Willkommen in der Rüstkammer - Spiel 2007 in Essen
Was sind die Essener Spielertage?
"Die SPIEL präsentiert klassische, fantastische und elektronische Spiele sowie Spielwaren:
Die Aussteller der Internationalen Spieltage präsentieren das gesamte Spiel-Spektrum: Dazu gehören Gesellschafts-, Familien-, Erwachsenen- und Kinderspiele sowie Strategie-, Post-, Abenteuer-, Fantasy- und Science-Fictionspiele, zu denen sich auch und ganz selbstverständlich CD-ROMs und elektronische Spiele gesellen."
Quelle: Merz Verlag
Spiel des Jahres?
In diesem Jahr fiel die Wahl der Fachleute auf "Zooloretto" von Abacus Spiele. Auf der Seite der Jury findet sich dazu folgender Text:
"Zooloretto
von Michael Schacht
Verlag: Abacusspiele
2 - 5 Spieler • ab 8 Jahren • ca. 45 Minuten • ca. 30.00 ZoolorettoSpiele herzustellen braucht Zeit: Sonst wäre bei "Zooloretto" wohl ein Eisbär und kein Panda auf dem Cover. Spaß macht es auch ohne Knut: Die Spieler sind Zoodirektoren und wollen ihre Gehege mit Affen, Tigern oder Zebras füllen. Das Spielprinzip ist einfach: Entweder man nimmt die Tiere, die bereits auf Transportwagen angeboten werden, in den eigenen Tierpark. Oder man will mehr und legt ein weiteres Tierplättchen auf einen der Wagen. Dann sind aber erst die Mitspieler an der Reihe und können so die besten Angebote wegschnappen. Außerdem wird es im eigenen Zoo schnell eng. Da Tiere, für die es kein Gehege mehr gibt, im Stall Minuspunkte bringen, sollte man seinen Tierpark rechtzeitig vergrößern. Das trickreiche "Zooloretto" ist ein toller Spielspaß für die Familie wie auch für Experten."
Quelle: Spiel des Jahres
Leider setzt sich hier ein Trend fort, der seit vielen Jahren zu beobachten ist: Allenthalben finden sich auf der Messe neue und hochinteressante Gesellschaftsspiele, die prämierungswürdig wären, ebenso wird aber in fast jedem Jahr ein anspruchsloses und wenig originelles Produkt gekürt, das vielleicht die jüngeren Spieler ansprechen mag, bei älteren oder erfahrenen Zockern jedoch nur zu Gähnen führen kann. Eine der wenigen positiven Ausnahmen waren weiland "Siedler von Catan" oder "Carcassone", dem stehen aber weitaus mehr Negativbeispiele wie "Villa Paletti" oder "Niagara" entgegen, die nur kurzfristig Spass bieten, aber keine Langzeitmotivation aufkommen lassen - oder schlicht dumm sind. "Zooloretto" ist grade mal ein erweiterter "Coloretto-Klon". Siehe: AbacusspieleÜberhaupt ist festzustellen, dass die Preise in aller Regel an die - sagen wir mal vorsichtig - "bekannteren Namen" der Branche gehen und kleinere Verlagen aussen vor bleiben, auch wenn diese Achtungserfolge wie beispielsweise das kongeniale und nicht nur in Insiderkreisen überaus beliebte "Anno Domini" (Fatamorgana , Wikipedia ) vorweisen können. Ein Schelm, wer dabei "Klüngel" denkt?Ebenfalls bezeichnend ist der Trend bei den prämierten Spielen zu solchen, die man "mal eben" in 45 Minuten "abarbeiten" kann, sicherlich eine Konzession an die Gelegenheitsspieler, die allerdings auf der Messe nicht in der Überzahl sein dürften.
Positivbeispiel: "Liebe und Intrige""Opulent wie ein Roman von Jane Austen", so der Anreisser des Flyers zum im Titel genannten Spiel, leider in diesem Jahr aufgrund mangelnder Zeit das einzige Produkt, bei dem ich zum testspielen gekommen bin.Hersteller Goldsieber (dahinter versteckt sich Noris Spiele) bringt ein wirklich originelles Spiel von Ellen Maria Ernst und Kira Verena Samol an den Start:In der Zeit des Biedermeier hat man die Aufgabe, drei heiratsfähige Töchter an den Mann zu bringen. Hierbei spielen Ansehen, Schönheit und Bildung der Damen eine große Rolle (niedergeschlagen als Werte zwischen eins und fünf auf der Charakterkarte der Mädels), denn die potentiellen Herren sind anspruchsvoll.Auf dem Spielbrett befinden sich Orte, die die Damen besuchen können, um Herren kennen zu lernen und gleichzeitig ihre Werte zu verbnessern. In der Oper beispielsweise erhöhen sich durch Besuch Ansehen und Bildung. Gleichzeitig kann man sich die auf dem Feld platzierten Herren ansehen und sich einen aussuchen, um ihn vor der ersten der eigenen Töchter zu platzieren. Die Herren geben unterschiedlich viele Punkte, jedoch je mehr Punkte man mit einem der Verehrer erreichen kann, desto anspruchsvoller sind die Galans, was die Prädikate der Damen angeht.Ein weiteres Feld, um rasch zahlreiche Herren kennen zu lernen, ist die Kneipe - hier liegen die meisten Mannsbild-Karten - jedoch lauert hier auch der Casanova, und man muss würfeln, ob er die Tochter verführt, was bei Würfelpech gnadenlos zu einem Verfall des Ansehens führt. Zusätzlich muss man hier auf übermäßigen Alkoholgenuss würfeln, was den potentiellen Bräuten auf die Bildung schlägt (sie sich also offenbar das Hirn wegsaufen).Weiterhin gibt es auch noch den Schneider, hier findet man keine Herren, kann dafür aber die Schönheit durch Besuch um zwei Punkte steigern.
