Amazing Pulps – der optische Aspekt - Teil 3: Interior Art – die Innen-Illustrationen
Der optische Aspekt Teil 3
Interior Art – die Innen-Illustrationen
Es gibt viele Unterscheide zwischen deutschen Heftromanen und amerikanischen Pulp Magazinen. Der Auffälligste sind vermutlich die vielen Innenillustrationen, die das Pulp-Heft zum wichtigen Vorläufer und Anreger des Comic-Books machen.
I
Die Idee, Story-Papers auch innen zu illustrieren, stammt vermutlich aus London. Zwar hatten auch Groschenhefte und Penny-Dreafulls grelle Cover, doch für gewöhnlich blieb es bei diesem einen Bild. Es war der Verleger George Newnes, der erstmals auf die Idee kam, ein Story-dominiertes Magazin komplett zu illustrieren. Sein Motto: Jede Seite mindestens ein Bild. 1891 erschien die erste Ausgabe des Strand-Magazine, heute vor allem weltberühmt wegen seines legendären Mitarbeiters Arthur Conan Doyle. Alle Sherlock-Holmes-Erzählungen erschienen hier.
Pulp-Erfinder Frank A- Munsey war auch der erste, der diese Idee für Amerika übernahm. Noch im selben Jahr kam „Munsey's Magazine“ heraus – das erste vollillustrierte Massenblatt Amerikas. Bereits nach 4 Jahren erreichte es einen Umsatz von 500.000 Exemplaren pro Monat, eine schier unglaubliche Zahl für die 1890er Jahre.
Die Pulps sollten anders sein – und sich deutlich absetzen von dieser leichten, aber auch unverbindlichen Unterhaltung. Deswegen erschienen die ersten Munsey-Pulps ohne Innenillustrationen, sie kamen streng daher wie avantgardistische Literatur-Hefte, nur eben auf schlechterem Papier. Wie bei den fehlenden Cover-Bildern der ersten Jahre war das sicher der Billigproduktion geschuldet, sollte aber sicher auch Bestandteil des neuen Images der Pulp-Hefte als „reine“ Story-Magazine sein, ohne Ablenkung.
In den 1910er Jahren änderte sich das, als erste Pulps, etwa „Adventure“ anfingen, mit Innenillustrationen zu experimentieren. Das waren zunächst kleine Vignetten, die sich um die Überschriftszüge der Storys rankten. Bald wuchs sich diese Beigabe zu einem auffälligeren Markenzeichen der Pulps aus.
Diese bescheidene Beigabe hielt sich lange – bis in die späten 1920er Jahre. Zwei sich herausbildende Genres sorgen dann für mehr Aufregung in der optischen Pulp-Welt Die erotischen Pulps wie Ten Story Book wollten ihren Lesern ein bißchen mehr für Auge bieten und streuten hin und wieder auch galante Textillustrationen ein oder experimentierten mit doppelseitigen Rahmenzeichnungen zu Beginn einer Geschichte. Doch die eigentliche Revolution kam wieder einmal von Amazing Stories, dem ersten SF-Pulp. Hugo Gernsback spürte, dass in seinen Geschichten viel Potential fürs Optische lag, und so bestachen seine Hefte ab 1926 (das Format war ohnehin größer als bei den meisten anderen Pulps) durch große, ganzseitige Illustrationen mit Zukunfststädten, abeteuerlichen Raumschiff-Innenansichten oder seltsamen Alien-Gestalten. Meist waren sie von Wesso oder Paul und sind auch heute noch ein Hingucker.
II
In den 20ern entstand den Pulps Konkurrenz durch die „Slicks“. Noch nicht im finanziellen Sinne. Slicks waren im Grunde Pulps für Wohlhabende, großformatige Storyhefte auf Glanzpapier mit einer Flut von Illustrationen – meist in Farbe! - und vielen, vielen Werbespots. Weil sie so teuer waren, wurden die Pulps in ihren Umsätzen nicht beeinträchtigt – die Käuferklientel war eine andere. Doch die Pulp-Grafiker beneideten die Kollegen, die für die „besseren“ Blätter arbeiteten und fühlten sich angespornt ähnliches zu leisten – natürlich im Rahmen dessen, dass bezahlbar war, vom Verleger und vom Kunden.
