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Kleine Flohmarktfunde: PAUL SCHUSTER - Der Teufel und das Klosterfräulein

Kleine FlohmarktfundePAUL SCHUSTER
Der Teufel und das Klosterfräulein

Wenn etwas kurios oder neu für mich ist, dann interessiert es mich ganz einfach.  Hin und wieder schlägt so etwas auch in Begeisterung um.  Als ich dieses Taschenbuch aus einer Wühlkiste grapschte, war ich sofort gefesselt. Es gab mehrere Dinge, die dazu beitrugen.  Zunächst einmal handelt es sich um die Deutsche Originalausgabe von 1962. Sie erschien im Verlag NEUES LEBEN der DDR.

Der Teufel und das KlosterfräuleinDer Roman wurde erstmalig 1955 bei EDITURA TINERETULUL, Bukarest verlegt. Dann kam dieser recht kuriose Titel hinzu. Und – Der Autor ist ein Deutscher, der in Rumänien zu jener Zeit lebte, dort aufgewachsen war.

Um es vorwegzunehmen: Der Titel ist korrekt, aber der Roman beinhaltet nichts Übernatürliches.

Die Geschichte ist für heutige Verhältnisse eher belustigend. Aber genau darum geht es. Was diesen Roman (wie sicherlich viele andere Bücher jener Zeit) so faszinierend macht ist der Zeitgeist. Er stellt eine Reise in die Vergangenheit dar, in eine Welt, die uns nur noch Oma und Opa schildern können. Eine Welt, in der wir Internet-User und Hardrock-Gestählte schlicht verzweifeln würden. Damals gab es Sittlichkeit und Anstand, Schuluniformen und Blasmusik – und statt einer E-Mail oder SMS wurden handschriftiche Briefe geschrieben.
Der Roman spielt kurz nach dem 2. Weltkrieg in einem fiktiven Städtchen in Rumänien, in denen sowohl Deutsche wie Rumänen leben. Die Deutschen haben jetzt, da der Krieg verloren ist, einen schweren Stand. Sie werden ausgegrenzt und jede ihrer Handlungen wird argwöhnisch verfolgt.
 
Der Leiter der evangischen Schule für Jungen (Ja, damals wurden Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet) ist sehr darauf bedacht, dass seine Schüler keinen Unfug treiben, damit das Ansehen der Deutschen nicht noch weiter in den Keller geht.
 
Doch da taucht ein neuer Professor auf, der ungewöhnliche Lehrmethoden hat und versucht, den Jungen ein Freund zu sein. Er ermutigt sie schliesslich dazu, ein Theaterstück einzustudieren und aufzuführen. Der Direktor lehnt dieses strikt ab.
 
Ein paar Mädchen von der Mädchenschule sind auch dabei. Die Suche nach einem Saal gestaltet sich schwierig. Doch schliesslich wird man fündig. Ausgerechnet der grosse Saal im örtlichen Nonnenkloster soll es sein.
 
Das Theaterstück wird ein voller Erfolg, was den Direktor in Schwierigkeiten bringt, hatte er doch die Schulaula verweigert. Selbst die rumänische Bevölkerung ist recht angetan von der Kulturaktivität der Deutschen.
 
Der junge Bastl, der die Rolle des Teufels spielt, verirrt sich während einer Pause im Kloster und trifft auf das Waisenkind Bärbel, das von den Nonnen grossgezogen worden ist und praktisch nie die Welt ausserhalb der Mauern gesehen hat.
 
Zwischen den Beiden entwickelt sich schnell eine Romanze, die jedoch keine Chance zu haben scheint. Zunächst schreiben sie sich Briefe, die auf abenteuerlichen Wegen ihre Adressaten erreichen. Schliesslich gelingt es Bastl, Bärbel an einer hinteren Pforte des Klosters zu treffen.
 
Doch das Treffen wird beobachtet. Für Bärbel bedeutet es drakonische Strafen. Am Ende wird sie sogar des Klosters verwiesen. Sie ist nun allein auf der Welt – aber es gibt ja noch Bastl.
 
Von den Einnahmen des Theaterstücks werden hernach im Übrigen Instrumente geliehen und die Jungen gründen eine Blaskapelle, spielen sogar auf einer rumänischen Feier. Von diesen Einnahmen wiederum wird die Renovierung der Turnhalle finanziert, damit die Jungen und Mädchen der beiden Schulen wieder Sport treiben können.
 
Der Titel des Romans schlägt sich zweifach nieder. Zum Einen in der ersten Begegnung von Bastl und Bärbel. Bastl tritt dem Mädchen nämlich in seinem Kostüm als Teufel gegenüber. Zum Anderen wird Bärbel natürlich fortan mit der Tatsache konfrontiert, dass die Nonnen ihr absonderliches Verhalten mit dem Teufel in Verbindung bringen (sie selbst tut dieses zweitweilig auch).
 
