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Ringo´s Plattenkiste - Black Sabbath - Never say die

Ringo´s Plattenkiste Black Sabbath - Never say die

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

Ringo´s PlattenkisteHeute geht es um Musik zum Fürchten. Keine Angst, ich schreibe nicht über Helene Fischer, Hip-Hop oder gar die blasphemischen Ursprung-Buam (Iä!). Nein, vielmehr geht es heute um eine Band, die auszog, das Fürchten zu lehren, damit zum Initiator und Wegbereiter für ein ganzes Genre wurde, bis in die heutige Zeit gar ikonisch verehrt wird und unzählige Nachahmer und Epigonen fand. Die Rede ist nicht von den Beatles (kennt die denn überhaupt jemand?), sondern von einer Band, deren Namen ebenfalls mit einem großen „B“ beginnt. Ein kleiner Tipp: Die „Bee-Gees“ sind es nicht, die „Blues-Brothers“ auch nicht. Und schon gar nicht die „Bay City Rollers“. „Baccara“ ist übrigens ganz daneben.

Ringo´s PlattenkisteBevor wir nun munter weiterraten, werfen wir lieber einen verklärten Blick weit, weit zurück in die legendären Sechziger und verkneifen uns dabei wehmütig eine Träne. Obwohl das hartgesottene Burschen in nietenbesetzten Lederjacken und langhaarige Teufelsanbeter nicht tun würden. Oder täten. Oder auch täten würden. Egal. Die Wurzeln der Band liegen in den Sechzigern. Der Gitarrist Terence Michael Joseph Butler, genannt Geezer gründete seine erste Band mit dem Namen „Rare Breed“, bei der kurz später ein rauher und ungestümer Bursche mit dem Namen John Michael Osbourne, genannt Ozzy, als Sänger einstieg. Butler stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs als eins von sieben Kindern auf. Zu seinem Spitznamen kam er durch seinen Bruder, der Militärdienst leistete. Wenn er auf Besuch zu Hause war, nannte er den kleinen Terry immer Geezer, was wörtlich übersetzt Geier bedeutet. In diesem Fall aber ist es ein Ausdruck, den die Cockneys gerne benutzen, um jemanden anzusprechen. In den USA wäre eine Entsprechung „Dude“, bei uns „Alter“. Terrys Bruder hatte das auf einer Militärbase aufgeschnappt, und bedachte nun seinen Bruder damit.

Ringo´s PlattenkisteOzzy kam aus ähnlichen Verhältnissen, die 6 Kinder lebten mit ihren Eltern in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Osbourne wurde schon seit Kindestagen „Ozzy“ genannt, vermutlich als Diminutiv seines Nachnamens. Seine Kindheit war sehr bewegt, denn der an Dyslexie leidende Knabe wurde im zarten Alter von 11 Jahren in der Schule das Opfer eines sexuellen Missbrauchs, was ihn schwer aus der Bahn warf. Nicht nur, dass er mehrere Selbstmordversuche unternahm, schmiss er mit 15 dann die Schule, um sich mit diversen Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Unter anderem arbeitete er auf dem Bau, als Schlachthofarbeiter und Bestattungsgehilfe. Seinen Tiefpunkt erreichte er, als er nach einem Einbruch ins Gefängnis musste, da sein Vater sich weigerte, die Kaution zu bezahlen. Quasi als Lektion.

Nun, der „Seltenen Sorte“ war wenig Erfolg beschieden, denn sie lösten sich nach nur 3 Auftritten wieder auf. Butler und Osbourne gründeten aber eine neue Band, Polka Tulk Blues, der sich bald der Gitarrist Tony Iommi und der Schlagzeuger Bill Ward anschlossen, nachdem sich deren bisherige Band „Mythology“ aufgelöst hatte. Iommi und Osbourne kannten sich schon aus der Schulzeit und wollte ursprünglich Schlagzeug lernen, was er aber zugunsten der Gitarre aufgab. Iommi ist Linkshänder, was die Angelegenheit etwas erschwerte. Umso mehr traf ihn aber ein Unfall in einem Metallwerk, den er als 17-jähriger erlitt, und bei dem er die Fingerkuppen von Zeige- und Ringfinger der rechten Hand verlor. Da die rechte Hand bei einem Linkshänder aber die Greifhand ist, bedeutete es eigentlich das Aus für sein Spiel, was ihn zutiefst erschütterte.

