent – und in was für Abendkleidern! So viel Glitzer sehe ich sonst in einem Jahr nicht und wenn, dann auch nur, wenn ich zur Zeit des Wiener Opernballs in unserer schönen österreichischen Hauptstadt bin. Das überlässt man auch nicht dem Zufall, es wurde zumindest mir als Präsentatorin schon vorab per Mail nahegelegt, mich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Man kann sich also vorstellen, dass bei so einer ernsten Angelegenheit Diskussionen unpassend sind – das hatte seine Zeit vorher und darüber kann man auch nachher sprechen, aber wer dort war, hat sich auch zu benehmen gewusst.
Zwei Stunden vorher gab es einen Empfang für geladene Gäste. – Gut, war natürlich auch zugegebenermaßen ein geschützter Raum für die direkt in die Zeremonie involvierten Personen. Die quadratischen Einladungskarten mit dem Sasquan-Logo waren limitiert und dementsprechend begehrt . Drinnen wurde mir auch klar, warum: Neben dem Umstand, dass die High Society des Fandoms versammelt war, gab es auch zahlreiche warme und kalte Köstlichkeiten in Selbstbedienung, während die Nominierten zu einem Fototermin hinter einen Vorhang gerufen wurden.
Ich selbst sollte ursprünglich zwei Hugo-Awards präsentieren. Warum und wieso ist eine längere Geschichte, aber zur Erklärung mal so viel: Ich habe den diesjährigen TransAtlantic Fanfund, kurz TAFF, gewonnen. Das ist so eine Art Austauschprogramm zwischen nordamerikanischen und europäischen Fans, die einen Vertreter des jeweiligen Fandoms wählen und zu einer Convention auf den jeweils anderen Kontinent schicken. (Die Reisekosten werden dabei vom Fanfund übernommen.) Man ist damit auch gleichzeitig Ehrengast und bekommt eben offizielle Aufgaben wie den Auftritt in diversen Zeremonien – denn man soll ja eines: Repräsentieren.
Die Nominierten saßen dann während der Preisverleihung auf reservierten Plätzen im Publikumsraum. Es wusste auch keiner, ob er wirklich gewonnen hatte, aber wie bereits erwähnt: Das ist eine sehr ernste Sache, also haben sich auch nicht-anwesende Nominierte rechtzeitig darum gekümmert, dass der Preis im Fall der Fälle von einer Vertrauensperson in Empfang genommen wird. Einfach nicht da ohne Erklärung, mit peinlichem Schweigen, das gab es nicht.
Ich selbst war mit einer größeren Gruppe hinter der Bühne. Ganz typisch für mich war ich wieder mal ein bisschen verpeilt und habe ich das Kamerateam falsch verstanden, als die mich nicht vorbeilassen wollten und bin einmal quer über die Bühne, um dann nicht ganz so unauffällig zur anderen Seite hin zu entschwinden. Dabei wäre hinter ihnen auf derselben Seite der richtige Weg gewesen. So stand ich dann weitgehend alleine vor einem riesenhaften Gevatter Tod, der noch zum Einsatz zu Beginn der Preisverleihung kommen sollte, bis man mir sagte, ich solle doch lieber zu den anderen gehen.
Hinter der Bühne war es alles andere als schön. Es roch muffig, es standen wenige, unbequeme Sessel rum und es war auch recht kühl. Ich war in der Wartezeit abwechselnd nervös oder so müde, dass ich fast eingeschlafen wäre. Die Partys vom Vorabend hatten doch mehr Tribut gefordert, als ich gedacht hatte. Aber wenigstens konnte man über einen Fernseher die Zeremonie mitverfolgen. Theoretisch jedenfalls. Natürlich habe ich hingesehen, gerade am Anfang mit den Damen in Star Trek Uniform, die den Hugo Award gegen Gevatter Tod verteidigt haben. Aber ich war wie gesagt müde und nervös und manchmal stand einfach wer zwischen dem Fernseher und mir ...
Die Zeremonie selbst geleitet haben David Gerrold in Anzug und mit bunter Fliege, und Tananarive Due in klassischer roter Star Trek Uniform. Sie heizten auch dem Publikum richtig ein!
Ich war übrigens heilfroh, dass ich vorgestellt wurde. Tananarive hatte extra vorab die Aussprache meines Nachnamens geübt, der offenbar keinem Amerikaner leicht über die Lippen geht. Bei mir selbst wurde mehrmals umdisponiert, wie ich das mit der Preisverleihung machen sollte: Mal hieß es, ich solle die Definitionen der Kategorien vorlesen, dann wieder nicht, mal traute man mir zu, die Nominierungsliste vorzulesen, dann sollte nur den Preis überreichen und sonst nichts und dann doch wieder zurück. So ganz sicher war man sich eben nicht, was man dem Mädel aus diesem seltsamen kleinen Land, in dem nicht Englisch gesprochen wird, zutrauen und zumuten sollte.
Zum Glück war der Zuschauerraum dunkel, sodass ich nicht das Gefühl hatte, vor gar so vielen Leuten zu sprechen, und mir war auch nicht bewusst, dass das Ganze per Live-Stream übertragen wurde, also machte ich einfach mal. Der schwerste Teil war ohnehin die Einleitung, danach musste ich mir nur in Erinnerung rufen, tatsächlich eine Pause nach jedem Namen zu machen und natürlich auch laut und deutlich zu sprechen. Danach gab es einen Umschlag, der mit einem putzigen Sternchenglitzersticker zugeklebt war, auf dem der Namen des Gewinners stand. Ich muss sagen, dass ich das selbst ziemlich aufregend fand. Ich weiß ja, wie viel das jedem bedeutet, der einen Literaturpreis gewinnt.