Was den Roman so interessant macht ist das Zeitbild. Da die Geschichte auch zu jener Zeit geschrieben wurde, ist das Geschehen, sind die Personen und ihre Handlungsweisen sehr authentisch. Die Interessen der Jugendlichen decken sich so gar nicht mit jenen meiner Jugend oder gar mit jenen der heutigen Heranwachsenden. Die Art sich zu kleiden, miteinander zu sprechen, wirkt aus heutiger Sicht eher belustigend, sollte es aber nicht sein. Die Zeit war halt so. Die Liebe war ein zartes Band. Nähe zu geben, miteinander zu sprechen und einfache Berührungen waren wichtig. Sex spielte in einer beginnenden Beziehung eine deutlich geringere Rolle als heutzutage.
 
Interessant an solch einem Roman sind auch die menschlichen und politischen Gesinnungen. Zunächst sind die Deutschen den Kommunisten gegenüber natürlich sehr ablehnend (und sie haben wahrlich komische Ansichten über den Kommunismus), aber durch die Aktivitäten der Jugendlichen kommt es praktisch zur Völkerverständigung und Überbrückung verschiedener Ansichten. Man kann heute schwer darüber urteilen. Zu jener Zeit war das einfache Denken und der Wunsch nach Frieden in einer Gemeinschaft mit den Anderen sicherlich sehr bedeutend, wenn man bedenkt, was sie kurz vorher alles erlebt hatten und erleiden mussten. So erfüllt dieser Roman eben auch jene Wünsche, schafft ein Idealbild.
 
Übrigens ist der Schreibstil auch noch so eine Sache. Für manch einen Leser aktueller Literatur mag er antiquiert, zuweilen statisch und sperrig klingen. Aber auch das gehört zum Zeitgeist.
 
Dieser Roman ist von seiner Art her einfache Unterhaltungsliteratur ohne wirklichen Anspruch. Aber gerade das macht ihn so faszinierend, denn man erfährt darin mehr über das Leben der Leute von damals als in sogenannten hochwertigen literarischen Werken. So wird es immer sein. Wenn in 50 Jahren jemand einen einfachen Gesellschaftsroman von heute liest, dann wird er Vieles über uns erfahren können.


Paul ScusterPAUL SCHUSTER
Geboren in Hermannstadt/Siebenbürgen am 20. Februar 1930. Der Roman war 1955 sein Erstling und fand überraschend grosse Beachtung, wenn auch nicht immer Zustimmung. Nach seinem Umzug nach Bukarest arbeitete er für verschiedene deutschsprachige Tages- und Monatzeitungen. Sein Buch „Fünf Liter Zuika“ war 1968 der erste Roman eines Deutsch-Rumänen, der auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde.
 
Schuster war politisch sehr aktiv, war in den höchsten Kreisen Rumäniens ein gern gesehener Gast, obgleich er zeitweise auch in Berlin wohnte. Ein streitbarer Mann, der immer zu Diskussionen und Ausseinandersetzungen bereit war. Obgleich viele ihn häufig wegen politischer Ansichten kritisierten, genoss er hohen Respekt bei den Schriftstellerkollegen.
 
Schuster starb am 5. Mai 2004 in Berlin.


Mehr zu Paul Schuster in der „Siebenbürgischen Zeitung“ (aus der ich auch das Bild "geklaut" habe)

Kommentare  

#1 Uta Riehle 2010-06-19 17:02
Zitat:
(et)
Sehr geehrter Herr Aichele, auf der Suche nach genau dem von Ihnen beschriebenen Buch fand ich Ihren Artikel. Da ich selbst aus diesem "fiktiven" Städtchen stamme, möchte ich Ihnen sagen, dass es sich um eine reale Stadt handelt, meiner und des Autors Heimatstadt, Hermannstadt (rum. Sibiu). Bei dem Jungengymnasium handelt es sich um das Brukenthal-Lyzeum. In den 1980er Jahren war ich selbst dort Schülerin (inzwischen längst ein Gymnasium für Schüler beider Geschlechts). Das beschriebene Kloster ist das Ursulinenkloster. Zu meiner Zeit war die Schule dort ein Pädagogisches Lyzeum. Unter www.brukenthal.ro können Sie Photos der Schule ansehen, die sich den Hof mit der evangelischen Kirche teilt. Die im Buch beschriebene Aula, der Hof, die lateinischen Inschriften, ich werde sie sicher nochmal besuchen.
Ach ja, das Buch habe ich zum Glück wieder erwerben können. Viele Grüße Uta Riehle
#2 Norbert 2010-06-19 17:36
Sehr geehrte Frau Riehle, ich möchte Ihnen für den Hinweis danken. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, denn ich habe es, als ich den Artikel schrieb, nicht als wirklich relevant gesehen, da der Roman meines Erachtens vor allem aufgrund des Zeitbildes interessant war und ich ihn dafür auch sehr schätze. Er hat mir einen kleinen Einblick in das Jugendleben meiner Eltern verschafft. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dem Buch, denn es ist ja nebenbei auch sehr unterhaltsam. Alles Gute, Norbert Aichele

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