Ringo´s PlattenkisteErst als er von Django Reinhardt hörte, dem ebenfalls Fingerglieder abhandengekommen waren, und der dennoch zu einem berühmten Jazzgitarristen wurde, bekam Tony wieder einen Auftrieb. Er entschied sich, weiterhin linkshändig zu spielen und bastelte sich einen Notbehelf, indem er sich eine Art Prothese bastelte. Mit einem Lötkolben bearbeitet er abgeschnittene Flaschenhälse, die er mit Leder ummantelte, um seine Stümpfe einerseits zu schützen, andererseits um mit diesen Prothesen wieder zu greifen. Das funktionierte zwar leidlich gut, warf aber zwei grundlegende weitere Probleme auf. Erstens spürte er mit diesen Prothesen die Saiten nicht mehr, was dazu führte, dass er die Saiten zu fest drückte. Zweitens konnte er mit diesen starren Fingerkuppen die Saiten nicht mehr zu ziehen, wie es in der Rockmusik üblich ist. Iommi versuchte dies auszugleichen, indem er auf dünnere Saiten umstieg, die leichter zu ziehen waren. Dummerweise gab es solche Saiten zur damaligen Zeit noch nicht, deshalb griff Tony einfach zu Banjosaiten! Später ging er dazu über, die Saiten herunterzustimmen, was das Greifen und Ziehen wesentlich erleichterte. Alles zusammen legte also den Grundstein zum typischen Iommi-Sound.

Ringo´s PlattenkisteWard spielte Schlagzeug schon seit seiner Kindheit und war ein großer Fan von Big Band-Drummern wie z.B. Gene Krupa und Buddy Rich. Bei „Mythology“ lernte er Iommi kennen. Bei Polka spielten noch zwei weitere Musiker mit: der Slide-Gitarrist Jimmy Phillips, den Osbourne aus der Schule kannte sowie der Saxophonist Alan Clarke. Beide waren aber nicht lange in der band, das als Quartett unter dem Namen „Earth“ weitermachte. Butler war inzwischen zum Bass gewechselt, da Iommi keinen zweiten Gitarristen neben sich duldete. Iommi stieg Ende 1968 überraschend für kurze Zeit aus, um den frei gewordenen Posten des Gitarristen bei einer aufstrebenden Bluesrock-Band namens Jethro Tull zu werden. Iommi kam aber mit Mastermind Ian Anderson nicht zurecht, was wohl darin liegt, dass beide Alphatiere waren und Iommi keinen Boss haben wollte.

Ringo´s Plattenkiste1969 wurde der Bandname ein weiteres Mal geändert, da es häufig Verwechslungen mit einer weiteren Gruppe namens „Earth“ gab. Inspiriert von einem B-Movie mit dem alternden Boris Karloff in der Hauptrolle, kam ihnen die Idee zu einem Song mit dem Titel „Black Sabbath“. Der Song war in seiner Grundstimmung düster und böse und hob sich so von der damals angesagten Hippie-Fröhlichkeit ab. Man beschloss, auf diese Art weiterzumachen, um ein musikalisches Gegenstück zum Horrorfilm darzustellen. Der Name des Songs wurde auch als neuer Bandname gewählt: Black Sabbath. Der Sound war neuartig und anders, als bisher gehörtes. Generell lag das in den herunter gestimmten Instrumenten, zum Großteil aber an Iommis prägnanten Riffs. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal war in Iommis Abneigung gegenüber einem weiteren Gitarristen begründet: der Sound war dadurch ungewöhnlich stark basslastig, da Geezer nicht ausschließlich Rhythmusarbeit leistete, sondern sich mit seinem Instrument durchaus auch in den Vordergrund spielte.

Das neue Konzept schien aufzugehen, denn bereits ein Jahr später hatten die vier Jungs einen Plattenvertrag in der Tasche und veröffentlichten ihre erste Single: Evil Woman, eine Coverversion der US-amerikanischen Band „Crow“. Richtig bekannt wurden sie dann durch John Peels (den kennen wir ja schon“ Airplay einiger Songs. Obwohl „Evil Woman“ es nicht in die Charts schaffte, bekamen sie die Chance, ein Album aufzunehmen. Ganze 2 Tage standen ihnen dafür zur Verfügung, von denen einer für das Abmischen draufgehen sollte. Die Songs des Albums entstanden quasi live im Studio und mussten schon beim ersten Take sitzen.

Ringo´s PlattenkisteSowohl das Album selbst, aber auch die Covergestaltung ist heute legendär. Das düstere Bild zeigt eine schwarz gekleidete junge Dame vor einem unheimlichen Gebäude. Als Standort wurde eine Wassermühle aus dem 15. Jahrhundert, die Mapledurham Watermill in Oxfordshire, ca. 80 Autominuten von London entfernt gewählt. Die junge Dame ist die damals 18-jährige Louisa Livingstone. Um den gewünschten düsteren und traumähnlichen Eindruck zu vermitteln, entstanden die Aufnahmen in den frühen Morgenstunden mit einem speziellen Infrarotfilm, der üblicherweise für Luftaufnahmen verwendet wird.