Und dann natürlich: Das Überreichen. Der diesjährige Hugo hatte eine recht stabile Basis und ich konnte auch den Gewinner des Wettbewerbs dazu, Matthew Dockrey, hinter der Bühne kennenlernen – schon bei der Eröffnungszeremonie. Die Raketen werden gleich in größerer Zahl produziert und alles in allem sind die begehrten Hugos nicht so schwer, wie sie aussehen. (Eine durchschnittliche Katze hochzuheben, empfinde ich jedenfalls als größeren Kraftakt.)
Auf dem Pult lag ein Skript, wie bereits erwähnt, dem Zufall überlässt man da nichts. Oder doch? Jedenfalls stand da, dass David Gerrold sich bei mir bedanken und ich wieder hinter den Vorhang gehen sollte. Das tat er aber nach den abgesprochenen zwei Kategorien nicht, stattdessen gab es noch eine Liste für mich. Und dann ging es weiter, bis alle Preisträger der Fankategorie mit ihren Preisen versorgt waren. Ich glaube, dass es ganz gut ging, bis es an die „Semiprozines“ ging. Ich habe das Wort noch nie jemanden sagen gehört, ich glaube, so exakt ist auch im Alltag kein Mensch. Also ging dann die Aussprache auch etwas in die Hose, worauf mich David Gerrold korrigierte und damit völlig aus dem Konzept brachte. Er meinte noch so was wie: „Jetzt ist sie ruhig.“
Witzigerweise haben später einige Fans bei einer Party einander erzählt, ich hätte zu ihm gesagt, er solle die Klappe halten oder gar Ärgeres. So frech war ich nun auch wieder nicht, ich habe so was wie „Lass uns zum Thema zurückkommen“ gemeint. Irgendwas musste ich schließlich sagen, um die peinliche Stille zu überbrücken und das Ganze nicht gleichzeitig in Sprechübungen ausarten zu lassen!
Nachher ging es wieder zurück hinter den Vorhang. Man fragte mich, ob ich Glas Wasser möchte (natürlich nicht – in den USA ist das immer eine halbe Ice-Bucket-Challenge) und wollte mich dann zu meinem Platz geleiten. Was gar nicht so leicht war, da ich meine Eintrittskarte in den Untiefen meiner Handtasche versenkt hatte (die natürlich hinter der Bühne geblieben war) und ich keine Ahnung hatte, wie die Nummer war. Den Rest der Zeremonie konnte ich also dann doch von den Zuseherreihen aus genießen. Wobei es gerade hier ans Eingemachte, sprich, an die wirklich umstrittenen Kategorien ging. Fünf Mal „No Award“! – Nein, das ist wirklich keine schöne Sache zum Präsentieren und ich war heilfroh, dass ich nicht mehr auf der Bühne stand. Allgemein wurde das Ganze mit Jubel begleitet und ich hatte das Gefühl, dass viele es toll fanden, dass diversen Puppies damit ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde. Vereinzelt gab es Buhrufe, die aber schnell abbrachen, als David Gerrold durch das Mikrofon verkündete, dass das nicht angemessen sei. Allgemein war die Empörung Publikum angesichts der diesjährigen außerordentlichen Umstände tatsächlich aber sehr gemäßigt.
Später überwog dann die Partylaune. In einer nahegelegenen Buchhandlung fand die traditionelle „Hugo Loser´s Party“ statt. Da es allerdings keine Party für Gewinner gab, gingen die da auch einfach hin. Wie gesagt, vorab wusste ja niemand, wer gewinnt, also standen die auch alle auf der Gästeliste. Mir war gar nicht bewusst, dass man da eine Einladung brauchte, mich hatte einfach wer gefragt, ob ich da hingehe. Und ja, lustigerweise gehört es nicht nur zu den Rechten, sondern sogar zu den Pflichten einer TAFF-Delegierten, möglichst alle Festivitäten rund um die Worldcon zu besuchen. Hört sich natürlich recht seltsam an, insbesondere, wenn man sich vor allem mit dem recht ernsten und außerordentlich ruhigen deutschen Fandom verbunden fühlt, macht aber durchaus Sinn, da meine Hauptaufgabe ja im Netzwerken besteht. Ich war allerdings ein wenig überrascht, als man da mit Listen saß und wusste nichts zu sagen. Das hat dann wer anderer übernommen: „Das ist doch die TAFF-Delegierte!“ – Ach so, na dann, weiter zu Freibier und in Schokolade getunkten Erdbeeren. Und nachher die nächsten Partys in einem nahegelegenen Hotel. Das Ganze war total aufregend, plötzlich kannten mich restlos alle. Nur die Finnen nahmen es mir scherzhaft übel, dass ich den Namen ihrer Nominierten nicht als Gewinnerin verkündet hatte. Aber nicht lange. Man hat sich immerhin genug gefreut, dass man die Worldcon 2017 in Helsinki ausrichten darf, was ebenfalls während dieser Worldcon entschieden wurde.
Ich bin jetzt in Kalifornien unter Fans. Nur einmal hat es noch angesichts Daheimgebliebener geheißen: „Hast du gehört, fünf Mal kein Preis!?!“
Hier der Link zum Stream der Hugo Verleihung in Spokane (vom 23. August)
Foto: Peter Bosch
Fotos von der Hugo-Verleihung: Keith Morden
Kommentare
Ich weiß nichts davon, möglich, dass er das noch gemacht hat und ich schon auf einer anderen Party war.