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Ringo´s Plattenkiste - Eloy: Ocean

Ringo´s Plattenkiste Eloy: Ocean

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

Ringo´s PlattenkisteDer erste Artikel dieses  noch jungen Jahres beschäftigt sich wieder mit Musik aus deutschen Landen, die  auch gerne Krautrock genannt wird. Die heutige Band gehört aber meiner Meinung nach nicht unbedingt dazu, zudem mag ich den Ausdruck nicht besonders. Was Krautrock denn ist, weiß der brave Plattenkisten-Leser schon vom Faust-Beitrag. Falls nicht: bitte nachlesen.

1969 existierte eine Schulband, die später eine der erfolgreichsten und auch innovativsten Band aus deutschen Landen werden sollte: Eloy. Gründungsmitglieder waren Frank Bornemann, Manfred Wieczorke, Helmut Draht, Wolfgang Stöcker und Erich Schriever. Inspiration für den ausgefallenen Namen war H.G. Well`s Roman „Die Zeitmaschine“, in dem das Volk der Eloi ein scheinbar paradiesisches und unbeschwertes Dasein führt, wären da nicht Edgar Broughton und seine Morlocks… Letzteres ist weit, weit hergeholt. Edgar Broughton kommt bei Wells natürlich nicht vor, dafür aber die Morlocks. Oder die Morlocken, wie sie in einer älteren Übersetzung heißen. Was das mit Edgar Broughton zu tun hat? Nichts, rein gar nichts. Oder zumindest recht wenig. Edgar sieht meiner – manchmal seltsamen - Meinung nach heutzutage nur einem Morlocken verflucht ähnlich. Hier mal 3 Bilder. Von links nach rechts: Die Eloi – Die Morlocken – Edgar Broughton.

Gut, der Vergleich Edgar Broughtons mit den Morlocken ist vielleicht doch ein wenig weit hergeholt, aber hey, eine gewisse Ähnlichkeit ist schon vorhanden.

Ringo´s PlattenkisteMeint ihr nicht auch? Übrigens: In den USA gibt es eine Stadt mit dem Namen Eloy. Morlock ist auch der Familienname eines nürnberger Fussballspielers, Max Morlock. Der kommt in dem deutschen Film „Das Wunder von Bern“ vor.

Zurück zum Thema. Musik. Krautrock. Eloy.

Nach zwei im Rahmen eines gewonnenen Talentwettbewerbs aufgenommenen Singles ergatterte die Schulband 1971 gar einen Plattenvertrag und veröffentlichte ihr erstes, selbstbetiteltes Album. Es brachte nichts aufregendes, eher soliden Hardrock a la Deep Purple, meilenweit vom sphärischen und ausufernden Sound der kommenden Jahre entfernt. Nicht aufregend, aber nicht schlecht. Die Erstauflage wurde übrigens in einer aufwendigen Verpackung produziert. Der auf dem Cover abgebildete Mülltonnendeckel ließ sich abnehmen und zeigte das fast leere Innere der Tonne. Interessant am Erstling ist, dass das spätere Eloy-Mastermind Frank Bornemann noch nicht im Vordergrund steht, sondern sein Kollege und Mitbegründer und Leadsänger Erich Schriever.

Ringo´s PlattenkisteBornemann und Schriever verstanden sich anscheinend nicht sehr gut, da ihre musikalischen und textlichen Ideen nicht kompatibel waren. Schriever stieg dann 1972 aus, da er auch den Schritt zum Profimusiker scheute und studierte im Anschluß Musik. Er half Bornemann aber noch bis 1974 ein wenig beim Verfassen der Songtexte. Das Besetzungskarussell drehte sich wie es im Rockzirkus üblich ist weiter, neue Musiker kamen im Austausch gegen bisherige hinzu.

Mehr und mehr traten nun die Keyboards in den Vordergrund, vor allem, da Bassist Wieczorek das Instrument wechselte und hinter der Orgel Platz nahm. Das Singen übernahm nun Bornemann selbst.