Obwohl von den Kritikern geschmäht, verkaufte sich die Platte außerordentlich gut, sodass die Band bereits vier Monate nach dem Erstling erneut ins Studio musste, um ein zweites Album aufzunehmen: Paranoid, das ursprünglich War Pigs heißen sollte und den Vietnamkrieg kritisierte. Auf Druck der Plattenfirma wurde der Titel dann geändert. Der Sound von „paranoid“ war ausgereifter, da inzwischen mehr Studiozeit zur Verfügung stand. Mit den beiden ersten Alben schuf die Band zeitlose Klassiker wie „Iron Man“, „N.I.B“ oder eben „Paranoid“. Paranoid war äußerst erfolgreich, alleine in den USA verkaufte es sich über 4 Millionen Mal, und das ohne Airplay. Die Band und ihr neuartiger, düsterer Spund kamen an, und Black Sabbath ging auf ausgedehnte US-Tour. Schon bald erregte Osbourne durch seine publikumswirksamen Darbietungen die Beinamen „Madman of Rock“ und „Prince of Darkness“. Osbourne gab auf der Bühne sein letztes, blieb keine Sekunde lang stillstehen, sprang durch die Luft, hetzte wie ein geisteskranker von einem Ende der Bühne zum andere, spielte Luftgitarre und vieles mehr. Gelegentlich baute er auch okkulte Elemente in seine Show ein, doch blieben diese eher die Ausnahme. Mit zunehmendem Erfolg kamen aber auch die Schattenseiten des Rockstar-Lebens: Exzesse, Ausschweifungen und auch Drogen. Jede Menge davon. Besonders anfällig dafür war Osbourne, der sich noch mehr als die anderen darin verstrickte. Häufig wurde Bill Ward Opfer lustiger Streiche Osbournes und Iommis, die sich gerne einen Jux daraus machten, seinen Bart anzuzünden. Ein weiteres Mal besprühten sie den im Alkoholkoma liegenden Ward mit goldener Farbe, was zu einem lebensbedrohlichen Zustand führet, sodass Ward notfallmäßig ins nächste Krankenhaus gebracht werden musste: die Goldfarbe hatte alle Poren seines Körpers verstopft!

Mit dem dritten Album kamen dann zumindest musikalisch neue Töne ins Spiel. Black Sabbath schlugen zwischendurch leisere, akustische Klänge an. Iommi war gar an Querflöte und Piano zu hören ("Solitude") und spielte Akustikgitarre auf dem Track „Orchid“. Nach einer weiteren ausgedehnten Tour nahmen sich die Musiker eine kleine Auszeit. Jeder war ausgelaugt und am Ende seiner Kräfte. Das Experimentieren mit neuen Klängen wurde auf Vol 4 weitergeführt, auf dem Iommi und Butler Mellotron spielten.

Nach dem 1976er Album „Technical ecstasy“ verließ Galionsfigur und Frontmann Osborne die Band, um sich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern. Da Alphatier Iommi nicht aufgeben wollte, sah er sich nach einem neuen Sänger (Ersatzmann wäre auch unpassend gewesen), den er in Dave Walker auch bald fand. Walker war ein exzellenter Sänger, der zuvor bei Savoy Brown sowie für ein Album bei Fleetwood Mac gewesen war. Ein Blueser reinsten Wassers, stimmgewaltig und emotional in seiner Darbietung. Leider aber ein wenig zu oldschool und zu bärtig. Langhaarig war er auch, aber das passte ja zum Image der Band, die ja selbst nicht dem Zeitgeist entsprach. Neue Titel entstanden, von denen nur einer erhalten geblieben ist: „Juniors Eyes“, den die Band im britischen Äquivalent zur deutschen, Ilja-Richter-verseuchten „Disco“ präsentierte. Aber Walker war wenig Erfolg beschieden, denn urplötzlich erhob Osbourne sein Haupt aus dem Tartarus und verkündete seinen Willen, erneut DIE Stimme Black Sabbaths zu sein.

