Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Ringo´s Plattenkiste - ELO: Out of the Blue

Ringo´s PlattenkisteELO: Out of the Blue

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

Ringo´s Plattenkiste1977 war ein Jahr des Umbruchs in der Musikwelt. Während alteingesessene Rockbands nach wie vor in opulenten Bühnenshows und ausufernden Kompositionen auf ihren Studioalben schwelgten, zeichnete sich am Horizont bereits die  nahende Götterdämmerung ab: Punk und später New Wave erhoben ihre Häupter und waren im Begriff, die Definitionen dessen was gut war völlig neu zu gestalten. Die Pop-Musik betraf das alles eher wenig, da sie sich vom Glam langsam aber stetig zum Disco entwickelte. In diesem Jahr des Umbruchs, das voller Überraschungen war, erblickten einige musikalische Perlen das Licht der Welt. Eine davon war zweifelsohne das Doppelalbum „Out oft he Blue“ von Electric Light Orchestra.

ELO – wie der Bandname abgekürzt lautete - gingen 1970 aus den Trümmern der aufgelösten britischen Band „The Move“ hervor. Deren ehemaligen Mitglieder Jeff Lynne, Roy Wood und Bev Bevan gründeten die die Gruppe mit dem Anspruch „Dort weiter zu machen, wo die Beatles mit „I am the Walrus – aufgehört hatten“. Ein hoher Anspruch, dem man auf Dauer aber leider nicht gerecht werden konnte.

Multiinstrumentalist Wood verließ die Band bereits nach einem vielversprechenden ersten Album und überließ Jeff Lynne das Ruder, der fortan die musikalische Ausrichtung der Band bestimmen sollte. Während der 1971er Erstling durchaus noch einen Brückenschlag zwischen Rock und klassischer Musik – wie es auch konzeptionell geplant war – darstellte, wandelte sich der musikalische Stil nach Woods Weggang sehr schnell. Während den klassischen Instrumenten Violine und Cello anfangs noch eine tragende Rolle zufiel, wurden sie im Laufe der nächsten Jahre und Veröffentlichungen mehr und mehr in einen quasi bedeutungslosen Hintergrund gedrängt. Nach dem Ausscheiden des begabten, aber exzentrischen Roy Wood war dies auch kein Wunder, denn während Multi-Instrumentalist Wood völlig  andere musikalische Ambitionen hatte, als der eher Pop-orientierte Lynne, war es ohnehin nur eine Zeitfrage, bis es zu einem Split kommen würde. Die Rockelemente verschwanden nach und nach, der Sound wurde zunehmends poppiger und radiotauglich.

ELO machten felissig weiter und veröffentlichten regelmäßig neues Material, das aber ehre belanglos war. Mit „Eldorado“, dem vierten Studio-Album, das 1974 erschien, begann sich dann allmählich ein ganz eigener Stil herauszukristallisieren. Ein erster Erfolg mit der Hit-Single „Can´t get you out of my head“ machte die Band einem breiteren Publikum bekannt und verlieh ihr einen enormen Popularitätsschub.

Die folgenden Alben konnten derlei Singlehits leider nicht mehr aufweisen, trugen aber dennoch zum steigenden Erfolg der Band bei. 1976 erschien dann mit „A new World Record“ der Vorläufer zum vorliegenden Doppelalbum „Out oft he Blue“. Lt. Allmusic ist der darauf enthaltene Song „Telephone Line“ die vielleicht beste Lennon & McCartney Kollaboration, die es nie gab. Was nicht übertrieben ist, wird die Band hier ihrem einstigen Beatles-Anspruch aus den Gründungstagen mehr als gerecht. Single und Album wurden ein weltweiter Erfolg. Damit wuchsen aber auch der Druck der Plattenfirma und die Erwartungshaltung der Fans. Was sollte als nächstes kommen?

Lynne zog sich für einige Wochen in ein eigens gemietetes Chalet in der Schweiz zurück, um am Nachfolgealbum zu arbeiten und neues Material zu komponieren. Zeit dafür stand ihm recht wenig zur Verfügung. Glaubt man dem Booklets hatte er lediglich zwei Wochen Zeit zum Schreiben, anschließend noch drei Monate, um das Album einzuspielen. Die Aufnahmesessions, an die Jeff Lynne sich sehr gerne erinnert, erfolgten wie bisher in München, genauer gesagt im Musicland Studio. Laut Lynnes Erinnerungen war dies seine musikalischste und produktivste Zeit überhaupt. Besonders gerne denkt er - lt. Booklet - an die Münchner Biergärten zurück.

