Schriftsteller unter Anklage - »Oscar Wilde«
Schriftsteller unter Anklage
»Oscar Wilde«
Im Jahr 1960 erschienen fast zeitgleich in Großbritannien zwei Biopics, die sich mit dem Leben Oscar Wildes auseinandersetzten. Gregory Ratoffs Film „Oscar Wilde“ zeigte uns den beliebten Charakterkomiker Robert Morley in der Titelrolle, Peter Finch beeindruckte im selben Jahr in Ken Hughes‘ „Der Mann mit der grünen Nelke“. 1972 wurde in der BRD ein Fernsehfilm mit Klaus Maria Brandauer gedreht, und erst im vergangenen Jahr nahm sich der offen homosexuelle Rupert Everett den letzten Jahren des Dichters in „The Happy Prince“ an, in dem er sich selbst in der Hauptrolle inszenierte. Auch Brian Gilberts („Nicht ohne meine Tochter“) Biopic aus dem Jahr 1997 ist sehenswert. In „Oscar Wilde“ übernahm ebenfalls ein offen schwuler Schauspieler, Stephen Fry, die Rolle des Literaten. Der Film bezog sich auf die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Biografie von Richard Ellmann, die das gesamte Leben Wildes abzudecken versucht.
Oscar Wilde (Stephen Fry) genießt in London einen exzellenten Ruf. Er ist ein beliebter und angesehener Schriftsteller, dessen Bühnenstücke, Märchen und Gedichte ein breites Publikum finden. Auch sein Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ wird zu einem Erfolg. Wilde ist mit Constance (Jennifer Ehle) verheiratet und wird Vater von zwei Jungen. Dennoch entdeckt er zusammen mit seinem Freund Robert Ross (Michael Sheen) auch seine homosexuellen Neigungen, die er künftig recht unverblümt auslebt. Viele junge Männer in der britischen Hauptstadt werden zu Wildes Geliebten, von Strichern über den Künstler John Gray (Ioan Gruffudd) bis hin zu Lord Alfred „Bosie“ Douglas (Jude Law), dem Sohn des Marquis von Queensberry (Tom Wilkinson). Letzterem kommen alsbald Gerüchte zu Ohren, dass Wilde ein Sodomit ist, weswegen er den Schriftsteller öffentlich denunziert, was schließlich in einem folgenschweren Gerichtsprozess gipfelt.
Ein engagiertes Biopic um die tragische Lebens- und Liebesgeschichte Oscar Wildes, der in einer Zeit lebte, als gesellschaftliches Gebaren, Standeszugehörigkeit und Heuchelei wichtiger waren als Witz, wahre Liebe und Leidenschaft. In der ersten Hälfte wirkt der Film teilweise etwas schleppend, doch mit den sich zuspitzenden Ereignissen kommt schließlich auch mehr Dramatik in die Story. Brian Gilbert hat den Film ausgesprochen erlesen gestaltet. Darüber hinaus punktet „Oscar Wilde“ mit dem fein nuancierten Spiel sämtlicher Darsteller. Die BluRay-Erstveröffentlichung des Films aus dem Jahr 1997 präsentiert uns diesen in einem recht guten Bild (im Widescreen-Format 2,35:1), bei dem in einigen Szenen das Filmkorn allerdings noch zu sehen ist. Der Ton (Deutsch und Englisch im DTS HD Master Audio Stereo, optional mit deutschen Untertiteln) entspricht ebenfalls den technischen Möglichkeiten der Entstehungszeit und ist nicht zu beanstanden. Als einziges Extras bietet die Scheibe die Dokumentation „Simply Wilde“ (25 Minuten).