Ringo´s PlattenkisteWalker war zwar ein äußerst versierter Sänger, konnte einem Ozzie aber in Punkto Bühnenpräsenz nicht das Wasser reichen. Wer sich alte Live-Mitschnitte der band ansieht, weiß, was ich meine. Osbourne war neben Iommi die zweite, absolut ebenbürtige Tragsäule der Band. Osbourne schien nie still zu stehen, sprang auf der Bühne herum wie ein Besessener, fuchtelte mit den Armen, schnitt Grimassen, animierte das Publikum unablässig und lockte es wild gestikulierend aus seiner lethargischen Trance. Walker hingegen stand wie ein hüftschwingender Chuck Norris am Mikro, das er stets wie hilfesuchend umklammerte und verließ sich auf seine exzellente Stimme und seinen gepflegten, nach Rosenöl duftenden Bart. Walker war aber nichtsdestotrotz ein ausgeprägter Poser, wie die im Netz zuhauf präsenten Photos belegen. „Sitzt meine Frisur“, scheint er stets in die Kamera zu fragen, und: “Ist mein Bart nicht sexy, duftet er nicht verlangend nach Rosenöl?“. Zugegeben, so eine Mähne und solch ein Bart verlangen nach einer Menge Pflege, doch ein Osbourne, ein echter Osbourne, hat solcherlei oberflächliches Proto-GNTM-Behaviour nicht nötig. Der ist einfach er selbst, zumindest das, was nach seinen exzessiver Alkohol-und Drogeneskapaden von ihm übriggeblieben ist: „Ich bin Ozzy, und Ozzy ist ich. Und Ozzy schuf die Dunkelheit und sah, dass sie gut war. Und am sechsten Tag schuf er Black Sabbath und verdammte die Ungläubigen und vom ehrwürdigen Glauben abgefallenen in die tiefsten Schlünde des rosenölgeschwängerten Tartarus, auf dass sie ewiglich ihre apokalyptischen Bärte salben und diesen huldigen möchten. So sei es.“

Und fürwahr, der totgesagte Osbourne kehrte zurück, vertrieb den medusenbärtigen Walker von seinem unrechtmäßigen Platze und forderte sein recht ein: Auf, dass es nur einen Frontmann von Black Sabbath geben mochte! Ozzy war zurück, Black Sabbath war wieder komplett. Da Osbourne nun kein Beta war, forderte er sogleich naserümpfend sein Recht ein: Die Titel, die man mit diesem … Walker geschrieben hatte, die wollte er auf gar keinen Fall singen. Und so war es dann auch.

Alles von und mit Walker wurde über Bord geworfen, da sich Iommi und seine Begleiter nur zu sehr darüber im Klaren waren, dass Black Sabbath nur Black Sabbath war, wenn auch Madman Osbourne mit dabei war. Egal, wie gut Walker auch aussah oder sang, Black Sabbath war ohne Ozzy nur die halbe Miete. Osbourne weigerte sich auch, Material zu singen, das aus der Zeit mit Walker stammte. Lediglich „Juniors eyes“ bildete eine Ausnahme. Black Sabbath war wieder in Original-Besetzung da. Was allerdings nicht ohne Probleme der Fall war. Warum?

Nun, die Band hatte in den nahezu zehn Jahren ihres Bestehens so allerlei durchgemacht, was nicht zuletzt im massiven Alkohol- und Drogenkonsum ihren Ausdruck fand. Nur kurze Zeit bevor sich die Band wieder ins Studio begab, um händeringend auf Druck ihrer Plattenfirma ein neues Studio-Album aufzunehmen, war Osbourne wieder dazu gestoßen. Stoned und alkoholisiert traf er also im kanadischen Sounds Interchange in Toronto ein und kannte sich erstmals nicht so recht aus. Da aber nicht nur Osbourne dem Alkohol und den Drogen aller Art nicht abgeneigt war, beschloss die Band, Tagsüber zu kiffen, zu schlafen, zu fressen und zu saufen (euphemistisch als Songwriting deklariert) und nachts aufzunehmen. Ein Vorhaben, das nur teilweise gelang, denn nicht selten waren die Musiker einfach zu stoned, um überhaupt noch einen Ton zu treffen. Von Hippies und Psychedelikern erwartet man das ja, aber von Hard-Rock und Heavy-Metal-Musikern? Nunja, so war das eben damals.