1973 erschien dann ihr Zweitling, deutlich gereifter und eigenständiger: Inside. Das Album erschien auf dem britischen Prog-Label Harvest, bei dem unter anderem auch … Edgar Broughton und seine Morlocken unter Vertrag waren, ebenso wie die eher unbekannte und heutzutage vergessene Band Pink Floyd. Stilistisch war Inside kein Hardrock mehr, sondern zeigte schon deutliche Prog-Merkmale und war anspruchsvoller als der Vorgänger. Gewisse Parallelen zu anglo-amerikanischen Vorbildern lassen sich nicht leugnen, ebensowenig wie Bornemanns teutonischer Akzent beim Singen. Eloy klingen völlig anders als auf ihrem Debut, gelegentlich erinnern Sound und Bornemanns Gesang frappant an Jethro Tull in ihrer Anfangszeit (z.B. auf Future City). Aber egal, Inside war erfolgreich. Der SDR verwendete Musik aus diesem Album zur Untermalung eines SF-Hörspiels.

Weitere Alben folgten, auf denen Eloy konsequent ihren eigenen Stil entwickelten und ausbauten. Die Besetzung wechselte abermals und von den Gründungsmitgliedern war bald nur noch Frank Bornemann übrig. Dies lag nicht zuletzt an Manager Jay Partridge, der starke Verwerfungen im Bandgefüge hervorrief. Die Band zerfiel und letztendlich stand Frank Bornemann schnell alleine da. Bornemann gab jedoch nicht auf und suchte mit Unterstützung seines Labels nach neuen Musikern.  Was eigentlich das Ende der Band bedeuten hätte können, führte zu einer Wiedergeburt. Bornemann arbeitete übrigens nebenbei auch für andere Bands, so war er 1974 für das Album Fly To The Rainbow der Scorpions als Producer tätig. Vermutlich lernte Bornemann hier auch seinen späteren Drummer Jürgen Rosenthal kennen. Die Scorpions, die damals noch richtig gute Musik machten,  tourten im selben Jahr auch zusammen mit … Der Edgar Broughton Band!

1976 erschien mit Dawn ihr viertes Album, das erste in neuer Besetzung. Die Musik war sphärischer, orchestraler und auch anspruchsvoller, ebenso wie die Texte. Dawn wurde ihr bislang größter Erfolg, Eloy befanden sich auf dem Zenit ihrer Karriere. Schenkt man dem Booklet von Ocean Glauben, waren Eloy nun ein „Besonders hell leuchtender Stern am Musikhimmel“. Klar, dass die Erwartungen von nun an dementsprechend hoch waren, aber Eloy enttäuschten ihre Fans nicht. Ganz im Gegenteil.

1977 setzten sie nämlich noch eins drauf, mit ihrem epochalen Magnum Opus Ocean, dem bis heute meistverkauften Album der Band.

Das Line-up zu dieser Zeit sah aus wie folgt:
Ringo´s PlattenkisteFrank Bornemann: Gesang, Gitarre
Klaus-Peter Matziol: Bass, Gesang
Jürgen Rosenthal: Schlagzeug, Percussion, Stimme
Detlev Schmidtchen: Tasteninstrumente, Xylophon, Stimme

Drummer und Texter Rosenthal war vor Eloy kurzzeitig Mitglied bei den Scorpions. Matziol kannte er bereits von früher, denn er spielte mit ihm zusammen bei Morrison Gulf, der Band des späteren Scorpion-Gitarristen Uli Jon Roth. Rosenthal kam auf Vermittlung Matziols zur Band: „Er sieht aus wie ein Indianer, aber er spielt gut Schlachzeug. Und dann kam er auch und sah wirklich aus wie Winnetous Bruder aber er spielte hervorragend und machte genau das was wir wollten.“ Rosenthal ist ein sehr sympathischer Mann, der nicht nur ausgezeichnet Schlagzeug spielt, sondern auch eine samtene Bariton-Stimme besitzt.

