Artist of the Day: Ausgeprägt unwirklich - Carolus Adrianus Maria Thole
Ausgeprägt unwirklich
Carolus Adrianus Maria Thole
Leben und Werdegang:
Aufgewachsen in einer Großfamilie als zweites von insgesamt elf Kindern in der Nähe von Amsterdam entschloss sich der junge Thole zu einem Studium an der niederländischen Kunstschule am Rijksmuseum in Amsterdam. Spezialisiert auf Illustration und Werbung entwickelte er – geschult in allerlei Techniken – sehr bald erstaunliche Fähigkeiten.
In seiner Heimat fühlte er sich in seiner Phantasie und seinem Schaffenswillen aber schon bald eingeengt, so dass er sich im Jahre 1958 entschloss, nach Italien zu emigrieren. Er entschied sich für Mailand, denn die Hauptstadt Rom erschien ihm als Künstler eher unpassend. Thole war zu dieser Zeit bereits kein Unbekannter mehr, vielmehr war er einer der führenden Illustratoren seiner Heimat. Umso mehr scheint der Schritt in die Emigration gewagt, zudem war er bereits 44 Jahre alt und musste wieder ganz von vorne anfangen. Bereut hat er seinen Entschluss aber nicht.
Passenderweise sah sich der Künstler Zeit seines Lebens als Europäer, nicht als Niederländer. Seine Künstlernatur stand wohl über derart nationalem Dünkel.
In Italien arbeitete er für die Reihe Urania, für die er unzählige Titelbilder anfertigte. In den Siebzigern war er dann auch für den deutschen Pabel Verlag tätig und prägte mit seinen unheimlichen und düsteren Bilder die Serie nachhaltig. Überwiegend fertigte er die Bilder speziell entsprechend den Verlagsvorgaben an, teils wurden aber auch Bilder zweitverwendet. Thole arbeitete zudem auch für den Heyne Verlag und dessen Science Fiction Reihe.
Im Heyne Verlag erschien dann auch 1984 ein großformatiger Bildband mit dem Titel „Visionen des Unwirklichen“, der hauptsächlich SF-Bilder präsentierte. Im Jahr 1986 behinderte ihn ein Augenleiden so sehr, dass er die Malerei gänzlich aufgeben musste. Im März 2000 verstarb der Künstler in Italien. Bilder von ihm können käuflich erworben werden, sind aber nicht ganz billig.
Technik:
Die ersten Arbeiten in den Niederlanden entstanden mit Kohle, waren also einfach gehaltene Zeichnungen. Seine Farbillustrationen malte er in Mischtechniken: Gouache und (Ei-)Tempera. Malgrund war dicker Karton, sehr oft auch in der Grundfarbe Schwarz.
Tempera hat den großen Vorteil, dass man damit sehr deckend malen kann und die Farbe schnell trocknet. Ölfarbe hat im Vergleich dazu eine lange Trocknungszeit und teilweise ein geringes Deckvermögen. Gewisse Farbtöne wie etwa Krapprot decken fast gar nicht, sondern bleiben halbtransparent. Die Trocknungszeit kann hier auch gut 2-3 Wochen betragen, verwendet man keinen Trocknungsbeschleuniger. Katastrophal also für einen Illustrator, der mit seinen Aufträgen wohl permanent unter Zeitdruck stand. Tempera hingegen ist deutlich schneller trocken, allerdings erfordert diese Technik viel Übung und Erfahrung.
Eine weitere Besonderheit ist, dass Tempera nach dem Trocknen die Farbe verändert: sie wird stärker und auch leuchtender. Dies muss der Künstler also beim Malen berücksichtigen. Im Gegensatz zur Ölfarbe lassen sich beim Temperamalen auch keine weichen, fließenden Übergänge erzielen: die Farben lassen sich nicht untereinander verreiben, wie das beim Ölmalen charakteristisch ist.
Der Künstler ist also gezwungen, Übergänge zu „Stricheln“. Und gerade dies ist typisch für Tholes Stil. Licht und Schatten sind meist in dieser Strichelung gearbeitet; manchmal verwendet er für derlei Gestaltung auch nur 2-3 Farbtöne. Thole hat dies zur Meisterschaft gebracht, denn er schafft es auf diese minimale Art und Weise seinen Bildern fast fotorealistisch wirken zu lassen.
Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Bild von : Hier ist einerseits die Technik des Strichelns sehr gut erkennbar, und zugleich auch die 2-Farben-Methode: Die Gesichter der Kapuzenmänner wirken realistisch, bestehen aber nur aus hellen Farben auf dunklem Hintergrund, genauso wie die Kapuzenmäntel selbst. Das Gesicht der Hexe ist mit einem hellen Farbton aufgestrichelt.