Befinden sich zwei Damen auf demselben Feld, kann man eine Intrige beginnen, um einer Rivalin bereits angeflirtete Herren (also solche die bereits vor einem anderen Spieler liegen) wegzuschnappen. Außerdem erhält man am Ende jedes eigenen Spielzugs Ereigniskarten, die entweder einem selbst Vorteile bringen, oder aber gegen die Mitspieler eingesetzt werden können.Ziel des Ganzen ist es, drei gleiche Verehrer-Karten zu sammeln und gleichzeitig die Anforderungen dieses Verehrers in Sachen Schönheit, Ansehen und Bildung erfüllen zu können. Ist beides gegeben ist die Erste Tochter verheiratet und das Spielchen geht noch zwei mal weiter. Gewinner ist derjenige, der als erster die drei punktmässig potentesten Verehrer versammeln kann."Liebe und Intrige" ist wirklich hübsch ausgestattet, leicht zu erlernen und dennoch sowohl anspruchsvoll als auch kurzweilig und ich persönlich liebe ohnehin Spiele, bei denen man den Mitspielern mal prima einen einschenken kann. In Sachen Brettspiel mein absoluter Geheimtip diesen Jahres und definitiv trotz des Themas nicht nur für Mädels oder Liebhaber von Hedwig Courths Mahler geeignet.Siehe: Goldsieber
Für weitere Spieletests blieb - wie bereits erwähnt - leider keine Zeit, allerdings kann man sich viele der Mainstream-Produkte meiner unmaßgeblichen Meinung nach schon nach dem Betrachten des Waschzettels (also der Boxrückseite) schlichtweg sparen. Erfahrungsgemäß insbesondere Lizenzprodukte zu Filmen oder ähnlichem, selbstverständlich hatte man am Kosmos-Stand einen überlebensgrossen Eisbären installiert, der Kinofilm "Der Goldene Kompass" steht ja auch vor der Tür.
Das Rollenspieler-GhettoSo nenne ich gern die Halle sechs, in der Rollenspieler und Co. zusammengefasst werden, möglicherweise auch deswegen so konzentriert, um den Standard-Spieler samt Kindern nicht allzusehr zu verschrecken. Klappt übrigens nicht, denn man sieht immer wieder mehr oder weniger panisch guckende Eltern, die ihre Sprösslinge reichlich hastig an echten Vollplatte-Rüstungen oder gruselig grünen Orkkriegern vorbei zerren (von der Schaufensterpuppe im Succubus-Outfit mal ganz abgesehen).Über die letzten Jahre dominieren immer mehr die LARP-Läden und es ist ein deutlicher Schwund in Sachen Pen&Paper-Rollenspiel festzustellen. Meine Vermutung ist, dass viele der kleineren Läden einfach schlapp gemacht haben, oder sich die Standpreise nicht mehr leisten können oder wollen.
Die steigende Beliebtheit des LARP-Genre zeigt sich durch Konsolidierung in Gigantstände mit Massenware wie bei Mytholon oder auch qualitativ hochwertigem bei anderen Anbietern. Übrigens war es verboten, echte Blankwaffen mit auf die Messe zu bringen, ich frage mich allerdings warum, denn drin konnte man diese völlig problemlos erwerben. Positiv ist der Trend zu immer mehr Auswahl in Sachen Gewandung zu immer günstigeren Preisen. Die Zeit der Spargewandung ist im Prinzip vollständig vorbei, man muß allerdings einiges an Kreativität walten lassen, damit es nicht zu einer Uniformierung kommt und man den Eindruck erhält, die Gewandeten seien geklont - bisweilen ist das bereits so.
Trotz des Trends zu immer größeren LARP-Ständen ist aber auch nach wie vor eine nicht geringe Anzahl von kleineren Anbietern zu finden, die Nischen besetzten, die die Großen als Anbieter von Massenware schlicht nicht besetzen wollen oder können.