Ringo´s PlattenkisteDie Aufnahmen fanden von Januar bis Mai 1978 statt, produziert wurde von Black Sabbath selbst. Die Tontechniker waren von: Dave Harris Dave Harris und Spock Wall. Im Sounds Interchange nahmen die vier Musiker bereits das vorangegangene Album Technical ecstasy auf, aber auch Größen wie Bachman-Turner Overdrive und Stratovarious waren dort schon zugange. Black Sabbath wären nicht Black Sabbath, wenn sie die Aufnahmen nicht unter genau den Umständen gemacht hätten, die ihnen als passend erschienen. Grundsätzlich begann die Arbeit erst am späten Nachmittag. Ganz nebenbei gestalteten sie die Aufnahmeräume aber auch gewaltig um. Ursprünglich waren die Böden mit dicken und schön anzuschauenden Teppichböden bedeckt, hatten aber den Nachteil, dass sie ungemein schallschluckend waren. Kurzerhand rissen die vier Musiker sie also einfach heraus, was natürlich nicht vollständig gelang. Überall verblieben Teppich – und Klebereste, was die Band aber nicht störte. Ob diese Aktion den Sound verbesserte, ist fraglich. Ozzie Osbourne setzte diesem aber noch eins drauf, indem er mit dickem schwarzem Marker auf jeder Wand seine mit Peniszeichnungen garnierte Signatur hinterließ. Nach Abschluss der Aufnahmen beschloss der Besitzer sich dazu, einen Parkettboden anstatt des bisherigen Teppichbelages zu verlegen.

Die Besetzung sah aus wie folgt:
Tony Iommi: Lead Guitar
Ozzy Osbourne: Lead Vocals
Geezer Butler: Bass Guitar
Bill Ward: Drums
Unterstützt wurden die Truppe von:
Wil Malone: Bläser-Arrangements
Don Airey: Keyboards
John Elstar: Harmonica

Mit Malone hatte die Band schon zuvor zusammengearbeitet, so war er bei den Alben „Sabbath, bloody Sabbath“ und Technical ecstasy“ als Arrangeur tätig.

Airey spielte in den Siebzigern zusammen mit Cozy Powell in dessen Band sowie kurze Zeit bei Colosseum II. Elstar ist ein eher unbeschriebenes Blatt, über den es wenig zu berichten gibt.

Hier die die Original-Tracklist:
Seite 1:
    01.  Never say die
    02.  Johnny Blade
    03.  Juniors Eyes
    04.  Hard Road
    05.  Shock wave

Seite 2:
    01.  Air Dance
    02.  Over to you
    03.  Break out
    04.  Swinging the Chain

Ringo´s PlattenkisteDas Album erschien am 28. September 1978 in einer einfachen Hülle, die eine unwirklich anmutende Impression einer Flugzeugbesatzung vor ihrem altertümlich anmutenden Vehikel zeigte. Drehte man die Platte um, zeigte sich das verblassende, scheinbar imaginäre Abbild einer geisterhaften Besatzung am unheilschwangeren Himmel.

Ringo´s PlattenkisteAls Gatefold hätte das Motiv vermutlich mehr Wirkung entfaltet, aber solcherlei war in den Endsiebzigern nicht mehr angesagt. Das war altmodisch, oldschool und nur den Boring old Farts vorbehalten, die sich weigerten, das zeitliche zu segnen. Das gezeigte Flugzeug ist übrigens eine North American T-6 Texan aus dem zweiten Weltkrieg.

Ringo´s PlattenkisteNicht nur das Format der LP, sondern auch die Farbgebung des Covers biederte sich dem damaligen Zeitgeist an. Eine s/w-Photographie, knallig koloriert suggerierte Punk- oder New-Wave-Ästhetik blickte den Käufer an. Solcherlei war damals angesagt, und die Plattenfirma wollte auf Nummer sicher gehen. Black Sabbath waren eine feste Größe im Musikbusiness, aber gleichzeitig standen sie auch für alles, was damals verpönt war: lange Haare, Bärte, handgemachte Musik, opulente Bühnenshows. Und ganz jung waren die vier Musiker mit knapp Dreißig ja auch nicht mehr. Immerhin aber hatten sie eine langjährige und treue Fanbase, die nicht minder alt, bärtig und langhaarig war. Zurück zum Cover. Das stammte von Hipgnosis, die wir ja bereits kennengelernt haben. Hipgnosis waren bekannt für ihre oftmals entrückten, manchmal surrealen Photographien, die gleich einem Rene Magritte zum Nachdenken animieren sollten, was allerdings meistens reiner Selbstzweck war. Die Covergestaltung stand stets für sich selbst und stand selten in direktem Bezug zum jeweiligen Album. So auch bei „Never say die“. Ozzy erinnert sich, dass vor dem Release zwei Konzepte zur Diskussion standen. Neben dem vorliegenden stand noch ein Photo zur Auswahl, das einen Patienten zeigte, der entsetzt von einem OP-Tisch aufblickt. Das Motiv fand 3 Jahre später in abgewandelter Form auf dem Rainbow-Album „Difficult to cure“ Verwendung. Die Platte selbst steckte in einer bedruckten hülle, die graphische Darstellungen eines Triebwerkes und der Atemmasken der Besatzung zeigten. S/W natürlich. Auf der Innenhülle waren auch die Tracklist und die Credits abgedruckt. Schlicht, s/w und zeitgemäß.