Ein anderes, sehr anschauliches Bespiel ist das Bild für Jack William´s „Il figlio della notte“ (Darker than you think). Thole hat hier tatsächlich mit nur zwei Farbtönen gearbeitet (sieht man von den Augen mal ab. Die Hauptfigur ist mit einem helleren Farbton (Weiß)als die Grundfarbe aufgestrichelt. Die Schattenwirkung entsteht einfach nur durch den Kontrast mit der dunkleren Hintergrundfarbe.
Die Hintergründe sind oftmals einfarbig; hierfür wurde entweder ein farbiger Karton verwendet, oder der Künstler trug die Farbe flächig auf. Bei Hintergründen mit sanften, weichen Farbübergängen verwendet er wahrscheinlich Gouache-Farben. Gouache ist wasserlöslich und lässt sich pastös und wässrig auftragen. Fließende Übergänge sind durchaus möglich. Leider ist die Gouache nach dem Trocknen nicht wasserbeständig, sie sollte also nicht direkt mit einer auf Wasserbasis bestehenden Farbe übermalt werden.
Hier ist entweder der Einsatz eines Firnis angeraten, oder aber man spart die Fläche für das Hauptmotiv aus, indem man sie mit einer speziellen Maskierflüssigkeit abdeckt. Man kann dann bequem darüber Malen und später die zu sich einer Art Film verfestigte Maske abziehen. Das Papier darunter bleibt frei von Farbe und kann nun weiter ausgestaltet werden. Meiner Meinung nach hat Thole gerne mit dieser Art Maske gearbeitet, teilweise ist dies an den Konturen erkennbar. Einige Bilder sind meiner Meinung nach aus Zeitgründen mit anderen wasserbasierenden Farben gemalt worden, z.B. mit Aquarell oder Tuschkasten.
Generell lässt sich sagen, dass Tholes Technik und Arbeitsweise auch stilprägend war. Seine Bilder sind unverwechselbar und einzigartig.
Verwendung als Cover
Leider wirken die Bilder als Reproduktionen auf den Titelbildern nicht annähernd so stark wie sie es im Original tun. Sie sind viel klarer und leuchtender, es findet sich kein störender Schriftzug oder ein Logo darauf. Eine Besonderheit ist fast immer, dass die Gemälde im oberen Drittel viel Freiraum brauchen: hier wird auf dem fertigen Umschlag ja Titel und Logo des Buches eingesetzt. Tholes Bilder sind in den meisten Fällen proportional identisch wiedergegeben. Manchmal sind die Originale aber auch „beschnitten“ worden, so dass nur ein Ausschnitt des Bildes das Cover ziert.
Im Vergleich zu Original und Reproduktion des Bildes für wird deutlich, dass das Original viel klarer und farbintensiver ist; das fertige Titelbild lässt auch einige kleine Teile des Bildes vermissen.
Im Falle des mir vorliegenden Originals zum wurde das Bild seitenverkehrt gespiegelt. Auch hier sind die Farben wesentlich klarer und intensiver. Kleine Cuts fanden aber auch hier statt.
Anhand des in meinem Besitz befindlichen Originals zu Vampir Horror Roman Nr. 142 möchte ich ein wenig zum Bildaufbau erzählen. Zieht man je eine Linie diagonal aus den 4 Ecken zueinander, ist zu erkennen, dass der Künstler sein Hauptmotiv, das titelgebende Menschen-monster, sehr zentral positioniert hat.
Die Figur ist mit Ausnahme der drohend erhobenen Arme mittig gesetzt, ziemlich exakt im unteren Dreieck, das von ihm dominiert wird. Der eigentliche Mittelpunkt des Bildes – der Schnittpunkt der beiden Diagonalen – offenbart eine eigenwillige Dynamik.
Der Kopf des Menschenmonsters liegt darunter, während der in zerstörerischer Absicht erhobene Felsbrocken sich darüber befindet. Eine sehr geschickte Methode, um dem Bild Bewegung und Leben einzuhauchen.
Stil:
Tholes Stil ist vom Surrealismus beeinflusst. Die meisten seiner Bilder haben ein sehr ausgeprägtes und starkes Flair des Unwirklichen. Die Bilder sind oft grotesk. Fast könnte man sagen, es handle sich um gemalte Alpträume. Gerade bei seinen Titelbildern für die Vampir Horror Romane wird eine gewisse Neigung zum Expliziten deutlich. Einige seiner früheren Bilder für diese Serie sind teils sehr extrem und gewöhnungsbedürftig, was die Motive und deren Darstellung angeht. Beispiele hierfür sind die Cover der Nr. 17, 26, 47 und vor allem die Nr. 10.