Den Slicks widme ich noch einen extra-Artikel – hier sei nur soviel gesagt, dass diese vielen, oft ausgezeichneten, aber auch oft etwas starren Illustrationen der Slicks sicher dazu beitrugen, dass die Pulps begannen, im bescheideneren Umfang Ähnliches zu liefern.
Und so setzt sich in den Dreißiger Jahren folgender Pulp-fiction-Standard durch: Jede Erzählung im Heft bekommt eine ganzseitige Titelillustration, mindestens eine ist sogar Doppelseitig, längere Erzählungen über 20 Seiten Länge werden auch mit 2-3 zusätzlichen Textillustrationen ausgestattet. So enthalten Pulps der 30er und 40er Jahre durchschnittlich 15 Illustrationen von Briefmarkengröße bis zum doppelseitigen Mammut-Bild – nicht mitgezählt sind hier natürlich das Cover und die Bilder der Reklame.
Die Innenzeichnung der Pulps unterschied sich eklatant von denen der Slicks. Tendenziell zeigten die Zeichnungen der Pulps Menschen in action – wichtig war allen Herausgebern, ob nun Krimi, Scifi oder Western, dass was passierte, dass Bewegungen abgebildet wurden, dass sich das Tempo der Erzählung in den Bildern wiederspiegelte. Während die Slicks meist durch elegant herumlümmelnde schöne Menschen (selbst die Schurken sehen oft erstaunlich edel aus) bestachen oder Körperstudien sich streitender Protagonisten brachten, wurde in den Pulps geritten, geballert, gewürgt, mit Fäusten gehämmert, stürzten Stühle mit gefesselten Menschen um, flehrten halbnackte Frauen um Gnade, die ein unrasierter Schurke an den Haaren hielt, streckten schleimige Aliens ihre Tentakel nach unschuldigen Reisenden auf fremden Planeten aus.
Ganz eindeutig Mustervorlagen für die Comics.
Doch auch hier triumphierte nicht nur der Schund. Bewundern muß man etwa die pfiffigen, meist sehr intelligent gezeichneten, mit dem Text korrenspondierenden Zeichnungen von „Better Publications“, die auch drei SF-Blätter herausgaben, alle drei beeindruckend und memorabel illustriert: Thrilling Wonder Stories, Startling Stories und Captain Future.
III
Zu den Ausnahmezeichnern gehörte Virgil Finlay. Er gilt heute als bedeutendster Innen-Illustrator der Pulps und steht in seiner Art einzig da. Er zeichnete ausschließlich für phantastische Blätter wie Fantastic Adventures, Weird Tales oder Famous Fantastic Mystery, und für SF-Magazine. Finlays Stil war oft arabesk, die Bilder wirken oft seltsam entrückt und für sich gestellt, so als würden die nur lose mit dem Text korrespondieren. Action ist ihm weniger wichtig, er fängt eher Stimmungen ein.
Obwohl also gar kein idealer Pulp-Zeichner, liebten die Leser seine Bilder. Dass er gern für die von der Fanelite verschmähten und geschmähten Magazine Ray Palmers zeichnete, schadete seinem Ruf keineswegs; auch die Hardliner unter den SF-Herausgebern umwarben ihn. Seine Zeichnungen im Heft zu haben, bedeutete einen enormen Prestigegewinn.
Illustrationen in den Pulps waren bald wie die Cover ein zentrales Mittel, um Leser zu locken. Denn Pulps schafften nie den Sprung ins große Abo-Geschäft, sondern verkauften sich über die Kioske. Wer ein Magazin durchblätterte, sollte klebenbleiben, sich gepackt fühlen.
Das führte allerdings oft auch zu einem heute sehr gehaßten Phänmonen bei Lesern – dem Spoiler. Nicht selten gestaltet der Zeichner den Höhepunkt einer Erzählung und verdirbt so die Spannung oder doch einen Teil davon.
So las ich kürzlich die Erzählung „Festival of the bloodless dead“ von Frederick C. Davis in dem von mir so geliebten (und an anderer Stelle vorgestellten) Horror-Magazin „Dime Mystery“. (1937-01).
Es geht um seltsame Leichen, die im italienischen Stadtviertel einer amerikanischen Großstadt gefunden werden – mit seltsamen Wunden und blutleer.
Die wunderbar trashige Idee, dass hier jemand gezüchtete Riesenblutegel benutzt, um Leute aus dem Weg zu räumen, wird leider in der Titelzeichnung schon enthüllt.
Dennoch war die Titelillustration so populär in Amerika, dass sie die Pulps überlebte. Als neue SF-Magazine wie „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ ohne Zeichnungen erschienen, mussten sie sich zunächst gegen unwillige Leser durchsetzen, denen nun reine Story-Hefte ohne Bilder leer und wüst erschienen. Andere Magazine haben ihren Pulp-Einfluß nie abgestreift – etwa Alfred Hitchcocks Mystery Magazine. Die letzte Originalausgabe, die mit als Scan vorliegt, ist zwar schon ein bißchen älter, nämlich vom Dezember 2006, doch sie enthält immer noch Titel-Innenillustrationen zu den Geschichten, nicht mehr zu jeder, aber doch zu etwa jeder dritten.
IV
Zwei Besonderheiten der Illustration seien hier noch erwähnt – die Absatzverzierung und die Porträtzeichnung.
Die Absatzverzierung war von Anfang an ein Markenzeichen des Magazins „Adventure“ - es waren kleine Quadrat-Vignetten, die witzige Symbole der Abenteuergeschichte enthielten und die in die Absätze eingefügt wurden - Totenköpfe, Schiffe, Armbrüste, Anker, Ritterhelme und vieles andre. Natürlich wiederholten sie sich – doch das Arsenal dieses langlebigen Pulps wurde zur Freude der Leser immer wieder mit neuen Sets aufgefüllt. Bis heute kann man eine Seite dieser legendären Zeitschrift sofort an diesen Quadraten erkennen, ein Stilmittel, das fast 40 Jahre beibehalten wurde – das nenne ich mal sich selber treu bleiben!
Ein für uns Deutsche interessantes Stilmittel ist die vor allem in den Love-Pulps genutzte Porträtzeichnung – hier wurden in Miniaturskizzen die Gesichter der Protagonisten vorgestellt. Diese Idee übernahm für eine kurze Zeit auch der Pabel-Verlag – der tatsächlich als absolute Ausnahme in einigen Heftromanen der späten 50er und frühen 60er Jahre auch Innenillustrationen bringt, etwa in „Utopia.“ Es gibt auch szenische Bilder, doch die kleinen Porträtköpfe überwiegen. Schön zu sehen etwa an der Binnenserie „Mark Powers“, dessen erste Hefte noch Innenillustrationen besitzen, die späteren aber nicht mehr. Und natürlich waren auch die frühen Nummern der Erstauflagen von Perry Rhodan illustriert, wenn auch in geringerem Umfang als die alten Pulps.
Einige wenige Pulps gingen eigene Wege und entschieden sich für üppigere Illustrationen – das waren vor allem gefakte „True-Story“ Pulps, die so taten, als handele es sich bei den Geschichten um Tatsachenberichte, die Spicies, eine neue Generation von Erotik-Story-Heften der 30er, und das unnachahmliche Blue Book Magazine, ein Ausnahme-Pulp-Magazin, das den höchsten Etat für Zeichnungen in der Pulp-Geschichte aufwies. Zu allen drei Sonderformen mehr in Folge 5.
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