Wie bereits erwähnt ist beim Tischrollenspiel Stagnation festzustellen, die großen und bekannten Systeme sind vorhanden, dominieren und bringen Programm-Neuheiten, wohingegen echte Neuerungen - allemal innovative - ausbleiben. Die Branche hat sich offenbar seit dem Crash ursprünglich ausgelöst durch den Hype um das Sammelkartenspiel "Magic The Gathering" nie wieder richtig erholt. Manche Anbieter versuchen verzweifelt Neuauflagen ihrer Spiele auf den Markt zu bringen, die am bekannten Spieluniversum oder den Mechanismen herummanipulieren, um neue Ansätze zu geben. Hierbei werden allerdings allzu oft Alt-Spieler vergrätzt (Ein prominentes Beispiel hier z.B. die White Wolf mit ihrer "World Of Darkness"), die dann lieber weiterhin ihre alten Regeln und Quellenbücher verwenden, statt Neues zu erwerben.
Auch die Möglichkeit älteres Material zu erwerben geht mehr und mehr zurück, früher habe ich beispielsweise gern man nach Material des Pleitiers West End Games gesucht (Produkte beispielsweise: Star Wars, Indiana Jones, Ghostbusters, TORG), heutzutage findet man aber kaum noch was und die Chance auf Ebay fündig zu werrden ist deutlich höher als in Essen. Früher war das anders, oder zumindest günstiger als im WWW.
Immer noch ein grosses Thema sind Sammelkartenspiele jeglicher Couleur, angefangen vom unvermeidlichen "Magic - The Gathering" über solche zu "Star Trek", "Star Wars", "Herr Der Ringe", "Babylon 5", selbstverständlich "World Of Warcraft" bis zu Exoten wie "Tomb Raider" oder "Resident Evil". Abgesehen vom "Constructible Card Game" "Pirates Of...", bei dem man kleine Schiffchen aus scheckkartenähnlichen Plastikkarten ausdrückt und zusammenfrickelt, um auf der Tischplatte Seeschlachten auszuführen, ist das Genre jedoch überhaupt nicht mein Thema, deswegen kann ich hier nichts Erschöpfendes dazu berichten.
Und natürlich : Würfel, Würfel, Würfel, Spezialisten für Leder (und Lack), Musik, Met, Masken, Abstuses und Absonderliches und vieles mehr (im nächsten Jahr werde ich wieder mehrere Tage dort sein, dann bleibt mehr Zeit für einen Artikel).Vierfarbiges
Ein weiterer Punkt seit vielen Jahren die integrierte Comic Action, bei der ungezählte Comics feilgeboten werden und Zeichner sich zur Freude der Fans ein Stelldichein geben.Hier nimmt einen immer größeren Raum der Bereich Manga und Animé ein, weswegen man auch immer mehr jugendliche Gewandete in Manga-Kostümen (sogenannte Cosplayer) sehen kann. Ich finde das recht angenehm, zeigt es doch, daß neue Generationen nachwachsen und - mal ehrlich: Kostüm ist Kostüm und Hobby ist Hobby, es gibt also keinen Grund, warum ein aufgerödelter Orkkrieger auf ein lilahaariges Mädchen mit Gigantschwert herabblicken könnte.Neben den Comics (und DVDs) hat man selbstverständlich auch die Möglichkeit Sekundärmaterial wie Figuren, Fahrzeuge, Tassen, Plüsch und Myriaden Nippes mehr zu erwerben, wenn noch nicht genügend Staubfänger zu Hause im Regal stehen.
Und Schluss...Ausgelassen habe ich bei diesem Bericht die Bereiche Kinderspielzeug und Computerspiele. Ersteres interessiert mich überhaupt nicht (mag am Alter liegen) und letztere sind nur verschwindend vertreten, ein Stand mit verramschten Budget-Spielen (an dem ich dennoch immer wieder mal zugreife, die Sammelleidenschaft) und erstmalig in diesem Jahr der EA-Games Truck mit Computer- und Konsolenspielen. Sonderlich beeindruckend war der Truck mit seinen sechs oder sieben Plätzen jedoch nicht und Neuheiten waren alle bereits auf der Games Convention vorgestellt worden (bei der hoffe ich ja, dass sie vom Outback in Leipzig an erreichbare Orte wie Köln oder Frankfurt verlegt wird, das wäre dann für mich ein Messe-Event mehr).Abgesehen von dem Gebotenen ist die Messe selbstverständlich in jedem Jahr ein Treffpunkt von Spielern jeglicher Art, die sich bei in der Nähe wohnenden Freunden für das Wochenende einrichten und nach dem Besuch gemeinsam ihre Schätze sichten oder gleich testspielen.Für uns endete die Messe mit dem traditionellen Abendessen beim Mongolen in Gelsenkirchen.Nachstes Jahr definitiv wieder, auch wenn sich das Angebot wandelt, die Spiel in Essen ist immer wieder ein Erlebnis - auch wenn der März Verlag langsam mal über seine Preisgestaltung nachdenken sollte: 11 Euro für eine Eintrittskarte is definitiv zu viel. Insbesondere da ein Grossteil des Zielpublikums aus Jugendlichen und Sudenten besteht, die nicht eben für Finanzstärke bekannt sind. Auf der anderen Seite sind offenbar die Preise für kleinere Stände gesunken, so dass wieder vermehrt Kleinverlage zu finden sind. Man kann wohl nicht alles haben...