Ringo´s PlattenkisteDas Line-up der Band zum Zeitpunkt der Aufnahmen bestand aus:
•    Jeff Lynne: Lead Vocals, Guitar, Piano
•    Bev Bevan: Drums, Vocals
•    Richard Tandy: Keyboards, Vocals
•    Kelly Groucutt: Bass, Vocals
•    Mik Kaminski: Violin
•    Hugh McDowell: Cello
•    Melvyn Gale: Cello

Zur Untermalung der fertigen Tracks verpflichtete man ein 40-köpfiges Orchester unter der Leitung von Louis Clarke, der zusammen mit Lynne und dem Keyboarder Tandy die Arrangements schrieb. Das ursprüngliche Aufnahmestudio für dieses Orchester fand allerdings nicht den Gefallen Lynnes. Er störte sich am Nachhall-Effekt, ihm schien der Aufnahmeraum zu groß. Lynne wollte einen trockenen, sauberen Sound des Orchesters. Ein Hall ließ sich im Nachhinein immer noch hinzufügen. War er aber schon bei der Aufnahme dabei, konnte man ihn mit den damaligen technischen Möglichkeiten nicht wieder entfernen, erzählt uns Lynne im Beiheft. So beschloss er kurzerhand, die Aufnahmen ins wesentlich kleinere Musicland-Studio zu verlegen. Produziert und abgemischt wurden die Tracks von Jeff Lynne selbst, der wohl auch hier die volle Kontrolle behalten wollte und dem Sound seinen eigenen, unverwechselbaren Stempel aufdrückte.

Das fertige Doppelalbum erschien in der zweiten Hälfte des Jahres 1977, wunderschön aufgemacht mit Klappcover und schlug voll ein.
Ringo´s PlattenkisteDas Cover zeigt wieder das bereits vom Vorgängeralbum A new World Record bekannte und von John Kosh entworfene Raumschiff, diesmal von dem japanischen Künstler Shusei Nagaoka in Szene gesetzt. Nagaoka arbeitete unter anderem auch für Jefferson Starship, Deep Purple und Earth, Wind & Fire. Die Innenseite des aufgeklappten Covers zeigt die Kommandobrücke des ELO-Raumers.

Der damaligen Erstauflage lag übrigens ein kleiner Bastelbogen aus Pappe bei, der das Spaceship darstellte. Eine Sonderauflage enthielt eine Pressung aus blauem Vinyl. Von Out oft he Blue lagen übrigens bereits vor dem eigentlichen Erscheinen Vorbestellungen in Höhe von unglaublichen 4 Millionen Exemplaren vor!

Das Album erreichte binnen kürzester Zeit Platinstatus (allein in den USA 4x Platin) und ist bis heute das kommerziell erfolgreichste Album der Band. Ausgekoppelt wurden insgesamt fünf Singles, allerdings wären noch durchaus mehr drin gewesen. Das Songwriting ist gewohnt professionell. Scheinbar spielerisch ist es Lynne gelungen, dem Hörer einige zeitlose und wunderschöne Ohrwürmer zu zaubern. Am bekanntesten dürften wohl Turn to Stone und Mr. Blue Sky sein. Kommen wir nun aber erstmal zur Tracklist:

Seite A:
Turn to Stone
It’s Over
Sweet Talkin’ Woman
Across the Border

Seite B:
Night in the City
Starlight
Jungle
Believe Me Now
Steppin’ Out

Seite C (Concerto for a rainy Day):
Standin’ in the Rain
Big Wheels
Summer and Lightning
Mr. Blue Sky

Seite D:
Sweet Is the Night
The Whale
Birmingham Blues  
Wild West Hero

Überwiegend sind die Songs stark Pop-orientiert und zeigen bereits eine ganz frühe Neigung zum Disco-Sound, der sich zwei Jahre später auf dem Nachfolgealbum Discovery manifestierte. Die Produktion ist perfekt, aber auch ein wenig zu glatt geraten. Stellenweise schrammen ELO auch ganz haarscharf am Kitsch vorbei, die Streicherarrangements als auch die mehrstimmigen Chorgesänge wirken teils etwas aufdringlich und erinnern gar an die Bee Gees.

Das Instrumentarium ist aufwendig und für die damalige Zeit sehr modern, es befinden sich beispielsweise Emulatoren und auch Sequencer im Einsatz. Auf einigen Stücken ist auch ein Vocoder zu hören, 1977 durchaus noch eine Seltenheit und damals eher für die  Düsseldorfer Band Kraftwerk typisch. Mit derlei experimentellen Klängen hatte Lynne allerdings nichts am Hut. Alles was er immer wollte, war Pop-Songs zu schreiben, wie er es selbst ausdrückte.