Sehen wir uns die einzelnen Songs ein wenig genauer an.

Ringo´s PlattenkisteNever say die ist ein gelungener Opener, mit dem man nichts falsch machen kann. Klarer, songorientierter Aufbau mit eingängigem Mitsing-Refrain und starken Riffs im typischen Iommi-Sound. Knackige 3 Minuten und 47 Sekunden lang und somit der zweitkürzeste Song des Albums. Osbournes Stimme klingt frisch wie ehedem, was aber zum Großteil moderner Studiotechnik zu verdanken ist. Der Text handelt davon, dass man niemals aufgeben sollte – never say die! Der Track wurde als Single ausgekoppelt, mit der Ballade She`s gone vom Vorgängeralbum als B-Side. Die Single war recht erfolgreich und bescherte der Band auch einen Live-Auftritt in der legendären TV-Show „top oft he Pops“.

Johnny Blade ist textlich ein brutaler Song über Johnny und seinem Leben in der Gosse. Die ganze Welt ist gegen ihn, und sein einziger Lebensinhalt ist das Töten mit seinem Messer… Passend zum Musikgeschmack der sich dem Ende neigenden Siebziger sind auch Arrangement und Instrumentierung: Synthesizer satt und kaum  abwechslungsreiches Drumming. Insgesamt aber dennoch Knackiger Synthie-Hard-Rock mit tollen Riffs.

Juniors Eyes ist ein Song aus der Zeit, als Osbourne die Band verlassen hatte. Scheinbar sagte ihm der Song inhaltlich zu, denn nach seiner Rückkehr schrieb er den Text für das Album um und verarbeitete darin seine Erfahrung mit dem Tod seines Vaters. Ein toller, leicht jazziger Song mit wunderbar harmonischem Zusammenspiel von Bass und Gitarre, ganz so wie es der Fan gewohnt war. Juniors Eyes ist leider der einzige Song aus der kurzen Zeit mit Walker, von dem noch Aufnahmen existieren. Musikalisch ist er fast identisch, aber Walkers Gesang verleiht dem Stück eine ganz andere Note. Seine Darbietung ist rockig, gleichzeitig auch souliger und inbrünstiger. Die Stimme Walkers ist im Gegensatz zu der Osbournes auch deutlich rauher und rauchiger.

Hard Road ist wieder ein einfacher und deshalb auch eingängiger Rocksong. 3 knackige Riffs plus eingängiger Refrain zum Mitgröhlen – was braucht das schwarze Rockerherz mehr?

Der nächste Song, Shock wave,  hat einen sehr kryptischen und schwer zugänglichen Text, der sich einem nüchternen Verstand nicht ohne weiteres erschließt und höchstwahrscheinlich unter starkem Drogeneinfluß entstand. Musikalisch ist es ein typischer Black-Sabbath-Song, der alle für einen eben typischen Black-Sabbath-Song in sich vereint: krachende und mitreißende Iommi-Riffs gepaart mit Ozzies wie gewohnt leicht nölender Stimme. In der Mitte gibt es dann noch ein grandioses Gitarrensolo, bevor es zum furiosen Finale geht. Hört man ganz genau hin, hört man auch dezente Akustikgitarren im Hintergrund. Aber nur, wenn man ganz genau hinhört. Ein eingängiger, moderner Klassiker der Band.

Und damit ist die Seite eins auch aus.

Seite zwei beginnt mit Air Dance, der von einer alternden Tänzerin handelt, die versonnen auf ihr bisheriges Leben zurückblickt. Und wieder überrascht die Band, denn dieser Song hat es in sich, denn er hat gar episches Ausmaß (hört, hört!). Air Dance ist lang, sehr abwechslungsreich in Punkto Arrangement, Instrumentierung und Komposition und vermischt verschiedene Genres: originär ist es zwar Hard-Rock, gleichzeitig aber auch leicht jazzig, vor allem aber sehr proggy. Tatsächlich fühlt man sich beim Anhören an Prog-Dinosaurier wie Yes, ELP oder auch die US-Amerikaner Kansas erinnert. Besonders gelungen sind Don Aireys Pianospielereien, aber auch Iommis jazzige Gitarre. In diesem Track wird klar, welches Potential in der Band steckte. Grandios, aber leider viel zu kurz!