Die Suche nach einem geeigneten Proberaum führte die Band  zu einem verlassenen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Jürgen Rosenthal: „Ocean ist entstanden in einem stinkigen, verrottetem Bunker.“

Frank Bornemann erinnert sich:

„Es herrschte eine Atmosphäre, die wir alle nicht sonderlich geschätzt haben: Düster, dicke Wände und muffige Luft. Aber es gab keine Alternative. Nachdem wir durch geschickte Beleuchtung den Raum etwas freundlicher gestaltet hatten, fingen wir an, unsere ersten musikalischen Impressionen auszuleben. Die Musik, die dabei entstand, unterschied sich von Dawn insofern, dass sie rhythmisch ziemlich heavy und insgesamt kräftiger wurde. Detlev hat sich auf Ocean wirklich profilieren können. Er ist zwar kein Virtuose und klassisch ausgebildeter Pianist, aber dafür konnte Detlev die Stimmung erzeugen, die Ocean letztlich so geprägt hat. Das hat er hervorragend hingekriegt.“

Gemeint ist natürlich Detlev Schmidtchen, der Keyboarder. Proben und Komponieren im Bunker wurden leider häufig durch geschäftliche Verpflichtungen unterbrochen, was den Entstehungsprozess behinderte. Irgendwann ging es dann aber endlich ins Studio zum Aufnehmen, ohne dass alle nötigen Vorbereitungen abgeschlossen waren. Der Bunker ist auch zur Thematik des Bandnamens passend, werden Wells` Eloi in seinem Roman ja in der unterirdischen Welt … Edgar Broughtons, bzw. der Morlocken ihrer profanen und kulinarischen Bestimmung zugeführt. Brr!

Die Musik entstand kooperativ, alle Bandmitglieder waren am Songwriting beteiligt. Für die Texte jedoch zeichnete Jürgen Rosenthal alleine verantwortlich, der auch bereits die Lyrics für das vorangegangene Album geschrieben hatte. Lt. Rosenthal ging die Band ohne fertige Texte ins Studio, was eher ungewöhnlich war und für den Drummer eine zusätzliche Belastung darstellte. So hatte er die Aufgabe, die Drums einzuspielen, und nebenbei noch die Texte zu verfassen.

Das Thema Atlantis hatte Rosenthal seit seiner Kindheit schon fasziniert, und mit Ocean wollte er einige Parallelen des Untergangs zur heutigen Zeit aufzeigen. Der Ursprung allen Lebens lag im Meer, und Atlantis ist in seiner Blütezeit den umgekehrten Weg dorthin zurückgegangen. Rosenthal hüllte sich seinen Mitmusikern beharrlich in Schweige, so dass sie buchstäblich erst in letzter Minute erfuhren, woran Rosenthal arbeitete und um was es textlich gehen sollte. Im Studio herrschte dadurch enormer Zeitdruck: kaum waren die teilweise sehr komplexen Texte fertig, musste Bornemann sie auch schon singen.

Ringo´s PlattenkisteDie Aufnahmen fanden von September bis Oktober 1977 im Kölner Soundstudio N unter der Regie von Georgi Nedeltschev statt. Das „N“ stand auch für Nedeltschev. Dieser steuerte übrigens einige Ideen und Inspirationen für verschiedene Soundeffekte bei. Er sollte auch künftig für Eloy arbeiten, aber auch für andere Bands wie etwa die Kelly Family. Das Studio N war ein gefragter Aufnahmeort. Bekannte Interpreten wie z.B. Triumvirat, Amanda Lear, Drafi Deutscher, Karel Gott, Wolf Maahn, Klaus Lage und viele andere nahmen dort ihre Platten auf. Das Studio N existierte noch bis ins Jahr 2016.

Die Texte wurden wieder wie üblich von Bornemann vorgetragen. Im zweiten und dem letzten Track waren aber auch Rosenthal und Schmidtchen als Sprecher zu hören.

Ringo´s PlattenkisteDas fertige Album erschien 1977 in einer opulenten Gatefold-Aufmachung.

Das Cover zierte ein surrealistisches Fantasy-Gemälde des polnischen Künstlers Wojtek Siudmak. Das Bild hatten Rosenthal und Bassist Matziol in einem Bildband entdeckt und als Cover vorgeschlagen. Siudmak hatte sich zuvor bereits einen Namen als SF-Illustrator gemacht. Unter anderem gestaltete er die Titelbilder der Polnischen Dune-Ausgaben.