Und so ist auch der selbstgesetzte Beatles-Anspruch auf dieser Platte schon deutlich kleiner geworden und blitzt nur ab und an durch, sieht man von  Concerto for a rainy Day ab.

Seite C bietet mit diesem Track eine Art Suite, aufgeteilt in vier einzelne Songs, auf denen Lynne den Bogen zurückschlägt und eine Fusion aus Klassik und moderner Musik präsentiert. War diese moderne Musik auf dem Erstling No Answer noch Rock, so hat sich hier inzwischen der Pop breitgemacht. Concerto ist kompositorisch sehr abwechslungsreich, vertrackt und ausgefeilt; Lynne spielt hier sein ganzes Können aus. Das Stück ist lupenreiner Art-Pop, man könnte es auch Progressive-Pop nennen. Auch hier finden sich die üblichen Zutaten Streicher und Chorgesang, allerdings bietet der Track auch ausgefeilte klassische und fast schon symphonische Momente. Aufgepeppt ist das Ganze mit Soundeffekten und dem bereits erwähnten Vocoder. Diese dritte LP-Seite endet mit der Single-Auskopplung Mr. Blue Sky.

Begann das Album auf der ersten Seite mit dem Hit Turn to Stone, so endet Out of the Blue spektakulär mit dem hymnenartigen Wild West Hero. Ein Song zum Mitsingen – wenn man es kann – und zum Feuerzeuganknipsen beim Live-Konzert.. Auch von den drei Streichern trennte man sich.

Nach knapp 70 Minuten ist das Hörerlebnis dann auch leider schon vorbei, denn die vier LP-Seiten sind jeweils nicht gerade lang. Seite A ist gerade mal 15 Minuten, die andere drei bringen es auf je ca. 17-18 Minuten. Aber der Plattenkistenonkel Ringo hat ja Zeit, und heutzutage ist es auch – dank der CD - kein Problem mehr, das Werk noch einmal mühelos und komfortabel zu hören, so ganz ohne andauernd aufstehen zu müssen um die Platten zu drehen oder zu wechseln. Einmal erneut den Play-Button auf der Fernbedienung gedrückt, und schon schwebt Jeff Lynne erneut mit seinem Pop-Raumschiff auf zuckersüßen Geigen und Chören ins heimische Wohnzimmer.

Leider lässt die CD-Veröffentlichung aber sehr zu wünschen. Das gesamte Album befindet sich auf einem einzigen Silberling, dazu gibt es gerade mal 3 Bonus-Tracks mit insgesamt 5 ½ Minuten Spielzeit. Die Aufmachung ist leider auch nicht spektakulär. Man findet lediglich ein 12-seitiges Booklet. Out oft he Blue hätte durchaus eine aufwendigere und edlere Veröffentlichung verdient, beispielsweise als 5.1. Mix auf Audio-DVD.

Nach dem phänomenalen Erfolg des Albums und der anschließenden Welt-Tournee brach zwei Jahre später mit Discovery eine neue ELO-Ära an: Lynne wandte sich nun dem Disco-Sound zu und verabschiedete sich endgültig vom Rock, der auf Out of the Blue ohnehin ja kaum noch vorhanden war.

 

Zur Einleitung - Zur Übersicht

Kommentare  

#1 Cartwing 2018-12-31 06:59
Zitat:
Nach dem phänomenalen Erfolg des Albums und der anschließenden Welt-Tournee brach zwei Jahre später mit Discovery eine neue ELO-Ära an: Lynne wandte sich nun dem Disco-Sound zu und verabschiedete sich endgültig vom Rock, der auf Out of the Blue ohnehin ja kaum noch vorhanden war.
ja, da schwächelte man schon etwas, aber der Discosound hält sich auf dem Album eigentlich noch in Grenzen. Da hat Elton John im selben Jahr ein schlimmeres Album verbrochen (Victim of love)

Auf dem "Discovery" Album sind noch ein paar sehr gute Nummern drauf, wie "Shine a Little love" oder "Diary of Horace Wimp". Nicht zu vergessen "Last Train to London". Der Rest ist dann aber relativ unspektakulär.
Richtig schlecht fand ich erst "Secret Messages" und den 86er Nachfolger "Balance of Power"

Ansonsten ein sehr schöner Artikel. Der Begriff "progressive Pop" passt ganz gut...
#2 Toni 2018-12-31 18:05
Tolles Album. Liegt bei mir auch ab und an auf dem Plattenteller - ich stehe immer noch auf :-) .
Jeff Lynne hört man fast täglich im Radio (ELO oder auch die Traveling Wilburys). Er dürfte ordentlich GEMA Gebühren kassieren... :lol:

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles