Charlotte Bronte's - Jane Eyre in Bildern
Als ich zum ersten Mal feststellte, dass ein Verlag eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten als Comic veröffentlichte und dies auch noch "Classical Comics" nannte, schluckte ich und überlegte, wie dies wohl funktionieren könnte.
Jane Eyre ist eine jener klassischen Romane, die in dramatischer Art und Weise zeigen was es bedeutet eine Frau in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts zu sein - ohne Schutz durch eine hochstehende Geburt, Familie und Geld. Auch wenn am Ende alles gut wird - natürlich -, packt mich das Schicksal dieser jungen Frau immer wieder.
Wie also könnte dies als Graphic Novel funktionieren? Naja, nur soviel, es hat geklappt!
Nachdem ich Classical Comics auf der Buchmesse 2008 in Frankfurt kennen gelernt habe, wollte ich herausfinden, ob es einer Graphic Novel gelingen würde mich so in die Geschichte hinein zu ziehen, wie es die Bücher und Filme/Serien können.
Nach kurzer Zeit stellte ich fest: Ich war mittendrin. Vielleicht muss man ein Liebhaber solcher Geschchten sein um die Art zu schätzen, in der Classical Comics die besondere Schönheit solcher (manchmal durchaus nicht unkitschigen) Geschichten zum Ausdruck gebracht haben. Mit einem gewissen Anteil an sozialer Kritik (wenn auch weniger deutlich als bei Jane Austen), erzählt "Jane Eyre" einfach eine Geschichte aus (Sicht) der damaligen Zeit. Das Schicksal der Jane Eyre war nichts wirklich Außergewöhnliches in dieser Zeit, und die Tatsache, dass wir sie heute mit einer Mischung aus Kopfschütteln, Verwunderung darüber wie Frauen eine solche Behandlung akzeptieren konnten, und der Dankbarkeit darüber, selbst nicht in einer solchen Position zu sein - das verdanken wir nur einer Veränderung der Zeiten.
Jane Eyre, die klassische Geschichte einer Pfarrerstochter, die nach dem Tod ihrer Eltern mit den geringen Aussichten einer armen Verwandten konfrontiert wird, ist für den englischen Leser vermutlich nichts Unbekanntes, dem deutschen Leser vielleicht eher weniger geläufig (so er nicht eine Herzliebste hat, die ihn zu solchen Filmen zwingt). Aus diesem Grund eine Inhaltsangabe:
Nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern wird Jane Eyre als Baby in die Familie des Bruders ihrer Mutter aufgenommen und dort aufgezoge. Dort erfährt sie das Schicksal der armen Verwandten, die von der Familie oder weniger nur toleriert wird, den Kindern der Familie als ständiges Opfer von Streichen dient und zum Gespött der Hausherrin und der Dienerschaft wird.
Als sturer und unabhängiger Geist wird sie schließlich in eine Waisenhaus gesteckt, einem Institut für nicht gewollte Mädchen aus reicheren Familien. Dort freundet sich Jane mit Helen an, einem Heimzögling. Für Helen, die sehr religiös ist, ist das Leben ein Ort voller Lasten, die man nur ertragen kann in dem man sich auf das Jenseits orientiert und entsprechend lebt. Sie steht für den starken Glauben an das ewige Leben als Belohnung für ein gläubiges und annehmendes Leben. Einer der stärksten Moment für mich ist der Tod Helens im Waisenhaus. Sie ist schwer krank und stirbt im Schlaf - in den Armen von Jane, die ihrerseits schläft und nichts davon bemerkt. Jane Eyre erwacht neben dem erkalteten Körper ihrer Freundin.
In dieser Nacht, bevor sie beide einschlafen, sagt Helen zu Jane, dass sie nicht traurig über ihren Tod sein sollte:
I am very happy, Jane, and when you hear that I am dead, you mus be sure and not grieve. There is nothing to grieve about. By dying young, I shall escape great suffering. I had not qualities nor talents to make my way very well in this world. (Classical Comics, Original Text, S. 36)
Nach der Zeit als Zögling in dem Waisenhaus, muss Jane sich eine Arbeit suchen mit der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Sie kommt in das Haus eines Mr. Edward Fairfax Rochester, Thornfield Hall, wo dieser mit einem jungen Mädchen namens Adèle Varens lebt.
Es kommt wie es kommen muss: Sie verliebt sich in Mr. Rochester, und dieser - welch ein Glück - auch in sie. Alles scheint wundervoll, bis das dunkle Geheimnis von Rochester offenbar wird: Er ist bereits verheiratet, mit einer geistesgestörten Frau, die auf Thornfield Hall verborgen lebt.
Einmal mehr verliert Jane Eyre alles. In der Nacht läuft sie davon und endet vor der Tür eines Pfarrhauses. Dort kommt sie endlich zur Ruhe. Die Familie bietet ihr ein Dach über dem Kopf und dann ergibt sich eine einzigartige Gelegenheit, die alles zu einem guten Ende bringen könnte: Der Haushaltsvorstand, St. John Rivers, entschlossen als Missionar ins Ausland zu gehen und auf der Suche nach einer Frau, bietet Jane die Ehe an. Für die meisten Frauen in ähnlicher Lage wie Jane wäre dies die ultimative Chance. Einmal mehr zeigt Jane ihre Unabhängigkeit: Sie lehnt ab.
Letztendlich entscheidet sich Jane dazu, dieses eine unbeendete Kapitel ihres Lebens abzuschließen: Sie muss nach Thornfield Hall zurückkehren und herausfinden, was mit Mr. Rochester geschehen ist. Dort angekommen erfährt sie, dass das Haus abgebrannt und der Mann ihres Herzens schwer entstellt ist.
Da ich die Wahl zwischen dem "Original Text" und the "Quick Text" dieser Graphic Novel hatte, entschloss ich mich für die Version im ursprünglichen Text, um dem Original so nahe wie möglich zu kommen.
Amy Corzine, die für die Adaption des Romans zuständig war, und John Burns, von dem die Illustrationen stammen, haben wunderbare Arbeit geleistet. Man kann der Geschichte folgen, erfährt den gesamten Handlungsfaden. Die ausgesparten Szenen, die zwangsläufig recht umfangreich sind, ruinieren nicht den Effekt, den die Geschichte auf einen hat. Was mir besonders gut gefallen hat war die Tatsache, dass die Illustration so wirkt als wäre sie von Hand koloriert worden. Alle Experten in diesem Bereich mögen mir verzeihen, dass ich da nicht mehr in die Details gehe. Es verwirrt mich immer, wenn ich Comics und/oder Graphic Novels lese, in denen die Gesichter wie Masken scheinen. Zu meiner großen Freude ist dies hier nicht geschehen. Dafür besonderen Dank.
Wie schon in "A Christmas Carol" und "Frankenstein " hat sich der Verlag dazu entschieden, die Graphic Novel in doppelter Textform zu veröffentlichen. Einmal im "Original Text" und dann im "Quick Text" mit moderner Sprache. Dies bietet einem die Möglichkeit, eventuell erst einmal mit dem modernen Text zu starten und dann zum Original über zu gehen um die volle Schönheit der "alten" Sprache zu entdecken.
Hier die beiden Panels aus (links) Original text und (rechts) Quick text zum Vergleich zu der oben zitierten Stelle kurz vor Helens Tod.
Dies ist etwas, das mich jedes Mal aufs Neue begeistert, wenn ich zu den Büchern von Classical Comics greife. Der Preis ist - im Vergleich zu dem was sie bieten, mehr als angemessen, und ich kann sie nur jedem (Englisch)Lehrer und allen Eltern als Herz legen, wenn sie auf diese Weise Schüler und Kinder an einen englischen Klassiker heranführen wollen.
Für alle anderen ist es einfach ein Augen-und-Lese-Schmaus (ich weiß, das Wort gibt es nicht :-).
Fakten zum Buch:
Jane Eyre: Original Text: The Graphic Novel: Original Text (Classical Comics)
Charlotte Bronte (Autor), Amy Corzine (Adaption), John M. Burns (Illustrator)
Paperback, 144 Seiten, £9.99 / EUR 13,99
ISBN-13: 978-1906332068
Jane Eyre: Quick Text: The Graphic Novel: Quick Text (Classical Comics) (Taschenbuch)
Charlotte Bronte (Autor), Amy Corzine (Adaption), John M. Burns (Illustrator)
Paperback, 144 Seiten, £9.99 / EUR 13,99
ISBN-13: 978-1906332082
Classical Comics Ltd
Erstveröffentlichung September 2008