Irgendwann im Jahre 1978 (es muss ganz am Anfang des Jahres gewesen sein) trat Ocean auch in das Leben des damals noch sehr jungen Ringo. Alleine das Cover faszinierte ihn und ließ ihn nicht mehr los. Konnte eine Platte mit einem solchen Cover schlecht sein? Eher nicht.

Konnte eine Platte mit nur vier Songs drauf schlecht sein? Nein, garantiert nicht.

Hier die Tracklist des Original-Albums:
Seite 1:
1. Poseidon’s Creation               
2.     Incarnation Of Logos         

Seite 2:
3.     Decay Of Logos     
4.     Atlantis' Agony At June 5th 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime

Young Ringo schlich mit seinem spärlichen Taschengeld (der zusammengesparten Täglichen Mark, wir erinnern uns) ums örtliche Plattengeschäft, in deren Auslage das Album lag, um es irgendwann – was letztlich unausweichlich war – zu kaufen.

Eloy kannten wir bis dahin nicht (ebenso die Edgar Broughton Band), im Gegensatz zu Uriah Heep, Genesis, Jethro Tull, ELP und natürlich Pink Floyd.

Und was für eine Offenbarung war es damals, als sich Ocean endlich auf dem Weissen Wilson drehte. Da hat es dann Klick gemacht. Eloy war gut, Ocean war gut!

Hören wir uns aber die Tracks – wie üblich  - ein wenig genauer an.

Poseidon’s Creation eröffnet das Album instrumental mit einer Akkordfolge auf der Gitarre, begleitet von Synthesizer und Drums.

Der Song geht nach diesem kurzen Intro in einen treibenden Rocksong über, der von Bornemanns Gitarrenriff dominiert wird. Begleitet wird das alles von Detlev Schmidtchens schwebenden und sphärischen Keyboardsounds, die zwischendurch immer wieder die Gitarre ablösen. Ein klein wenig erinnert das alles an Pink Floyd, ohne diese aber zu kopieren. Nach knapp der Hälfte des Tracks beginnt dann der Vokalteil, gesungen von Frank Bornemann. Ein wenig pathetisch, leicht melancholisch singt er von Atlantis und dem Gott Poseidon. Spätestens ab hier beginnt man genau zuzuhören, und denkt sich: „Hey, was für ein geniales Stück Musik läuft den hier?“. Nach Bornemanns Gesang folgt ein weiterer Instrumentalteil der dezent an Genesis` The Lamb lies down on Broadway erinnert. Der Song ist rhythmisch und druckvoll. Rockig einerseits, und melancholisch-düster andererseits. Der Text handelt vom Gott Poseidon und seiner Schöpfung, der Insel Atlantis. Rosenthal hält sich weitgehend an Platos Text und beschreibt die Entstehung der Insel, die zunächst nur eine Art Berg im Ozean war, als der Meeresgott Poseidon die verwaiste Kleito fand und sich in sie verliebte. Poseidon und Kleito vermählten sich, woraufhin ihm das Mädchen 5 Zwillingspaare gebar, und der Meeresgott aus Dankbarkeit den Berg zu einer Art Insel umformte. Einer der geborenen hieß Atlas, der auch zum Namensgeber der sagenhaften Insel wurde.

Poseidon`s Creation ist ein genialer Opener und wurde zum festen Bestandteil der Live-Konzerte der Band. Interessanterweise fand der Song auch Verwendung im 1980er Tatort „Schußfahrt“ mit Hans-Jörg Felmy. Episoden der Reihe mit Felmy als Kommissar Haferkamp taten sich häufig durch Verwendung progressiver Musikstücke hervor. Unter anderem wurden Auszüge aus Songs von Pink Floyd, Deep Purple und The Alan Parsons Project verwendet.

Incarnation Of Logos     beginnt langsam, melancholisch und getragen. Bornemanns wehmütiger Gesang wechselt sich mit gesprochenen Passagen ab. Der erste Teil des Songs ist hauptsächlich vom Synthesizer begleitet. Ab ca. der Hälfte beginnt dann ein ausgedehnter und sehr rhythmischer Instrumentalteil, in dem Matziols Bass sehr gut zur Geltung kommt. Gegen Ende kehrt Bornemann ans Mikro zurück und trägt Rosenthals komplizierte Texte vor, was vermutlich nicht sehr einfach war, wie man bei genauerem Hören feststellen kann. Die Insel Atlantis hat ihren Zenit erreicht, ebenso haben die Menschen die restlichen Kontinente der Erde besiedelt. Bornemann singt routiniert, aber dennoch sehr konzentriert, was den Eindruck erweckt, dass die komplexen Lyrics abgelesen wirken. Dies ist auch der große Schwachpunkt des Albums: die Texte sind teilweise einfach zu überladen und schwülstig. „Es war für Frank schwierig mit meinen teils halsbrecherischen Sätzen“, gibt Rosenthal selbst zu.

Bornemann erinnert sich: „Und ich stand manches mal vorm Mikrophon und dachte mir mein Gott, wie soll ich das alles in diesen einen Satz hineinquetschen.

Seite 1 endet mit diesem Song.

Bis jetzt war die Platte schon mal ausgezeichnet. Mal sehen, was die zweite Seite verspricht.

Decay Of Logos eröffnet mit dezent an Pink Floyd und auch Alan Parsons erinnernden Synthesizer-Klängen. Irgendwann setzt Bornemann dann ein und singt vom Verfall des Götterglaubens, als auch der Vernunft (Logos) der Menschen auf der todgeweihten Insel. Der Zenit der Zivilisation ist erreicht und wurde weit überschritten. Vernunft und Humanität sind Machthunger und Gier gewichen. Nichts kann die Insel mehr retten. Verfall und Dekadenz dominieren. Decay of Logos ist ähnlich wie Poseidons Creation ein eingängiger und mitreissender Prog-Rocksong, der leider viel zu schnell aus ist. Vor allem, weil man weiß, dass Atlantis`Tage gezählt sind. Die Götter sind enttäuscht und beraten sich.

Am Juni 5th 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime beschlossen die unerbittlichen Götter dann auch das endgültige Ende, wie uns der Sprecher aus dem Off zu Beginn des Finales versichert. Hier zücken Eloy alle Register des damaligen Prog-Repertoires. Angefangen vom unheilverkündenden Sprecher (Jürgen Rosenthal, über hallende Gongs, kaum greifbare und elektrisierende, knisternde Synthesizerfetzen und einer unheilschwangeren Orgel. Man fiebert förmlich mit den Atlantern mit, deren Ende unausweichlich ist. Beschlossen von Jürgen Rosenthal und den grausamen Göttern Eloys. Die Morlocken waren unschuldig. Ebenso Edgar Broughton, der sich 1977 eine Auszeit nahm, um sich die Haare weiter wachsen zu lassen. Inzwischen sind sie weiß, und Atlantis ist untergegangen.

Ein Gewitter zieht herauf, begleitet durch die ozonhaltige Atmosphäre und synthetischem Blitz-und –Donner-Gewabere aus Schmidtchens Zauberkiste. In der Mitte des Songs kulminiert alles zu einem musikalischen Gebräu, das abermals vage an Alan Parsons erinnert. Bornemann setzt ein und besingt die letzten Momente der im Todeskampf liegenden Insel und ihrer Bewohner. Das Unheil stampft weiter, unerbittlich. Der Kreislauf schließt sich. „We are born and lost in the Ocean“, wie Bornemann singt. Sind wir tatsächlich. Ohne Vernunft sind wir dem Tode geweiht. „Die Vernunft ist das erste Opfer jeder Gefühlswallung“, wie Frank Herbert in Der Herr des Wüstenplaneten schreibt.

Genauso dramatisch, wie das Album begonnen hat, endet es dann auch. Fast ein wenig prätentiös. Viel zu früh, möchte ich hinzufügen. Die Platte ist aus, und man kann sie ruhig noch einmal von vorne hören…

Ocean erschien zur richtigen Zeit, da es dem damals herrschenden Zeitgeist mehr als entsprach, bzw. schon vieles vom Kommenden vorweg nahm. Die Musik war modern, die Texte kryptisch-kritisch. Unweigerlich wurde seich der aufmerksame Hörer der parallelen zur heutigen Zeit bewusst. Verlust der Vernunft und Abkehr vom Götterglauben (synonym für Naturzerstörung und Umweltverschmutzung) führen zum Untergang.