Over to you setzt sich textlich sehr kritisch mit dem Leben innerhalb des Systems aus, dem man sich scheinbar nicht entziehen kann. Musikalisch ist der Song recht einfach aufgebaut, 3 Akkorde auf Iommis tiefer gestimmter Gitarre und Ozzies typischer Gesang. Aber auch hier glänzt Airey im Hintergrund mit seinen spritzigen Pianofunken.

Break out ist ein langsames und schleppendes Instrumental; rockig, jazzig und very funky mit Malone`s dicken Blechbläser-Arrangements, während Iommi sich im Hintergrund hält. Ein Song, der den richtigen Sabbath-Fan damals wohl ziemlich vor den Kopf gestoßen haben muss. Aber Black Sabbath sagten einmal in einem Interview: „Wir könnten alles spielen – sogar Jazz!“ Interessanterweise war Break out gar nicht als Instrumentaltrack geplant, aber Mr. Osbourne weigerte sich den Text zu singen und die Band machte aus der Not eine Tugend und ersetzte seine Stimme kurzerhand durch ein wildes Saxophon.

Kommen wir zum nächsten und letzten Track. Textlich ist Swinging the Chain mehrdeutig, einerseits scheint sich der Text um den Zweiten Weltkrieg zu handeln, andererseits mutet es auch wie ein Schwanengesang an, der das böse Ende mit Osbournes Rauswurf vorahnt. Gesungen wird der Song von Bill Ward, der schon bei Technical Ecstasy eingesprungen war. Grund dafür war Ozzies Weigerung, den Song zu singen. Auf diesem irgendwie unfertig wirkenden Track ist erstmals seit dem Debutalbum wieder eine Mundharmonika zu hören, die aber nicht von Osbourne gespielt wird, sondern von John Elstar. Und das wars dann auch schon mit der Platte.

Bevor die Platte veröffentlicht wurde, begab sich die Band auf ausgiebige Tournee. Als Vorgruppe wurde eine damals unbekannte junge Band verpflichtet: Van Halen. Nach Ende der von Zwischenfällen überschatteten Konzertreise begab sich die Band nach Los Angeles in ein gemietetes Haus, um dort neue Songs für das geplante Folgealbum zu schreiben. Dort traten die bereits bekannten Probleme mit Osbournes massivem Drogenkonsum wieder auf. Osbourne war ständig zugedröhnt, noch mehr als die anderen und brachte keinerlei musikalischen Input ein. Zudem hatte er auch kein Interesse daran, Material der anderen zu singen. Irgendwie hatte Iommi dann die Schnauze endgültig voll und brachte es auf den Punkt: Osbourne musste die Band verlassen. Bill Ward, der sich noch am besten mit Ozzie verstand, kam die undankbare Pflicht zu, diesem den Rauswurf mitzuteilen.

Ringo´s PlattenkisteBemerkenswert Photo links ist Iommi, der ausnahmsweise mal ohne seinen Pornobalken zu sehen ist. Black Sabbath machten ohne Osbourne weiter und verpflichteten Ronnie James Dio, zuvor bei Elf und Rainbow, der von 1979 bis 1982 blieb und dann von Ian Gillan für 2 Jahre abgelöst wurde. Black Sabbath waren ohne Osbourne nicht mehr Black Sabbath, die ganz entscheidende Komponente fehlte eben, es begann eine lange Periode der ständigen Wechsel in der Besetzung, bis 1995 für das bis lange Zeit letzte Studioalbum nur noch Iommi übrig war. 1996 kam die Band in fast kompletter Originalbesetzung auf die Bühnen zurück, lediglich Bill Ward fehlte. 2013 kam es dann zu einer erneuten Reunion: Black Sabbath gingen wieder in (fast) originaler Besetzung inkl. Osbourne ins Studio, um ein neues Album aufzunehmen: 13.

Dem Album folgte noch eine ausgedehnte Tour sowie 2 Live-Alben, und dann war vorläufig endgültig Schluß.

„Never say Die“ fand kurz nach seinem Erscheinen den Weg auf meinen Plattenteller, denn die Band kannte ich zwar, besaß aber leider nur eine einzige Platte von ihnen, eine Art „Best of“, und ich war begierig darauf, eine brandneue Platte zu bekommen. Damals war ich auf der Prog-Schiene unterwegs, war aber dennoch sehr angetan von der Scheibe. Black Sabbath waren 1978 bei weitem besser als Jethro Tull zur selben Zeit. Die Platte lief ständig, vor allem „Juniors Eyes“ hatte es mir angetan. Nach dem Ausstieg Osbournes interessierte mich die Band dann auch nicht mehr weiter, und ich wandte mich mehr und mehr neuen musikalischen Ufern zu. Das Album verkaufte sich schleppend und war bei Fans und Kritikern nicht sehr hochgeschätzt. Geezer Butler erinnert sich, dass ihre damalige Plattenfirma mehr Zeit, Geld und Aufwand in Van Halen investierte, da ihnen Black Sabbath offenbar zu alt und zu verbraucht erschienen.