Die späteren Bilder für die Serie wurden aber zunehmends harmloser, wie auch die Serie selbst. Hier war auch der Mantikor Jugendschutz wohl nicht ganz unschuldig. Thole sah sich selbst übrigens nicht als Maler, sondern verstand sich als Illustrator. Seiner Meinung nach hat ein Maler die Freiheit selbst über Motiv, Format und Technik zu entscheiden. Dem Illustrator hingegen wird zumindest das Motiv vorgegeben, meist auch das Format. Interessanterweise las er die Bücher auch nicht, für die er die Umschläge gestaltete.
›Inspiration‹ und Zweitverwendungen:
Auch Lutohin ließ sich gerne von Werken anderer inspirieren. Er schnitt nicht nur Fotos aus und verbastelte Johnny Bruck, der ehemalige Alleinverantwortliche der Covers für Perry Rhodan und Atlan fand seine Inspirationen nicht nur in sich selbst, sondern griff sehr gerne auf bereits bestehendes zurück, unter anderem auf Werke seiner Künstlerkollegen. Auch bei Meister Thole wurde kräftig abgekupfert.
Für das Cover von zum Beispiel nahm er sich Tholes als Vorbild.
Bei ließ er sich von „inspirieren“. Schaltpult und Monitore sind fast identisch.
ist ebenfalls offensichtlich identisch mit
Auch bei war Thole unfreiwillig vertreten. Nr. 133 der Serie war mit verwandt.
Immerhin begnügte sich Herr Bruck nicht damit, Tholes Motive einfach auszuschneiden und in seinen eigenen Bildern als Collage zu verwenden, wie er es gerne tat. Schaut man sich die Covers genau an und vergleicht sie, sind Unterschiede feststellbar. Bruck hat lediglich abgemalt.
Einige Bilder Tholes fanden ihren Weg auf deutsche Titelbilder, nachdem sie bereits andernorts veröffentlicht wurden. Drei Beispiele hierfür:
( und seine Erstveröffentlichung auf vom Juni 1968)
( und seine Erstveröffentlichung auf vom November 1968)
( und seine Erstveröffentlichung auf vom Oktober 1974)
Bekannte Werke:
• Titelbilder der Vampir Horror Roman-Serie, Pabel-Verlag
• Titelbilder der Science Fiction Taschenbücher, Heyne-Verlag
• Titelbilder der Science Fiction Reihe Urania
• Visionen des Unwirklichen, Heyne-Verlag
Kommentare
In Tholes Fall kann man bestimmt davon ausgehen, dass er sich in erster Linie als Maler und erst in zweiter als Gestalter von kommerzieller Titelbildgebrauchsgrafik verstanden hat.
Diverse seiner Vampir-Bilder konnte er wenig später in Italien noch einmal verkaufen. Die findet man ab 1975 hauptsächlich auf den Anthologieserien "Il Vampiro" und "Vampirissimo" vereinzelt auf ein paar anderen Serien wie "Zora la Vampira". Alles Comics. Dass er nicht mehr verkaufen wollte, lag vermutlich daran, dass sie den Italienern nicht reißerisch genug waren.
Sein Fleiß war erstaunlich. Urania und Vampir gleichzeitig zu versorgen, Respekt. Vor allem, da man nicht sagen kann, dass er was dahingeschludert hat. Die Vampir-Zweiverwertungen von Urania sind ja eher die Ausnahme.
Bruck hat sich gern "inspirieren" lassen
Ich empfinde dessen Bilder (bis auf wenige Ausnahmen) eigentlich nur als Schrott.
Schöner Artikel.
Ich war noch nie ein Fan dieser billigen Horrorheftchen. Wenn man Thole nur von dort kennt, wirkt er oft nur wie ein billiger GESPENSTERGESCHICHTEN-Zeichner.
Aber in den an sich deutlich hochwertigeren, besser gebundenden, auch mehr kostenden SF-Taschenbüchern von Heyne aus den 70ern und 80ern mit den surrealen, bizarr-poetischen Covern von Thole und Jörg Remé könnte ich bis heute *BADEN*! Da hat auch Thole oft eine ganz andere Qualität erreicht als bei den Billigheftchen von Pabel-Moewig.
Pabel-Moewig hat insgesamt rund 10 Jahre länger als Heyne gebraucht, um dann erst um 1980 mit UTOPIA CLASSICS, KOPERNIKUS, ANALOG und der PLAYBOY-SF-Reihe überhaupt nur annähernd vergleichbare Phantastik-Taschenbücher wie Heyne auf den Markt zu bringen. Auch Thole hat sich eben, scheint's, bei seinen Arbeiten meist an der Qualität des jeweiligen Preissegments (billige Pabelheftchen kontra bessere Heyne-Taschenbücher) orientiert.