Ocean bedeutete für Eloy den endgültigen Durchbruch, es verkaufte sich doch noch besser als das Vorgängeralbum Dawn und führte die Charts noch vor britischen Prog-Kollegen wie Genesis oder Pink Floyd an. Nur bei den Kritikern waren Eloy und das Album nicht besonders beliebt, scheinbar sogar verhasst. Was verwundert und nicht nachvollziehbar erscheint. Frank Bornemanns sehr akzentuierter Gesang, der gerne mal das englische „th“ wie ein gezischtes „Ssss“ aussprach, war sicherlich nicht jedermanns Sache, verlieh den Aufnahmen aber auch einen ganz eigenen, teutonischen Krautrock-Charme. Natürlich gibt es auch musikalische Parallelen, bzw. dezente Anleihen bei den im Artikel genannten Bands. Eloy waren aber zu jeder Zeit völlig eigenständig und kopierten nicht einfach völlig unkreativ. Sie bedienten sich bei vorhandenem, erschufen dabei aber so ganz nebenbei etwas völlig eigenständiges. Eloy klangen manchmal ein wenig wie Genesis oder Pink Floyd, sie klangen aber zu jeder Zeit immer wie Eloy. Unverkennbar.

Ein Jahr später erschien das Doppel-Album „Live“, das, wie sollte es auch anders sein, Livemitschnitte beinhaltete. Ocean war fast komplett darauf enthalten, lediglich Decay of Logos fehlt. Eloy blieben bis 1979 in der Ocean-Besetzung zusammen. Rosenthal und Schmidtchen verabschiedeten dann sich und gingen eigene Wege. 1984 schließlich war die Band am Ende, und Eloy lösten sich auf. Allerdings erstanden sie 4 Jahre später wieder auf.

1998 erschien mit Ocean II eine Art Fortsetzung, das aber kaum noch an das Original erinnert. Es sollte für 11 Jahre das letzte Album der Band sein, bevor Bornemann Eloy 2009 aber wieder reaktivierte.

Ringo´s PlattenkisteWas machen die Musiker heute?
Frank Bornemann führt die Band immer noch an und veröffentlicht mit Eloy regelmäßig neue Alben. 1979 gründete er das Tonstudio „Horus Sound Studio“, das er inzwischen aber in neue Hände legte. Außerdem gründete er das Label „Artist Station“ und verhalf vielen aufstrebenden Musikern und Bands auf die Sprünge, unter anderem den Guano Apes.

Klaus-Peter Matziol ist ebenfalls noch mit dabei und arbeitet hauptberuflich bei einer großen deutschen Konzertagentur in der Geschäftsleitung

Jürgen Rosenthal stieg 1979 aus und gründete mit Detlev Schmidtchen die Band Ego on the Rocks, die nur eine Platte herausbrachten, die allerdings floppte. Schade, denn das Album stellt eine gelungene Mischung aus Krautrock und New Wave dar.

Detlev Schmidtchen arbeitete nach Eloy und Ego on the Rocks solo weiter.

PS: Was aus Edgar Broughton wurde, kann man im entsprechenden Artikel nachlesen.

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Kommentare  

#1 Toni 2021-01-12 16:52
SON OF GOD...Son of God and DAUGHTER OF EARTH...Daughter of Earth... war damals so eine Art Schlachtruf unter Prog-Freunden in der Clique. Der Rest konnte damit nichts anfangen. Pech...

Die Jungs hatten/haben schon einen sehr speziellen Sound, der ohne Gesang m.M. nach eher in Richtung Hawkwind`s Space-Rock geht... oder andersrum. Zumindest sind sie sich eine Zeit lang sehr treu geblieben und haben in den 70ern gleichbleibende Qualität geliefert. Bei mir laufen sie heute noch.