Ringo´s PlattenkisteWas wurde aus den Beteiligten?
Tony Iommi machte mit Black Sabbath stur weiter und wollte einfach nicht aufgeben. Sänger und Musiker gaben sich die Klinke in die Hand, bis letztlich nur noch er alleine von der Originalbesetzung übrig war, was einen dazu verleiten kann, die Zeit nach Osbourne als den Beginn seiner Solokarriere zu betrachten. 2000 schließlich veröffentlichte er dann sein erstes richtiges Soloalbum, dem Kollaborationen mit Glenn Hughes und Ian Gillan folgten. Ab 2006 war er Mitglied der Heavy Metal Supergroup Heaven and Hell, bei der auch Butler und Dio dabei waren. Iommi war insgesamt vier Mal verheiratet, allerdings scheiterten alle Ehen, zumeist wegen Iommis Gewaltausbrüchen. 2012 wurde bei ihm ein bösartiges Karzinom diagnostiziert, und es sah zuerst gar nicht gut für ihn aus. Nach vier Jahren Therapie allerdings war der Krebs offenbar besiegt, wie Iommi verkündete.

Ozzy Osbourne stürzte nach seinem Rauswurf noch weiter ab, bis er schließlich Sharon Arden kennenlernte, die ihm wieder auf die Beine half und ihn zu einer Solokarriere ermutigte, die ihm auch gelang. 1981 ließ sich Osbourne scheiden und heiratete Sharon. Osbourne veröffentlichte bis jetzt insgesamt 12 sehr erfolgreiche Soloalben und lieferte einige Beträge zu diversen Soundtracks. 1996 organisierte Sharon ein Open-Air-Spektakel mit dem sinnigen Namen „Ozzfest“, das bis heute jährlich stattfindet. Das Image des kopfabbeißenden, wahnsinnigen Rockstars blieb Ozzy zeit seines Lebens an ihm haften, änderte sich aber schließlich mit der Ausstrahlung der Doku-Soap „The Osbournes“, in der Ozzy als liebenswerter, leicht trotteliger Familienvater dargestellt wurde. Naja.

Geezer Butler stieg 1979 kurzzeitig aus, kehrte aber 1980 wieder zurück und blieb bis 1985. Diese Rein-Raus-Spielchen wiederholte sich noch mehrmals. Butler veröffentlichte insgesamt 3 Soloalben und war auch auf einigen Osbourne-Alben zu hören. Auch bei Heaven and Hell zupfte er den Bass. Der Katzenfreund lebt mit seiner zweiten Ehefrau inzwischen in Los Angeles.

Bill Ward stieg ebenfalls immer wieder mal aus und veröffentlichte mehrere Soloalben. Zwischendurch spielte er für Ozzy und Iommi auf deren Alben. Ward änderte seinen früheren Lebensstil radikal: er gab das Rauchen auf, verzichtete auf Drogen und Alkohol und begann sich vegan zu ernähren. Wards Gesundheit ist seit einem Magen-Darm-Eingriff nicht mehr die beste, was für ihn das Spielen in einer Band unmöglich macht. Ward war deshalb bei der letzten Reunion und dem finalen Album nicht mehr dabei.


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Kommentare  

#1 matthias 2022-12-19 14:11
Eine gute Scheibe!
Leider habe ich die Band in dieser Besetzung wegen der Mauer nicht live sehen können. Ozzy solo in Ludwigshafen schon.
Aber es gibt bessere (ältere) Platten von Black Sabbath.
Danke für die Erinnerung! Ich werde diese CD mal wieder hören.
#2 Cartwing 2022-12-19 17:24
Musikalisch so gar nicht meine Welt, aber wieder ein sehr interessanter Artikel!
#3 Ringo Hienstorfer 2022-12-22 10:17
zitiere matthias:

Aber es gibt bessere (ältere) Platten von Black Sabbath.

Die gibt es ohne Zweifel, da hast Du völlig recht! Danach ging es aber eher bergab. Black Sabbath ohne Osbourne? Geht gar nicht. Das ist wie Meister Eder ohne Pumuckl!

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