In den Neunzigern habe ich sie in Bochum (rockpalast) auf der Bühne gesehen-mit weiblicher Verstärkung. Müsste Chronicles I oder II gewesen sein. Da haben sie dann die Goldene für "OCEAN" bekommen.

Wie immer ein klasse Artikel.
Für die Mülltonne wollte jemand auf der Plattenbörse (Gruga) über 400 Euro haben... Wahnsinn
#2 Cartwing 2021-01-12 18:37
Nach diesem wieder sehr interessanten Artikel höre ich es gerade zum zweiten Mal.

Kann schon mehr damit anfangen, als damals, was vielleicht daran liegt, dass ich inzwischen auch mehr Floyd höre, nur mit dem Gesang werde ich nach wie vor nicht warm...

Zitat:
„Er sieht aus wie ein Indianer, aber er spielt gut Schlachzeug.
warum auch nicht? War ja bei Nigel Olsson auch so.
;-)
#3 Ringo Hienstorfer 2021-01-12 20:31
Ja, das hat der Bornemann tatsächlich genau so im Interview gesagt. Ich habe mich auch gefragt, was das eine mit dem anderen zu tun haben soll. Noch ein schlachzeugspielender Indianer war Jimmy Carl Black:" Hi, Boys and Girls. My Name is Jimmy Carl Black and i`m the Indian of the Group."
#4 Cartwing 2021-01-12 21:09
Die haben den Rhythmus im Blut... ;-)
#5 Ringo Hienstorfer 2021-01-13 11:48
Der Drummer der Band, bei der es nächstes mal geht, ist auch ein richtiges Original. Bevor er Musiker wurde, betrieb er einen Schnapsladen und hatte eine Kette von Eiscremewägen.
#6 Cartwing 2021-01-13 18:37
Ich mag deine kleinen, kryptischen Vorschauen... ;-)
Letztes Mal lag ich schon daneben, diesmal habe ich gar keinen Schimmer...
#7 Ringo Hienstorfer 2021-01-14 10:29
Jetzt hast Du mich aber neugierig gemacht. Auf was hast Du bei meinem "Atlantis-Hinweis" getippt?
#8 Cartwing 2021-01-14 15:32
Auf das Album "Atlantis" von Atlantis... :lol:
#9 Ringo Hienstorfer 2021-01-14 16:07
Da hätte ich eigentlich selbst drauf kommen können, aber dafür bin ich wohl tatsächlich zu kryptisch! :-* Aber immerhin: Du hast mir da auf eine sehr interessante Band in Gedächtnis zurück gebracht. BTW: Der Drummer der Band, um die es nächstes mal geht, feiert dieses Jahr seinen 83 Geburtstag.
#10 Cartwing 2021-01-14 17:36
das könnte man rauskriegen, aber ich lass mich überraschen.

Hörst du eigentlich auch neuere Sachen?
Die letzten beiden "Wobbler" Alben fand ich z.B. ziemlich genial. Haben bei progarchieves.com ziemlich respektable Plätze unter den großen Namen eingenommen.
#11 Ringo Hienstorfer 2021-01-14 18:48
Neuere Sachen höre ich auch. "Haken" find ich toll, genauso wie "Riverside" oder "Coheed & Cambria". Mein Bruder versorgt mich ab und an mit eher unbekannten Sachen wie z.B. "Goatess" oder "Amon Acid". Besonders hörenswert finde ich auch die deutsche Band "My sleeping Karma".
#12 Cartwing 2021-01-14 18:58
Riverside und Haken sind mir auch ein Begriff.
Es gibt ja so viele neue Sachen, da verliert man schnell den Überblick.

Aber in die Rubrik "Plattenkiste" passen ja eher die alten Schätze, und da hoffe ich mal, ist noch lange nicht der Boden der Kiste in Sicht... ;-)
#13 Ringo Hienstorfer 2021-01-15 10:36
Inkl. der Einleitung sind schon 38 Artikel erschienen, die nächsten 3 stehen in den Startlöchern. Meine Vorplanung umfasst - vorerst - weitere 40. :lol:
Und Du hast recht: mein Fokus liegt auf den alten Schätzen.

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